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Die Mitarbeiter der Abgeordneten sind deren Angestellte – nicht die des Bundestages. © pa/chromorange
Wissenschaftliche Mitarbeiter, Referenten, Büroleiter bei einem Abgeordneten: Sie arbeiten in einer Nische – für ihre Tätigkeit gibt es bei der Arbeitsagentur nicht einmal eine treffende Berufsbezeichnung. Da verwundert es nicht, dass auch ihre arbeitsrechtliche Situation speziell ist. Angestellt sind sie nicht bei der Bundestagsverwaltung, wie sich vermuten ließe, sondern unmittelbar bei den Abgeordneten. Rechtlich gesehen sind diese also mit Kleinstbetrieben vergleichbar. Zusammen beschäftigen sie fast 4.500 Mitarbeiter – darunter neben Sekretärinnen, Sachbearbeitern und Hilfskräften auch 1.700 wissenschaftliche Mitarbeiter.
Für seine Mitarbeiter steht jedem Bundestagsmitglied pro Monat eine Pauschale von derzeit 16.913 Euro zur Verfügung. Diese Summe erhält der Abgeordnete allerdings nicht selbst, sondern die Bundestagsverwaltung zahlt die von ihm eingestellten Mitarbeiter direkt. Mitarbeiter, die mit dem Parlamentarier verwandt, verheiratet oder verschwägert sind, sind hiervon ausgenommen. Ihr Gehalt müsste er selbst zahlen. Wie viele Mitarbeiter ein Abgeordneter zu welchem Gehalt beschäftigt, ist aber allein ihm überlassen.
Auch Muster-Arbeitsverträge stellt die Verwaltung den Abgeordneten bereit. Geschlossen werden die Verträge allerdings nur zwischen Abgeordneten und Mitarbeitern. Sie sind an die Dauer des Mandats gekoppelt und deshalb auf vier Jahre befristet – so lange dauert eine Wahlperiode. Gelingt einem Parlamentarier nicht die Wiederwahl, gibt er sein Mandat vorzeitig zurück oder verstirbt, dann verlieren auch seine Mitarbeiter ihren Job. Lange galt die Tätigkeit deshalb als Job auf Zeit. Doch das ändert sich: Immer öfter bleiben wissenschaftliche Mitarbeiter Jahrzehnte in diesem Beruf. Mancher Abgeordnete ist längst nicht mehr im Bundestag – seine früheren Mitarbeiter schon noch.
Mehr als 20 Jahre im ‚parlamentarischen Geschäft‘ ist Thomas Wierer, der für den Pfälzer CDU-Abgeordneten Norbert Schindler tätig ist. Um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, gründete Wierer zusammen mit anderen 2009 einen Mitarbeiterbeirat, der als überfraktionelle Interessenvertretung der Abgeordnetenmitarbeiter fungiert. Die gleichen Rechte und Pflichten wie ein Personal- und Betriebsrat hat diese informelle Mitarbeitervertretung aber nicht.
„Das Problem ist, dass wir Angestellte der Abgeordneten sind, die als Kleinstbetriebe gesetzlich gar keinen Personalrat und Betriebsrat haben müssen“, erklärt Wierer. „Aber das Argument akzeptieren wir nicht“, ergänzt Anna Alexandrakis, die seit 16 Jahren für den SPD-Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann arbeitet. „Schließlich fungiert die Bundestagsverwaltung wie eine Klammer. Sie übernimmt zum Beispiel für alle Abgeordnetenmitarbeiter die Lohnabrechnungen.“
Ob die Muster-Arbeitsverträge, Urlaub, Arbeitsschutz, Weiterbildung oder IT-Ausstattung – die Mitarbeiterkommission des Ältestenrats sei für die wichtigen Rahmenbedingungen der Tätigkeit von Abgeordnetenmitarbeitern zuständig, auch wenn die Arbeitsverträge zwischen dem MdB und seinen Mitarbeitern geschlossen werden.
Wierer und Alexandrakis, die sich die Geschäftsführung des Mitarbeiterbeirats teilen, werben deshalb für mehr Mitbestimmung. „Davon profitiert letztlich auch der MdB“, so Alexandrakis. Bessere Arbeitsbedingungen in den Büros führten schließlich auch zu einer besseren Qualität der Arbeit. Ihr Ziel: ein Personal- und Betriebsrat, ähnlich wie es ihn für die Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung auch gibt, um mitreden zu können, wenn es um die Belange der Abgeordnetenmitarbeiter in der Mitarbeiterkommission im Ältestenrat des Bundestages geht.
Eine Fürsprecherin für dieses Anliegen hat der Beirat in der ehemaligen Vorsitzenden von Bündnis 90/Die Grünen gewonnen: Claudia Roth ist Bundestagsvizepräsidentin und Vorsitzende der Mitarbeiterkommission. „Sie unterstützt uns sehr“, sagen Wierer und Alexandrakis.
Doch um die Mitbestimmung der Abgeordnetenmitarbeiter verankern zu können, bedarf es einer Änderung des Abgeordnetengesetzes. Damit ist es eine politische Entscheidung, die die Fraktionen zu treffen haben. Wierer und Alexandrakis werden also noch Überzeugungsarbeit leisten müssen – vor allem bei den Fraktionen der Großen Koalition. Leicht werde das nicht, räumen beide ein.
Einen Erfolg allerdings konnte der Mitarbeiterbeirat schon verzeichnen: „Wir sind sehr froh, dass künftig die Tariferhöhungen für den öffentlichen Dienst automatisch an alle Abgeordnetenmitarbeiter weitergegeben werden, ohne dass der einzelne Abgeordnete widersprechen kann“, sagt Alexandrakis.
Weil es ein übergreifendes Betriebsratsmodell nicht gibt, sind eigene Mitbestimmungsmodelle der Fraktionen allesamt auf den Goodwill der jeweiligen Abgeordneten angewiesen. So gründeten etwa Abgeordnete der Fraktion Die Linke eine Gemeinschaft, die mit der Gruppe ihrer MdB-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter einen Tarifvertrag abgeschlossen hat. (sas/06.08.2015)