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Mit 34,37 Milliarden Euro sollen Deutschlands Verteidigungsausgaben im kommenden Jahr um 1,39 Milliarden Euro höher ausfallen als 2015. Dies sieht der Entwurf der Bundesregierung für den Wehretat 2016 (18/5500, Einzelplan 14) vor, über den der Bundestag am Mittwoch, 9. September 2015, in erster Lesung beriet. Verteidigungsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) begrüßte die geplanten Mehrausgaben ausdrücklich. Damit werde die „Abwärtsspirale“ der vergangenen Jahre im Wehretat aufgehalten. Deutschland gebe 1,17 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus. Dieser Wert müsse auch in den kommenden Jahren gehalten werden.
Ministerin von der Leyen rechtfertigte die geplanten Mehrausgaben mit dem Nachholbedarf der Bundeswehr bei der Beschaffung moderner Ausrüstung und beim Materialerhalt. In den vergangenen Jahren waren immer wieder bereitgestellte Haushaltsmittel nicht ausgegeben worden, weil sich die Auslieferung neuer Fahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe verzögert hatte. So sollen im kommenden Jahr 4,68 Milliarden Euro in die Beschaffung neuer Waffensysteme und anderer militärischer Ausrüstung fließen.
Zu den größten Ausgabenposten zählen das Kampfflugzeug Eurofighter, das Transportflugzeug A400M, der Unterstützungshubschrauber Tiger, der Transporthubschrauber NH90 und die Fregatte 125. Insgesamt sollen den Streitkräften für Beschaffungen und den Erhalt von Material und Anlagen 10,13 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden. Langfristig will die Verteidigungsministerin rund 20 Prozent der Verteidigungsausgaben für die Beschaffung neuer Ausrüstung aufbringen. Davon sei man jedoch noch weit entfernt, räumte von der Leyen ein.
Den größten Ausgabenposten im Verteidigungshaushalt werden auch im kommenden Jahr die Personalausgaben bilden. Sie sollen im kommenden Jahr um 623 Millionen Euro auf 16,99 Milliarden Euro steigen. Der starke Anstieg ist zu einem großen Teil auf die Umschichtung der Mittel für Zahlungen von Überbrückungsleistungen an ehemalige Zivilbeschäftigte der Bundeswehr aus dem Einzelplan 60 des Bundeshaushaltes (Allgemeine Finanzwirtschaft) in den Verteidigungshaushalt zu erklären.
Ministerin von der Leyen lobte in der Debatte ausdrücklich die Leistungen der Marine bei der Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen im Mittelmeer. Seit Beginn des Einsatzes im Mai, an dem sich die Bundeswehr mir zwei Schiffen beteiligt, hätten deutsche Soldaten mehr als 7.200 Menschen das Leben gerettet. Der Seenotrettungseinsatz werde fortgesetzt und werde auch weiterhin Priorität haben. Allerdings werde sich die Bundeswehr ab Herbst dieses Jahres auch an der Bekämpfung der Schleuserkriminalität beteiligen, kündigte die Ministerin an. Ein entsprechendes Mandat werde vorbereitet.
Bei der Linksfraktion stieß die Ankündigung auf heftige Kritik. Europa lasse sich nicht abschotten, „auch nicht mit einem Kampfeinsatz gegen Schlepper“, sagte deren Haushaltsexperte Michael Leutert (Die Linke). Mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien und den türkisch-kurdischen Konflikt forderte er ein sofortiges Ende der Ausbildungsmission der Bundeswehr im Nordirak.
Die Bundeswehr befinde sich in einer absurden Situation. Während sie dort die kurdischen Peschmerga-Kämpfer an deutschen Waffen ausbilde, ginge der Nato-Partner Türkei gleichzeitig militärisch gegen die Kurden vor. Die Marine wiederum rette anschließend Menschen im Mittelmeer, die vor diesem Konflikt flüchten.
Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Henning Otte, wies diese Kritik zurück. Die Lieferung von Waffen an die Peschmerga und deren Ausbildung durch die Bundeswehr sei richtig. Ansonsten hätte man die Kurden dem Ansturm der Terrormilizen des „islamischen Staats“ schutzlos ausgeliefert.
Otte verteidigte zugleich die wachsenden Verteidigungsausgaben. Die deutschen Soldaten in den Auslandseinsätzen hätten ein Anrecht auf eine moderne Ausrüstung. Dies bedeute aber auch, dass man eine eigenständige wehrtechnische Industrie erhalten müsse, um nicht in Abhängigkeiten zu geraten.
Auch die SPD-Haushaltspolitikerin Karin Evers-Meyer begrüßte den Zuwachs im Wehretat. Einige Sparentscheidungen der letzten Jahre seien „falsch“ gewesen. Zugleich mahnte sie eine koordinierte Rüstungspolitik unter den europäischen Verbündeten an.
Die Verteidigungsausgaben der 28 EU-Mitgliedstaaten entsprächen zwar rund einem Drittel des Verteidigungshaushaltes der USA, allerdings liege die Leistungsfähigkeit der 28 nationalen europäischen Armeen unterhalb der Fähigkeiten der US-Streitkräfte. Noch immer würden in der EU zu viele nationale Rüstungsprojekte umgesetzt.
Der haushaltspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Tobias Lindner, bezeichnete das von Verteidigungsministerin von der Leyen ausgegebene Ziel, rund 20 Prozent der Ausgaben für neues Material einzuplanen, als „Träumerei“.
Stattdessen müsse deutlich mehr Geld in die Sanierung maroder Kasernen investiert werden. Auch die Vorgabe, dauerhaft 1,17 Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung aufzubringen, sei nicht realisierbar. (aw/09.09.2015)