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Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung wegen der Lieferung von Gewehren des Typs G36 des deutschen Herstellers Heckler & Koch an Mexiko erhoben. In einer Aktuellen Stunde, die auf Verlangen der Fraktion Die Linke am Mittwoch, 23. September 2015, aus der Fragestunde heraus durchgeführt wurde, sagte Jan van Aken (Die Linke), die vom Auswärtigen Amt zunächst abgelehnte Lieferung der Gewehre sei ein „Lehrstück in Sachen Lug und Betrug“.
Es sei unfassbar, wie sich deutsche Behörden und deutsche Politiker zu Helfershelfern der Rüstungsindustrie gemacht hätten, „um diesen schmutzigen Deal doch noch auf den Weg zu bringen“. Nach den Wahlen 2005 und der Bildung der Großen Koalition habe das Auswärtige Amt die Position gewechselt und der Lieferung unter der Bedingung zugestimmt, dass in Mexiko alte Gewehre vernichtet würden.
Das Prinzip werde „Neu für Alt“ genannt und diene nur der Rechtfertigung von kritischen und falschen Waffenexporten. Ein weiterer Trick habe darin bestanden, mexikanische Bundesstaaten mit kritischer Sicherheitslage aus der Belieferung herauszunehmen. Das Vorgehen sei auf Empfehlung von Beamten des Wirtschaftsministeriums erfolgt. Aber die Gesamtzahl der zu liefernden Waffen sei gleich geblieben. Das sei „Beihilfe zum illegalen Waffenexport“ durch die Beamten des Wirtschaftsministeriums. „Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure, wenn nicht wir?“, fragte van Aken. Der Abgeordnete bezeichnete die Waffenexportkontrolle als eine „einzige Farce“. Er forderte ein Exportverbot.
Exportverbote lehnte Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) ab. Er warf van Aken vor, längst bekannte Dinge wieder hochzuziehen. Es gehe darum, dass von 10.102 G36-Gewehren, deren Lieferung von 2004 bis 2008 genehmigt worden sei, durch ein technisches Versehen 1.393 Gewehre 2008 nicht im Rüstungsexportbericht aufgeführt worden seien, weil sie dem Jahr 2007 zugeordnet worden seien. Pfeiffer sprach sich für eine Debatte aus, welche Rolle die Außen- und Sicherheitspolitik spielen könne, um Fluchtursachen vor Ort zu bekämpfen.
Geprüft werden müsse: „Wo können Rüstungsexporte, deutsche Sicherheitstechnik und deutsche Waffen dafür sorgen, dass Stabilität erhalten wird, dass Frieden erhalten wird, dass Menschen nicht umgebracht werden“? Er sprach sich für europäische Regelungen beim Rüstungsexport aus. „Rüstungsexport ist ein legitimes Instrument der Außen- und Sicherheitspolitik“, stellte Pfeiffer fest, der kritisch anmerkte, dass Deutschland im afrikanischen Staat Mali Sicherheitskräfte ausbilde, aber keine Waffen zur Verfügung stelle: „Das ist doch verlogen.“
Agnieszka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) erinnerte an die Morde an der mexikanischen Stadt Iguala im Jahr 2014 und an die Verschleppung von 43 Studenten. Dabei seien deutsche Waffen der Firma Heckler & Koch zum Einsatz gekommen, die laut Bundesregierung niemals dorthin hätten geliefert werden dürfen. Die Abgeordnete warf Pfeiffer vor, eine „Rede der zynischen Kälte“ gehalten zu haben.
„Die deutsche Bundesregierung trägt eine Mitschuld an dieser Gräueltat“, empörte sich Brugger über eine „erschreckende Politik, die den Kompass für Sicherheit und Menschenrechte völlig verloren hat.“ Die angeblich so strengen Exportregeln seien in „ihr perverses Gegenteil“ verkehrt worden, Beamte der Regierung hätten sich zu „willfährigen Helfern“ der Waffenhersteller gemacht.
Seit 2008 seien keine Anträge mehr auf G36-Ausfuhren nach Mexiko mehr genehmigt worden, und seit 2010 seien überhaupt keine Anträge für den Export von Kleinwaffen nach Mexiko genehmigt worden, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Brigitte Zypries (SPD). 2008 sei es beim Export von 1.393 Gewehren nach Mexiko zu einer Zuordnung dieser Exporte zum Jahr 2007 gekommen, so dass der Export nicht im Rüstungsexportbericht aufgeführt worden sei. „Dieses Handeln war fehlerhaft“, sagte Zypries und erklärte: „Für dieses Verfahren können wir uns nur entschuldigen.“ Die fehlerhafte Organisation sei bereinigt worden. Ein solches Verfahren könne nicht wieder passieren.
Bernd Westphal (SPD) erklärte, es sei unredlich, den jetzigen Wirtschaftsminister für einen Vorgang aus dem Jahr 2008 verantwortlich zu machen. Aufklärt werden müsse die Sache aber. (hle/23.09.2015)