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2,8 Millionen VW-Fahrzeuge sind in Deutschland vom VW-Skandal betroffen, erklärte der Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, am Freitag, 25. September 2015, im Bundestag. Es handle sich nicht nur um 1,6- und 2,0-Liter-Dieselmotoren, sondern wohl auch um 1,2-Liter-Motoren. Nicht nur Pkw, sondern auch leichte Nutzfahrzeuge seien betroffen. Dies sagte er bei einer Aktuellen Stunde, die von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen verlangt worden war. In der Debatte attackierte die Opposition den Minister. Er habe „Zweifel“, dass Dobrindt zu den nötigen Konsequenzen „in der Lage“ sei, meinte der Vizefraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen, Oliver Krischer. „Das geht nicht mit diesem Verkehrsminister“, befand Sabine Leidig (Die Linke).
Dobrindt griff seinerseits Krischer an. Der habe in den letzten Tagen mehrfach zum Ausdruck gebracht, die Regierung habe das Vorgehen in der Automobilindustrie geradezu hingenommen. Solche „Verdächtigungen“ seien „falsch“. Sie zu äußern, sei „unanständig“. Der Minister nannte die VW-Manipulationen „unzulässig und illegal“. Sie erschütterten „auch das Vertrauen der Verbraucher zutiefst“. Er habe „lückenlose Aufklärung und vollständige Transparenz“ eingefordert. Die von ihm eingesetzte Untersuchungskommission habe ihre Arbeit am 23. September in Wolfsburg aufgenommen.
Dobrindt verwies auf die EU. Tests zum Spritverbrauch und Abgasausstoß, die „nicht nur auf der Rolle“, sondern auch „auf der Straße“ erfolgten, sollen eingeführt werden. Das Kraftfahrtbundesamt werde auf einer verbindlichen Aussage von VW bestehen, in welchem Zeitraum die technischen Manipulationen zu beheben seien. Dies dürfe nicht zulasten der Kunden geschehen. Dobrindt mochte „keinen Zweifel“ daran lassen, dass er „nicht nachlassen“ werde, „bis der ganze Fall aufgeklärt ist“.
Krischer geißelte „Tricks, Täuschungen und Betrügereien“ womöglich nicht nur durch VW, sondern auch andere Unternehmen. Der Industrie müsse klar werden, nur wer die Standards zum Klimaschutz „einhält, der hat eine Zukunft“. Er fürchte, dass nun „das Ende des Traums vom Diesel als sauberer Antriebsenergie“ gekommen sei. Die „Subventionen von Diesel an der Tankstelle“ stellte er infrage. Er wünschte sich eine „Mentalitätswende“ zur Einhaltung von Klima-Standards. Gerade neuere Fahrzeuge würden die Grenzwerte „um ein Vielfaches überschreiten“. Dass VW-Manager mit „clean Diesel“ Werbung machten, sei „skrupellos oder inkompetent“. Auf jeden Fall müsse „mit dem Betrug am Verbraucher Schluss sein“.
Sabine Leidig geht davon aus, dass auch andere Autokonzerne das Gleiche wie VW gemacht haben. In den Chefetagen der Unternehmen sei „gewerbsmäßiger Betrug“ organisiert worden. Rücktritte reichten nicht. Betroffene müssten „strafrechtlich verfolgt“ werden. Die vom Ministerium eingesetzte Untersuchungskommission lehnte sie ab. Nötig sei ein Gremium, das von Umwelt- und Verbraucherverbänden besetzt werde. Auf die EU dürfe nicht gewartet werden: „Man kann sofort etwas tun.“ Für sie haben die Abweichungen zwischen den Tests und den realen Werten „System“. Seit Jahren würden unabhängige Kontrollen gefordert.
Andere Akzente setzte die Koalition. Die deutsche Automobilindustrie sei weltweit zum „Innovationsmotor für Sicherheitstechnik“ geworden, sagte Kirsten Lühmann (SPD): „750.000 Menschen bauen zuverlässige und sichere Fahrzeuge.“ Nach ihrem Kenntnisstand hätte ein Filter gereicht, um die Test-Manipulationen von VW überflüssig zu machen. Es sei „aus Gründen der Gewinnmaximierung betrogen“ worden: „Das ist skandalös.“ Die Kunden brauchten nun rasch Klarheit über mögliche Rückrufaktionen. Über die Untersuchungen solle es deshalb schon im nächsten Monat einen Zwischenbericht geben.
Thomas Viesehon (CDU/CSU) lenkte den Blick auf das VW-Getriebewerk in Baunatal mit 16.000 Beschäftigten: „Die Betroffenheit in meiner Heimat ist riesengroß.“ Er meinte, er wolle das VW-Vorgehen „in keinster Weise entschuldigen oder bagatellisieren“. Dessen ungeachtet sei „der Fortschritt in der Diesel-Technologie gewaltig“. Durch die Herabsetzung von Grenzwerten könne eine Technologie „ganz vom Markt verdrängt“ werden. „Wollen Sie das?“ Wenn Diesel nicht weiter genutzt werde, habe das „nicht einmal einen weiteren Klimanutzen“ Zum weiteren Einsatz von Dieselmotoren sagte er: „Wir sind auf dem richtigen Weg.“ Krischer hielt er vor: „Ihr Weg ist es, Autos stehen zu lassen.“ (fla/25.09.2015)