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Familienbetriebe sind das Herz der deutschen Wirtschaft. 90 Prozent der Unternehmen zählen zu diesem Sektor, 60 Prozent aller Arbeitsplätze werden von diesen Betrieben, in denen die Inhaber und nicht Großaktionäre das Sagen haben, zur Verfügung gestellt. „Aus unserer Sicht ist es von zentraler Bedeutung, dass wir die besondere Kultur der Familienunternehmen in Deutschland erhalten“, betonte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Dr. Michael Meister (CDU/CSU), in der Erbschaftsteuer-Debatte des Bundestages am Freitag, 25. September 2015. Denn in den Familienbetrieben gibt es mit dem Übergang auf die nächste Unternehmergeneration regelmäßig eine Zäsur, die auch das Finanzamt wegen der Erbschaftsteuer auf den Plan ruft.
Die Steuererhebung ist schwierig: Einerseits braucht der Fiskus Geld, aber andererseits soll die Belastung nicht so hoch sein, dass Arbeitsplätze gefährdet werden. Die Regelungen sind kompliziert. Und das Bundesverfassungsgericht hatte die letzte Erbschaftsteuerreform im Unternehmensbereich verworfen, sodass jetzt eine neue Lösung gefunden werden muss. Meister beschrieb die Dimension: „Wir haben hier ein wirtschaftspolitisch, steuerpolitisch und verfassungsrechtlich bedeutsames Thema auf der Tagesordnung.“
Die Generationenübergabe sei eine Schlüsselsituation für die Weiterführung des Unternehmens, und die Politik sollte keine Hindernisse in den Weg räumen, sondern darauf achten, „dass bestehende Unternehmen und bestehende Arbeitsplätze sicher auch in die nächste Generaiton geführt werden können“, forderte Meister. Ziel sei eine verfassungskonforme Lösung und nicht die Erzielung von Steuermehreinnahmen: „Das ist kein Ziel dieses Gesetzentwurfs.“
Für die Opposition steht dagegen fest, dass die Bundesregierung mit dem vorgelegten und vom Bundestag an die Ausschüsse überwiesenen Gesetzentwurf (18/5923) die Reichen in Deutschland verschont. Richard Pitterle (Die Linke) erinnerte daran, dass die Lobbyverbände die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen als „todbringende Gefahr für den Mittelstand“ gegeißelt hätten. Er könne dieses Märchen nicht mehr hören, sagte der Abgeordnete.
Unter dem Druck des „Propagandasturms der Lobbyisten“ sei ein Gesetzentwurf mit „großzügigen Steuergeschenken an die Unternehmensdynastien“ vorgelegt worden. Wer ein Unternehmen im Wert von 20 Millionen Euro erbe und sieben Jahre unter Einhaltung einer bestimmten Lohnsumme weiterführe, müsse keine Erbschaftsteuer zahlen. Bei höheren Werte müsse der Erbe darlegen, dass er bedürftig sei und die Steuer nicht begleichen könne. „Es ist kaum vorstellbar, dass jemand, der Unternehmensvermögen im Wert von 70 Millionen Euro erbt, bedürftig sein soll und sich die Zahlung der Erbschaftsteuer nicht leisten kann.“
Der „Hammer“ sei jedoch, dass bei noch höheren Erbschaften ein Abschmelzmodell eingeführt werden solle. Statt der Bedarfsprüfung könne man das Modell wählen und bekomme einen Abschlag von der Steuer. „Wer Hartz IV bekommt, wird aufs Gründlichste durchleuchtet, bevor gezahlt wird, aber bei den Reichen macht man wieder eine Ausnahme. Das ist eine Frechheit“, sagte Pitterle, der es als absolut lächerlich bezeichnete, vom Ende des deutschen Mittelstands zu sprechen. Es sei bis heute kein Fall bekannt, in dem ein mittelständisches Unternehmen an der Erbschaftsteuer zugrunde gegangen wäre.
Die 4,5 Milliarden Euro Erbschaftsteuer, die seit 2009 pro Jahr bezahlt worden seien, habe fast ausschließlich die Mittelschicht bezahlt, stellte Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) fest. 14 Prozent Steuer habe die Mittelschicht im Durchschnitt bezahlen müssen. Dagegen hätten die Erben der Superreichen und selbst von DAX-Unternehmen bestenfalls noch zwei Prozent Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen gezahlt: „19 Milliarden Euro sind dadurch bis 2013 dem Fiskus verloren gegangen.“
Das Bundesverfassungsgericht habe die Privilegierung großer Betriebsvermögen als unverhältnismäßig bezeichnet, aber dennoch unterscheide sich der Entwurf der Regierung kaum vom bisherigen Gesetz. Paus verlangte, die Erbschaftsteuer müsse zu einer Gerechtigkeitssteuer werden, aber wirtschaftspolitisch vernünftig sein. Und sie müsse verfassungsfest sein. Mit dem Entwurf der Koalition bleibe es aber dabei, dass die Mittelschicht die Erbschaftsteuer zahlen müsse und die Leistungsfähigen nicht zahlen müssten. Und deshalb sei die Regelung nicht gerecht.
Offen für Änderungen am Gesetzentwurf zeigte sich Lothar Binding (SPD). Das Gute sei, dass die Erbschafteuer erhalten werde, sagte der Abgeordnete. „Das Schlechte ist, dass wir die optimale Lösung noch nicht gefunden haben“, so Binding. Er verwies auf die Kritik des Bundesrates an der Verschonungsregelung und zeigte sich zugleich „optimistisch, dass wir einen Kompromiss finden“.
Zugleich kritisierte er die „simulierte Panik vieler Unternehmen“ und den Druck von „Leuten, denen des richtig gut geht“. Antje Tillmann (CDU/CSU) zeigte sich ebenfalls über den unangemessenen Ton von Verbänden verärgert. Sie gab sich überzeugt, dass die Koalition verantwortungsbewusst auch dieses Thema zu einem Kompromiss führen werde.
Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Verschonung betrieblichen Vermögens und damit eine verfassungskonforme Erhebung der Steuer erreicht werden soll. Ziel ist es, die vorhandene Beschäftigung in den übergehenden Betrieben weiterhin zu sichern und die mittelständisch geprägte Unternehmenskultur zu erhalten.
"Traditionelle Unternehmen werden vielfach seit Generationen fortgeführt und sichern über Jahrzehnte zahlreiche Arbeitsplätze", heißt es in dem Entwurf, in dem ausdrücklich festgestellt wird: "Vorrangiger Zweck des Gesetzentwurfes ist es nicht, Mehreinnahmen aus der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu erzielen." (hle/25.09.2015)