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Flüchtlinge warten auf dem Gelände des Berliner Landesamtes für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) auf ihre Registrierung und spätere Zuweisung eines Schlafplatzes. © dpa
Der Bundestag debattiert am Donnerstag, 15. Oktober 2015, ab 10.45 Uhr abschließend über das geplante Maßnahmenpaket zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und stimmt namentlich darüber ab. Neben dem von den Koalitionsfraktionen dazu vorgelegten Gesetzentwurf zur Beschleunigung von Asylverfahren (18/6185) stehen zu der Aussprache zahlreiche weitere Vorlagen auf der Tagesordnung des Parlaments, darunter eine Reihe von Anträgen der Oppositionsfraktionen Die Linke (18/3839, 18/6190, 18/4185) und Bündnis 90/Die Grünen (18/4694, 18/5932). Für die Debatte sind 85 Minuten angesetzt.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Wie die Koalitionsfraktionen in ihrem Entwurf schreiben, ist Deutschland "seit Monaten Ziel einer präzedenzlosen Zahl von Asylbewerbern, die Sicherheit vor Krieg, Verfolgung und Not suchen". Zur Bewältigung der damit verbundenen Herausforderungen sei es notwendig, das Asylverfahren zu beschleunigen. Die Rückführungen vollziehbar Ausreisepflichtiger sollten vereinfacht und ,,Fehlanreize, die zu einem weiteren Anstieg ungerechtfertigter Asylanträge führen können, beseitigt werden".
Um die Unterbringung der großen Zahl von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Deutschland gewährleisten zu können, solle zudem für einen befristeten Zeitraum von geltenden Regelungen und Standards abgewichen werden können.
Gleichzeitig sei es erforderlich, die Integration derjenigen zu verbessern, die über eine gute Bleibeperspektive verfügen.
Vorgesehen ist unter anderem, Albanien, Kosovo und Montenegro asylrechtlich als ,,sichere Herkunftsstaaten" einzustufen, um Asylverfahren von Staatsangehörigen dieser Länder zu beschleunigen. Dort erscheine gewährleistet, ,,dass weder Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfinden und die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz für Staatsangehörige dieser Staaten daher nur in Einzelfällen vorliegen". Aus diesem Grund sollten sie künftig auch bis zum Ende des Asylverfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben.
Um mögliche Fehlanreize zu beseitigen, die zu ungerechtfertigten Asylanträgen führen können, soll der Vorlage zufolge der Bargeldbedarf in Erstaufnahmeeinrichtungen so weit wie möglich durch Sachleistungen ersetzt werden. Auszahlungen von Geldleistungen dürften längstens einen Monat im Voraus erfolgen. Erleichtert werden soll die Durchsetzung bestehender Ausreisepflichten. Die Höchstdauer der Aussetzung von Abschiebungen durch die Länder soll von sechs auf drei Monate reduziert werden.
Die Menschen, die eine gute Bleibeperspektive haben, sollen laut Koalition möglichst schnell in Gesellschaft und Arbeitswelt integriert werden. Für die Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen und Flüchtlingsunterkünften während der Dauer des Asylverfahrens und danach sollen den Angaben zufolge zeitlich befristete Erleichterungen im Bauplanungsrecht geschaffen werden. Zudem würden ,,in eng begrenztem und klar umrissenem Umfang weitere punktuelle Erleichterungen hinsichtlich des Einsatzes erneuerbarer Energien im Gebäude" vorgesehen.
Wie aus der Vorlage weiter hervorgeht, unterstützt der Bund Länder und Kommunen zudem beim Neubau von Wohnungen und bei der Ausweitung des Bestands an Sozialwohnungen. Hierzu würden die den Ländern für den Bereich ,,Wohnraumförderung" zuzuweisenden Kompensationsmittel für die Jahre 2016 bis 2019 jeweils um 500 Millionen Euro erhöht. Die Länder hätten zugestimmt, diese Mittel zweckgebunden für den sozialen Wohnungsbau zu verwenden. Für die Abstimmung haben die Grünen eine "Teilung der Frage" beantragt, das heißt über Teile des Gesetzentwurfs wird getrennt abgestimmt. Zur Abstimmung steht auch ein Entschließungsantrag der Grünen (18/6393) zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz.
Ebenso berät der Bundestag abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (18/5921, 18/6289). Mit dem Gesetz sollen die Bundesländer verpflichtet werden, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen und deren Unterbringung, Versorgung und Betreuung an der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen auszurichten. Zudem sollen minderjährige Flüchtlinge im Alter zwischen 16 und 18 Jahren im Asyl- und Aufenthaltsrecht nicht länger wie Erwachsene behandelt werden.
Nach Angaben der Bundesregierung befanden sich Ende 2014 bundesweit 17.955 unbegleitete ausländische Minderjährige in vorläufigen Schutzmaßnahmen oder Anschlussmaßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. Von 2010 bis 2013 sei die Zahl unbegleiteter Flüchtlingskinder, die nach Deutschland kamen, um 133 Prozent gestiegen. Für die Inobhutnahme unbegleiteter ausländischer Kinder sind bislang diejenigen Jugendämter beziehungsweise örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe zuständig, in denen sie erstmalig registriert werden. Einige kommunale Gebietskörperschaften seien gegenwärtig jedoch überlastet und eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung und Betreuung erheblich erschwert oder nicht mehr möglich.
Die Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen, die den Gesetzentwurf der Regierung für nicht ausreichend ansehen, haben jeweils eigene Anträge (18/4185, 18/5932) eingebracht, über die das Parlament ebenfalls abstimmen wird.
Schließlich debattiert der Bundestag auch abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur schnelleren Entlastung der Länder und Kommunen bei der Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern (18/6172).
Danach sollen die Länder schon in diesem Jahr weitere 500 Millionen Euro, die bisher für 2016 eingeplant waren, zusätzlich für die Aufnahme und Unterbringung von Asylbewerbern erhalten.
Für den Zeitraum ab 2016 hat der Bund zugesagt, sich strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten zu beteiligen, die in Abhängigkeit von der Zahl der Aufnahme der Asylbewerber und Flüchtlinge entstehen, heißt es weiter. Die genauen Regelungen dafür sollen zwischen Bund und Länder bis zum Herbst festgelegt werden.
Neben der namentlichen Abstimmung über das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz wird auf Wunsch der Grünen getrennt namentlich über Artikel 1 Nummer 15, 16 und 19; über Artikel 1 Nummer 35; über Artikel 2; und über Artikel 8 und 12 abgestimmt. (mik/15.10.2015)