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Die derzeit ernste wirtschaftliche Lage auf dem Milchmarkt in Deutschland veranlasst die Opposition zu handeln. In einem gemeinsamen Antrag (18/6206) forderten Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen am Mittwoch, 15. Oktober 2015, im Bundestag Eingriffe durch die Bundesregierung, um die Rohstoffpreise zu stabilisieren. Die Forderung wurde mit Unverständnis seitens der Koalitionsfraktionen quittiert, die darin nur mehr Bürokratie, hohe Kosten und keine Verbesserung der Situation sahen. Dagegen hielten CDU/CSU und SPD einen eigenen Antrag zur Stärkung der Marktposition der Milcherzeuger (18/4424).
„Immer mehr Milchbetriebe steigen aus der Produktion aus“, warnte Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke). Es gebe nur noch 75.000 Betriebe, von denen viele um das Überleben kämpfen würden. Im Durchschnitt laste ein Schuldenberg von 23.000 Euro pro Hektar auf den Schultern der Milchbauern. Zwar sei ein gemeinsamer Antrag der Opposition ungewöhnlich, „aber die Lage ist dramatisch, weil die Milcherzeuger nur noch ein Handgeld für ihre Produkte bekommen“.
Die versprochene finanzielle Hilfe von 69 Millionen Euro in Form von Liquiditätshilfen aus Brüssel für die Landwirte bezeichnete Tackmann als „Sterbegeld“. Die Betriebe würden nicht mehr Subventionen aus Brüssel wollen, „sondern fordern faires Geld für ihre Arbeit“. Es werde schließlich mit Milch Geld verdient. Doch die Supermärkte und Molkereien täten dies auf Kosten der Milchproduzenten. Aus diesem Grund müsse ein neues System der Anpassung der Milchmenge an die Nachfrage eingeführt werden. Das sei kein Quotensystem alter Schule, aber es soll in Zeiten der Überproduktion Betriebe entschädigen, die freiwillig auf Mehrproduktion zur Kostendeckung verzichten würden.
Dass Milch im Augenblick zu billig sei, gestand auch Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) ein. „Wir ergreifen kurz- und mittelfristige Maßnahmen zur Stabilisierung der Einkommen und des Marktes“, erklärte er und verteidigte die Liquiditätshilfen, „egal ob es gemocht wird oder nicht“. Er monierte zudem, dass es auf Verwaltungsebene seitens der Länder auch zu lange dauere, die Direktzahlungen schnell auszuzahlen.
Durch den Bund würden Landwirte, die von ihrer Hausbank eine Liquiditätshilfe erhalten haben, einen Bundeszuschuss bekommen, der unter dem normalen Zinssatz liege und im ersten Jahr tilgungsfrei sei. Das löse zwar die Ursachen der Probleme nicht, aber es sei schnelle Hilfe, die die Durststrecke überbrücken helfe. Zudem gebe es ein Programm für die private Lagerhaltung für Milch, Käse und Schweinefleisch, das die Marktlage entspannen helfen soll.
„Aber die Milchquote ist Vergangenheit, und das ist gut so“, sagte der Minister. Dirigismus und Bürokratie hätten in der Vergangenheit nicht geholfen. Offen zeigte er sich für Ideen, die den Verkauf von Milch unter dem Einstandspreis unterbinden: „Darüber müssen wir sprechen.“ Am Export wollte Schmidt indes festhalten, denn das sei richtig und wichtig. „Das betrifft die Hälfte unserer Landwirte.“
Doch diese Einstellung kritisierte Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) scharf. „Noch vor einem halben Jahr hat der Minister das Blaue vom Himmel versprochen“, sagte der Grüne. Der Weltmarkt würde dankbar alles aufnehmen, rief er in Erinnerung und warf Schmidt nun vor, die Milchbauern an den „Rand des Abgrunds“ geführt zu haben. Nun räche sich die wachstumsgetriebene Exportpolitik der Union, der nun der Absatzmarkt fehle. Chinas Importe seien im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte eingebrochen, und es fehle an Abnehmern.
„Die Überproduktion muss eingedämmt werden, das ist die Aufgabe der Stunde“, forderte Ostendorff. „Folgen Sie den Empfehlungen der Länderagrarkonferenz und nutzen Sie die Möglichkeiten, den Markt durch Reduzierung zu stabilisieren.“ Derzeit liege der Überschuss bei rund zehn Millionen Tonnen weltweit. Diese Menge entspreche ungefähr der jährlich zugewachsenen Überproduktion im Land seit dem Jahr 2010.
Die Opposition habe wohl den Stein der Weisen in einer neuen Marktwirtschaft gefunden, spöttelte Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD). Es sei schließlich Erkenntnis der vergangenen Jahrzehnte gewesen, Exporterstattungen streichen und Quoten aufgeben zu müssen. Das alte System habe den Betrieben mithilfe eines regulierten Marktes nicht geholfen. Nun verlange die Opposition die Rückkehr zu überholten Lösungsansätzen und führe in ihrem Antrag willkürliche Rechnungen vor, die jeglicher Grundlage entbehren würden.
Priesmeier sah die Regulation des Marktes nur durch Angebot und Nachfrage gewährleistet. Erst durch den Ausstieg aus Quoten und Regularien sei die Landwirtschaft im vergangenen Jahrzehnt wettbewerbsfähig geworden. Hingegen das Vertrauen der Landwirte in die Politik gehe verloren, wenn alles zurückgedreht werde. Der Oppositionsantrag sei letzten Endes „purer Dirigismus und blanke Bürokratie“.
Kees de Vries (CDU/CSU) schätzte die Oppositionsvorschläge als unrealistisch und populistisch ein. Alle Anträge können auf das Ende der Milchquote im April 2015 zurückgeführt werden, die durch ihre Abschaffung zur Verbesserung zur Wirtschaftlichkeit der Betriebe und des Absatzes auf dem Weltmarkt beitragen sollte. Das Einfuhrverbot für EU-Milchprodukte seitens Russlands und die allgemeine wirtschaftliche Weltlage könne durch einen freiwilligen Verzicht auf Produktion jedoch nicht gelöst werden und sei keine Lösung für das aktuelle Problem auf dem Markt.Bestenfalls könnten die Auswirkungen abgemildert werden.
„Der Minister hat sich im Rahmen seiner Möglichkeiten in Brüssel eingesetzt“, sagte de Vries. Nun werde die von den Landwirten im letzten Jahr gezahlte Superabgabe für zu viel produzierte Milch zweckentfremdet und für die Milchbauern als Liquiditätshilfe verwendet. Die Zukunft wollte der Unionsabgeordnete nicht zu düster sehen: „Jetzt dürfen wir nicht in Aktionismus verfallen, denn der Milchsektor hat eine gute Zukunft.“
Mit dem Stimmen von CDU/CSU und SPD wurde der Antrag der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition zum Auslaufen der Milchquote (18/4424) angenommen. Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, durch Förderprogramme die Bewirtschaftung von Grünlandstandorten zu unterstützen und Fort- und Weiterbildungen anzubieten, um die technische und wirtschaftliche Effizienz der Betriebe zu verbessern.
Bei Enthaltung der Linken scheiterten die Grünen mit ihrem Antrag (18/4330), die bäuerlichen Milcherzeuger zu stärken und die Milchpreise zu stabilisieren. Der gemeinsame Antrag der Opposition wurde an den Agrarausschuss überwiesen. Der Bundestag folgte einer Empfehlung des Landwirtschaftsausschusses (18/5601). (eis/15.10.2015)