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Wie kann Kinderarmut effizient und nachhaltig verringert werden? Die geladenen Sachverständigen hatten dazu am Mittwoch, 11. November 2015, in einer öffentlichen Sitzung der Kinderkommission (Kiko) unter Vorsitz von Susann Rüthrich (SPD) verschiedene Lösungsansätze vorgestellt. Für die Experten war jedoch klar: Die finanzielle Unterstützung von Familien unter der Armutsgrenze reiche derzeit in Deutschland nicht aus.
„Armut schränke nicht nur die materiellen Ressourcen ein, sondern man muss auch stets die Hilfebedürftigkeit überwinden", erklärte Peter Clever von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Er betonte, dass aus pädagogischen und psychologischen Gründen kein Kind dauerhaft erleben dürfe, dass beide Elternteile arbeitslos und demnach hilfebedürftigt seien.
Das Ziel sei, dass mindestens ein Elternteil einer geregelten Tätigkeit nachgeht. Die vorgestellte „Initiative für Beschäftigung!“ hat sich zum Ziel gesetzt, regional und auf Bundesebene neue, passende Lösungen zur Verbesserung der Beschäftigungssituation zu schaffen. Dies soll durch eine freiwillige Teilnahme der jeweiligen Jobcentern finanziell gefördert werden. Jedoch ist der Finanzbedarf, nach Clever, schwer einzuschätzen. Er schätze das Volumen auf derzeit knapp 300 Millionen Euro.
Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes Bundesverband, unterstützte diese Meinung und Initiative. Seiner Erfahrung nach jedoch, reiche ein arbeitendes Elternteil in der Familie allein nicht aus. Der eingeführte gesetzliche Mindestlohn sei nur für wenige hilfreich, da sich die finanzielle Lage mit einem Kind sofort ändere. Der Gang zum Arbeitsamt sei auch hier meist nicht abwendbar.
Denn jedes Kind was hinzukomme, verringere das Gesamteinkommen der Eltern, da es in Deutschland nicht bedarfsgerecht erhöht werde. Das Kindergeld liege fast 400 Euro hinter dem steuerlich festgesetzten Existenzminimum und reiche, so Hilgers, bei weitem nicht aus. Die Politik müsse ein neues System gestalten, in dem mit Kindern, einem Job und Mindestlohn die Familienförderung auch ohne Aufstockung funktioniere. „Der Spruch: 'Man muss sich ein Kinder leisten können' darf nicht mehr zutreffen", Hilgers betonte vehement, „Kinder dürfen die Familie nicht ärmer machen."
Alexander Nöhring und Nikola Schopp vom Zukunftsforum Familie stellten den Mitgliedern der Kiko ihr Konzept der allgemeinen Kindergrundsicherung vor. Demnach solle sich die Höhe der Leistung an dem kindlichen Existenzminimum orientieren und monatlich 536 Euro betragen, der bis zum 18. Lebensjahr an jedes Kind in einer Familie ausgezahlt werden soll. Bis zum 25. Lebensjahr eine Pauschale von 280 Euro analog zum Kindergeld. Somit soll, nach Nöhring und Schopp, sichergestellt werden, dass alle Kinder unabhängig von ihrer familiären Situation und dem Einkommen ihrer Eltern ausreichend gefördert werden und die Chance erhalten, ein gutes und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Die Finanzierung soll durch Wegfall bisheriger Leistungen, wie zum Beispiel Unterhaltszahlungen oder Ehegattensplitting oder durch Einführung oder Anhebung der Vermögens-, Erbschafts- und Börsenumsatzsteuer ermöglicht werden. Diese Idee stoß auf einige Kritik innerhalb der Kommission.
Norbert Müller (Die Linke) zweifelte, ob die hohen monetäre Hilfe wirklich ausreiche, um Kinderarmut allein zu verringern. Man müsse sich die Familien individuell anschauen und Faktoren, wie beispielsweise Bildungsstand, Wohnsituation oder Migrationshintergrund mit einbeziehen. Geld alleine, so Müller, reiche nicht aus. Vernachlässigen dürfe man auch nicht die infrastrukturellen Defizite, wie der notwendigen flächendeckenden Kitabetreuung oder öffentlichen Verkehrsmittel auf dem Land.
Diese Meinung unterstützte auch Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen), jedoch sehe sie die Idee der allgemeinen Kindergrundsicherung als Entlastung für die Eltern im Alltag. „Es geht nicht darum, dreimal im Jahr in den Urlaub zu fahren, sondern auch mal in kleinen Dingen wie, in den Zoo gehen zu können", so Walter-Rosenheimer. Das soziale Gefüge würde sich für die Familie zum Positiven wenden.(abb/11.11.2015)