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Auch in der jüngsten Debatte über die angepeilten Freihandelsabkommen TTIP mit den USA und Ceta mit Kanada am Freitag, 4. Dezember 2015, sind die gegensätzlichen Einschätzungen von Koalition und Opposition unversöhnlich aufeinandergeprallt.
Klaus Ernst (Die Linke) verwies darauf, dass „große Teile der Zivilgesellschaft“ diese Abkommen ablehnten. Die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD sollten die Adventszeit nutzen, um über die Gründe für die Kritik nachzudenken. Konkret, so Ernst, gehe es derzeit etwa darum, ob die EU den USA gestatten solle, rohe Eier in Europa zu verkaufen. Die seien billiger wegen der Verwendung „billigeren Futters“ und geringeren Tierschutz-Standards. Der Abgeordnete nannte dies „absurd“: „Eier auf dem Meer – dümmer geht es nimmer.“
Ernst fächerte eine Reihe von kritischen Äußerungen zu TTIP und Ceta auf, als deren Urheber er dann Landesverbände der SPD nannte: „Die Basis orientiert sich mehr am Gemeinwohl als die Regierung.“ Der SPD wolle er eins „ans Herz legen“: Sie solle nicht auf die Großindustrie schauen, sondern „klare Kante im Sinne der Bürger und der Mitglieder der SPD“ zeigen.
Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) sprach vom Freitag im Parlament als „TTIP-time“. Die Linke komme stets mit dem Gleichen, warte aber mit „keinem neuen Gesichtspunkt“ auf. Der Abgeordnete ging darauf ein, dass die Linken fairen Handel statt der Handelsabkommen fordern. Dies unterstelle aber doch, dass jetzt fairer Handel stattfinde, wandte sich Lämmel an die Linke-Fraktion. Als „völligen Unfug“ stufte er Kritik an einer Senkung der Standards ein. Tatsächlich gehe es darum, dass die Partner der Abkommen ihre „jeweils höheren Standards“ durchsetzen.
Lämmel wertete es als „großen Fortschritt“, dass Bundestagsabgeordnete nun die geheimen Unterlagen über die TTIP-Verhandlungen einsehen könnten. Mit „völlig unlogische Argumenten“ kritisiere Die Linke Handelsgerichtshöfe, die an die Stelle der zunächst vorgesehen Schiedsgerichte treten sollen. Das sei ein Verhandlungserfolg.
Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen) hatte sich zu ihrer Illustration des Koalitionsverhaltens das Bild vom gestrandeten Pottwal einfallen lassen: „Allein kommen Sie nicht vom Fleck.“ Nach zwei Jahren der Erörterungen im Bundestag hätten es 250.000 Menschen mit ihrer Demonstration gerade mal geschafft, dass sich Schwarz-Rot „einen Zentimeter bewegt“ habe. Damit hob sie auf das Unterlagen-Leserecht für Abgeordnete ab. Doch das sei „das Winzigste, was man in der Sache erreichen kann“.
Sie hielt der Koalition vor, „Ankündigungen mit realer Politik zu verwechseln“. Die habe keine eigenen Anträge gestellt, aber „jeden Antrag von uns versenkt“. Mithin: „In der Sache haben Sie nichts erreicht.“ Sie zählte aus ihrer Sicht ein Bündel von Schwachstellen in den geplanten Handelsabkommen auf – und fragte: „Was tun Sie eigentlich hier im Bundestag, außer Reden zu halten?“
Dirk Wiese (SPD) blickte auf die EU, USA und Kanada und meinte: „Unter Partnern kann man reden – aber bitte sachlich.“ Die Abkommen als „Anschlag auf die Demokratie“ zu bezeichnen, gehöre jedenfalls zu einer „unsachlichen Debatte“. Er strich heraus, dass der Schutz der öffentlichen Daseinsvorsorge gewährleistet werde – und griff damit eine Oppositionskritik auf.
Wiese ging speziell auf Ceta ein und meinte, bisher hätten kleinere und mittlere Unternehmen in Deutschland „keine Möglichkeit, sich dem Wettbewerb in Kanada zu stellen.“ Er hielt der Opposition vor: „Es ist Angst, was Sie erzeugen.“ So sei es in Wahrheit richtig, dass „Briefkastenfirmen in Ceta keine Klagemöglichkeit mehr haben“. Wer sich allen Verhandlungen verweigere, „gestaltet Globalisierung nicht mit, sondern wird gestaltet“.
Grundlage der Debatte waren zwei Vorstöße der Fraktion Die Linke. An die Ausschüsse verwiesen wurde ein Antrag (18/6818) unter dem Titel „fairer Handel statt TTIP und Ceta“. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, das bisher finalisierte Ceta-Verhandlungsergebnis „als nicht annehmbar“ zurückzuweisen und für einen Stopp der TTIP-Verhandlungen zu sorgen.
Die zweite Vorlage (18/5094) wendet sich gegen Schiedsgerichte. Durch TTIP dürfe es zu keiner Paralleljustiz für internationale Konzerne kommen: keine Klageprivilegien für Unternehmen und Investoren. Entsprechend der Empfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie (18/6911) wurde dieser Antrag mit der Koalitionsmehrheit abgelehnt – bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. (fla/04.12.2015)