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Die Sicherheitszusammenarbeit mit der Türkei und Saudi-Arabien und insbesondere die Rüstungsexporte dorthin bleiben im Bundestag höchst umstritten. In einer auf Verlangen der Fraktion Die Linke anberaumten Aktuellen Stunde zur „fortgesetzten Militärkooperation mit Saudi Arabien und der Türkei“ sprachen Vertreter der Opposition am Donnerstag, 14. Januar 2016, von einer „Politik des Wegschauens“ und warfen der Bundesregierung vor, ihren „außenpolitischen Kompass“ über Bord geworfen zu haben. Demgegenüber betonten Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD, dass es angesichts der Krisen im Nahen und Mittleren Osten verantwortungslos wäre, jegliche Gesprächsfäden und Kooperationen zu kappen.
Wolfgang Gehrcke (Die Linke) kritisierte insbesondere das „Regierungsgerede“ von Saudi-Arabien als eines „Stabilitätsankers“ in der Region. Dies sei eine Stabilität der „Friedhofsruhe und der Unterdrückung von Menschen“, wie es sich zuletzt mit der Hinrichtung von 47 Menschen gezeigt habe. Das Land am Golf sei mitverantwortlich für den Aufstieg des „Islamischen Staates“, es sei Kriegspartei in Syrien und führe Krieg im Jemen. „Einem solchen Land kann man keine Waffen anvertrauen“, sagte Gehrcke mit Blick auf deutsche Rüstungsexporte nach Saudi Arabien.
Auch die Türkei sei kein stabilisierender Faktor für die Region: „Erdoğan führt Krieg gegen die Kurden im eigenen Land.“ Es müsse Schluss mit einer Politik sein, die die Türkei aufrüste mit dem Ziel, dass Flüchtlinge nicht nach Europa kommen.
Dorothee Schlegel (SPD) sprach von einem „komplizierten Spannungsverhältnis“ zwischen der EU und der Türkei. Das Land sei jedoch weder auf seinen Staatspräsidenten Erdoğan zu reduzieren, noch könne man auf einen „strukturellen Dialog“ verzichten, der Fehlentwicklung beim Minderheitenschutz, bei der Rechtsstaatlichkeit und bei der Pressefreiheit thematisieren könne.
Das mit Ankara vereinbarte Rücknahmeabkommen zum Juli 2016 und die Wiederaufnahme der EU-Beitrittsverhandlungen lägen im „ureigenen Interesse Europas“, sagte Schlegel. Es gelte, diesen Prozess als Chance zu begreifen.
Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) warnte davor, dass der Nahe und Mittlere Osten vor einer „ungeheurer Zerreißprobe“ stehe. Auch vor diesem Hintergrund müsse die Bundesregierung Gespräche in der Golfregion aufrechterhalten. „Die gesamte Region gehört zu unserem Interessengebiet.“ Es liege etwa nicht in Europas Interesse, dass „Machtfaktoren“ wie der Iran und Russland das Vakuum nutzten, um die Region zu ihren Konditionen zu stabilisieren.
Kiesewetter argumentierte, dass mit dem Ende der Sanktionen im Zuge des Atomabkommens mit dem Iran Gelder für Teheran frei würden und damit eine weitere Eskalation drohe: Es wäre blauäugig zu glauben, dass die iranische Führung diese Mittel nicht auch dazu verwenden würde, weiterhin Syriens Machthaber Assad zu stützen und die gemäßigte syrische Opposition zu entzweien.
Omid Nouripour (Bündnis 90/Die Grünen) zog nicht die realpolitischen Zwänge in Zweifel, weiterhin auch mit Regimen wie Saudi-Arabien das Gespräch zu suchen. „Doch wenn wir lautstark über eigene Werte sprechen, dann müssen wir diese auch selbst ernst nehmen.“
Wenn etwa Abgeordnete der Union nach wie vor ein Regime wie Saudi-Arabien als „Stabilitätsanker“ bezeichnen würden, dann sei dies angesichts der aggressiven Politik der Saudis nach innen wie nach außen „jenseits von Selbstachtung und jenseits von Anstand“. Eine solche Argumentation sei obendrein „realitätsfremd“: Ob Saudi-Arabien, die Türkei, Jordanien oder Ägypten: „Bei so vielen Stabilitätsankern fragt man sich: Wo ist eigentlich das Problem im Nahen Osten?“ (ahe/14.01.2016)