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Eine Initiative des Bundesrates zur besseren Förderung der Seeschifffahrt durch steuerliche Maßnahmen ist von den meisten Sachverständigen begrüßt worden. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses unter Vorsitz von Ingrid Arndt-Brauer (SPD) am Montag, 11. Januar 2016, warnten Ökonomen allerdings vor einer Ausweitung dieses Subventionstatbestandes, dessen Volumen nach Angaben von Dr. Michael Thöne vom Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstitut der Universität Köln von 15 auf 45 Millionen Euro pro Jahr steigen würde. Grundlage der Anhörung war ein Gesetzentwurf des Bundesrates, der die maritime Wirtschaft stärken und Steuererleichterungen einführen will. Wie es in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes zur Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt (18/6679) heißt, bedürfe es zur Sicherung des seemännischen Know-hows für die maritime Wirtschaft in Deutschland verstärkter Anstrengungen. Dazu soll der Lohnsteuereinbehalt von jetzt 40 auf 100 Prozent erhöht werden.
Der Lohnsteuereinbehalt bedeutet, dass Arbeitgeber von Seeleuten auf Schiffen mit deutscher Flagge 40 Prozent der entstandenen Lohnsteuer einbehalten dürfen, wenn die Besatzungsmitglieder in einem mehr als 183 Tage dauernden zusammenhängenden Heuerverhältnis stehen. Dies sei zu wenig, um weitere Ausflaggungen zu verhindern, argumentiert der Bundesrat und stellt fest: "Die Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts auf 100 Prozent ist ein geeignetes Instrument, um Beschäftigung unter deutscher Flagge zu sichern und damit die Grundlagen für das seemännische Know-how zu schaffen."
Der Gesetzgeber müsse handeln, um den Wettbewerbsnachteil der deutschen Flagge im Vergleich zu anderen europäischen Flaggen zu reduzieren und die Beschäftigung unter deutscher Flagge zu fördern, argumentieren die Bundesländer. Die maritime Wirtschaft sei eine Hochtechnologiebranche, die mit rund 480.000 Beschäftigten ein jährliches Umsatzvolumen von mindestens 50 Milliarden Euro erbringe.
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) begrüßte den Gesetzentwurf als "wichtige Maßnahme zur Sicherung der Beschäftigung einheimischer Seeleute unter der Zukunftsfähigkeit der deutschen Flagge". Unzufrieden zeigte sich der Verband aber mit der 183-Tage-Regelung. Damit sei es nicht möglich zu planen, ob der Reeder den Lohnsteuereinbehalt tatsächlich bekommt oder nicht.
Dies bestätigte Holger Jäde (Berufsbildungsstätte Seeschifffahrt). Die Seeleute seien heute nicht mehr so lange auf den Schiffen. Wenn die 183-Tage-Regelung bleibe, bringe der Gesetzentwurf keine Verbesserung. Die Regelung "passt nicht mehr ins moderne System".
Auch Peter Geitmann (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi) begrüßte die bessere Förderung der Seeschifffahrt und sprach sich dafür aus, die 183-Tage-Regelung aufzuheben. Dann würden Einsatzplanungen einfacher und bürokratischer Aufwand würde verringert. Er sprach sich dafür aus, dass der Lohnsteuereinbehalt auf Seeleute aus der Europäischen Gemeinschaft beschränkt werde. Für Seeleute aus Nicht-EU-Staaten solle die Regelung nicht gelten: "Damit werden die erwünschten Kostenvorteile für Seeleute aus der Gemeinschaft gegenüber Drittstaaten-Seeleuten konterkariert."
Thöne warnte vor einer "Rettungsbeihilfe für eine Industrie, die international nicht mehr wettbewerbsfähig ist". Außerdem gebe es keine überprüfbare Definition von seemännischem Know-how und woran man dessen Existenz und Nutzen für die maritime Wirtschaft erkennen und ursachengerecht nachvollziehen könne.
Dr. Jens Boysen-Hogrefe (Institut für Weltwirtschaft in Kiel) erklärte, die vorgeschlagene Regelung möge zwar mit europäischen Richtlinien konform gehen, "doch den Sinn und den Geist des Binnenmarktes verfehlt sie". Dass die deutsche Seeschifffahrt schwierige Zeiten erlebe, sei nicht von der Hand zu weisen. "Doch es ist kaum Aufgabe des Staates, auf die Malaise in einzelnen Branchen zu reagieren", warnte Boysen-Hogrefe.
Claus Brandt (PricewaterhouseCoopers AG) sagte dagegen, der Gesetzgeber möchte ein Zeichen setzen, dass das Know-how erhalten und weiter Seeschifffahrt betrieben werde. (hle/11.01.2016)