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Der Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet nach den Worten seines Chefjustiziars große Sorgfalt darauf, sich nicht in den geheimen Drohnenkrieg der Vereinigten Staaten verwickeln zu lassen. Aus diesem Grund würden Informationen über Geodaten oftmals nur in verfälschter Form an amerikanische Partnerdienste weitergegeben, bestätigte der Zeuge Dr. Werner Ader am Donnerstag, 5. November 2015, vor dem NSA-Untersuchungsausschuss unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU). Der 56-jährige promovierte Jurist ist seit 1989 beim BND tätig. Seit dem 1. Dezember 2013 leitet er das Rechtsreferat.
Für die Praxis, Geodaten vor der Weitergabe an auswärtige Dienste zu manipulieren, gebe es im Geheimdienstjargon den Fachterminus der "Verunschärfung", berichtete der Zeuge. Die Rechtsgrundlage dafür sei Paragraf 9 des BND-Gesetzes, wo es unter anderem heißt, die Übermittlung von Daten habe zu unterbleiben, wenn überwiegend schutzwürdige Interessen von Betroffenen dies erforderten. Das gelte selbstverständlich dann, wenn eine Information unmittelbar für einen tödlichen Angriff nutzbar sei, es sei denn, es sei ein Angriff des Betroffenen auf deutsche Ziele zu befürchten.
Energisch widersprach der Zeuge der Vermutung, der BND schleuse ungefilterte Daten ins Ausland: "Es wird nicht einfach Rohmaterial unbearbeitet weitergeschoben. Man hat sich um Verfahren bemüht, wie dieses Material so gesichtet werden kann, dass die Weitergabe den rechtlichen Voraussetzungen entspricht." Nach einer internen Dienstvorschrift des BND habe dabei in Zweifelsfällen das von Ader geführte Rechtsreferat das letzte Wort. Er könne sich aber nicht erinnern, dass er in seiner demnächst zweijährigen Amtszeit je ersucht worden sei, die Übermittlung einer einzelnen Information zu prüfen.
Dass die Enthüllungen des früheren NSA-Mitarbeiters Edward Snowden über Aktivitäten amerikanischer Dienste in Deutschland beim BND einen Bewusstseinswandel bewirkt hätten, bestätigte auch dieser Zeuge: "Eine Sensibilisierung hat deutlich stattgefunden. Das ist noch zurückhaltend ausgedrückt."
Ader bekräftigte die in seiner Behörde gängige Auffassung, dass der BND beim Betrieb der Abhöranlage im oberbayrischen Bad Aibling durch Beschränkungen durch das deutsche Datenschutzrecht nicht gehindert sei. Von Bad Aibling aus wird die satellitengestützte Kommunikation in Ländern wie Pakistan oder Afghanistan überwacht. Da sich Satelliten im Weltraum außerhalb der Reichweite der deutschen Rechtsordnung bewegten und deutsche Grundrechtsträger obendrein nicht Ziel der Überwachung seien, stehe dem Zugriff auf die Daten nichts im Wege, argumentiert der BND.
Er finde diese "Weltraumtheorie" nach wie vor rechtlich und fachlich überzeugend, betonte Ader. Es handele sich um eine juristische Bewertung, die das Verfahren in Bad Aibling "am sachgerechtesten und realitätsnächsten abbildet". Den Einwand, die Daten würden vielleicht im Weltraum abgegriffen, aber doch auf deutschem Boden erfasst, konterte der Zeuge mit dem Hinweis auf die technische Komplexität und Leistungsfähigkeit der Anlage in Bad Aibling. Dort stünden keine schlichten Fernsehsatellitenschüsseln, "wo das Zeug einfach reinfällt".
Die Geräte in Bad Aibling seien in der Lage, Satelliten in der Bewegung zu verfolgen. Sie seien nahe an der Signalquelle, fokussiert auf das, was im Weltraum passiert, das präge die rechtliche Bewertung. Mit Blick auf die Gesamtheit der juristischen Fachwelt räumte der Zeuge freilich ein, dass der BND "mit dieser Weltraumtheorie eine nicht ganz mehrheitsfähige Rechtsauffassung vertritt".
Die amerikanische National Security Agency (NSA) hat in der gemeinsam mit dem BND betriebenen Abhöranlage in Bad Aibling systematisch gegen die bilaterale Vereinbarung verstoßen, die dieser Zusammenarbeit zugrunde lag. Dies stellte der ehemalige Bundesverwaltungsrichter Dr. Kurt Graulich ebenfalls am 5. November vor dem Ausschuss fest.
Graulich war vor der Sommerpause zur "unabhängigen Vertrauensperson" für Bundesregierung und Parlament berufen worden, um die geheime Selektorenliste des BND einzusehen. Er hatte in der vergangenen Woche seinen Bericht in drei Versionen vorgelegt, einer öffentlich zugänglichen, einer halböffentlichen für die Mitglieder des Ausschusses und einer nichtöffentlichen für das Kanzleramt.
In Bad Aibling überwachten BND und NSA seit 2002 gemeinsam den satellitengestützten Datenverkehr in Ländern des Nahen und Mittleren Ostens. In einem "Memorandum of Agreement" (MoA), das die Bedingungen der Kooperation regelte, hieß es, dass beide Seiten dabei die nationalen Interessen und die Rechtsordnung der jeweils anderes zu respektieren hatten. Um zu verhindern, dass in die Abhöranlage Suchbegriffe eingespeist wurden, die dieser Festlegung zuwiderliefen, war in der Vereinbarung ein Filtermechanismus vorgesehen. Im Laufe der Jahre kam so beim BND eine Liste von Selektoren zustande, die von der NSA eingesteuert, von der deutschen Seite aber als politisch bedenklich aussortiert worden waren.
Die Liste, die die Bundesregierung dem Ausschuss vorenthält, umfasste nach Feststellung Graulichs Mitte Mai dieses Jahres exakt 39.082 Selektoren, von denen sich 2.918 auf Telefonnummern und 36.164 auf Internet-Adressen bezogen. Sie betrafen zu mehr als zwei Dritteln, genau 68,7 Prozent, Regierungsstellen in Staaten der Europäischen Union.
Hier sieht Graulich den Hauptverstoß gegen die Kooperationsvereinbarung, die ausdrücklich besagte, dass europäische Ziele allenfalls eingeschränkt und anlassbezogen, keineswegs aber pauschal und flächendeckend erfasst werden durften. Wenn der BND einen Selektor als bedenklich erkannt und aussortiert hatte, verständigte er darüber die amerikanische Seite. Diese legte in keinem Fall Einspruch ein. Sie habe jedoch gelegentlich versucht, denselben Selektor ein weiteres Mal einzuspeisen, berichtete Graulich.
Mängel habe es auch auf Seiten des BND gegeben. So sei nicht eindeutig definiert gewesen, was unter den zu wahrenden "deutschen Interessen" zu verstehen sei. Auch seien die deutschen BND-Mitarbeiter in Bad Aibling über den Inhalt der Kooperationsvereinbarung mit der NSA nicht vollständig informiert gewesen. Ihnen sei lediglich eingeschärft worden, deutsche Bürger, die durch das grundgesetzlich verbürgte Fernmeldegeheimnis geschützt waren, aus dem Überwachungsprogramm herauszuhalten.
Diese "G10-Filterung" habe auch immer funktioniert, jedenfalls dann, wenn Daten auf den ersten Blick deutschen Adressaten zuzuordnen waren. Nach den Enthüllungen des frühen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden im Sommer 2013 sei der BND achtsamer geworden und habe in der Zusammenarbeit mit der NSA "das Steuer herumgerissen".
Graulich wies Vorwürfe zurück, er habe sich in seinen Ermittlungen vom BND beeinflussen lassen und in seinen Bericht wortgleich Passagen aus BND-Dokumenten übernommen. Er habe lediglich Rechtsauffassungen des BND zitiert, ohne sie sich zu eigen gemacht. Zwar habe er notgedrungen in Räumen des BND und mit Unterstützung von BND-Bediensteten gearbeitet. Das habe auf ihn aber keine Wirkung gehabt: "Mich beeindrucken weder eine schlechte Presse noch der BND noch Fragen des Parlaments." (wid/06.11.2015)
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