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Der Tierschutzbericht 2015 der Bundesregierung (18/6750) trifft im Bundestag auf ein geteiltes Echo. Während der Debatte am Donnerstag, 3. Dezember 2015, lobten Redner von Unions- und SPD-Fraktion den Bericht als Beleg für erzielte Fortschritte im Tierschutz. Von „Verbesserungen, die sich sehen lassen können“, sprach Dieter Stier (CDU/CSU). Ute Vogt (SPD) gelangte zu der Einschätzung, dass in dieser Legislaturperiode deutlich mehr für den Tierschutz getan worden sei als in der vergangenen.
Die Oppositionsfraktionen sahen das anders. Der Bericht zeige auf mehr als hundert Seiten, „dass die große Koalition so gut wie nichts im Tierschutz erreicht hat“, sagte Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen). Der Tierschutzbericht sei voll von Absichtserklärungen, befand Dr. Kirsten Tackmann (Die Linke). „Gebraucht wird aber eine Erfolgsgeschichte“, fügte sie hinzu.
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) sprach hingegen von erheblichen Fortschritten beim Tierschutz „auch wenn noch manches zu tun bleibt“. Leitlinie dabei sei das Staatsziel Tierschutz, welches in Artikel 20a des Grundgesetzes verankert sei. „Dem Tierschutz“, so Schmidt, „kommt bei jeder Abwägung Gewicht zu.“ Der Minister sprach sich mit Blick auf die Situation in Tierheimen für eine bessere Kommunikation mit den Kommunen aus. Tierschutzverbände und viele Ehrenamtliche würden dort herausragendes leisten.
Gleichwohl müssten die Kommunen seiner Ansicht nach hier mehr Verantwortung übernehmen. „Wir sind darüber zum Dialog bereit“, betonte Schmidt. Der Minister machte zugleich deutlich, dass er keine Novellierung des Tierschutzgesetzes anstrebt. „Der Vollzug bestehender Gesetze geht vor deren Änderung“, sagte er. Als wirkungsvoll bezeichnete er das von ihm verfolgte Prinzip der verbindlichen Freiwilligkeit. Regulierungen seien nur dort sinnvoll, wo freiwillige Verpflichtungen nicht erfolgsversprechend seien.
Nachdem der Tierschutz im Parlament lange Jahre durch die gemeinsame Suche nach Lösungen gekennzeichnet gewesen sei, blockiere nun die Union immer öfter Lösungen, sagte Kirsten Tackmann. So sei 2013 in letzter Minute noch ein Verbot des Schenkelbrandes bei Pferden verhindert worden. „Damit darf Pferden ein Lobbyistensymbol auf die Haut gebrannt werden. Das ist frühstes Mittelalter und gehört endlich beendet“, forderte die Linken-Abgeordnete.
Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt, so Tackmann weiter, falle vor allem durch sprachliche Kreativität auf. Das von ihm erfundene Prinzip der verbindlichen Freiwilligkeit bedeute aber lediglich übersetzt: „Verbindliches Nicht-Regieren“. Nicht zuletzt angesichts der Festschreibung des Tierschutzes im Grundgesetz müsse der Minister aber handeln. Geschredderte männliche Küken, kopierte Schnäbel bei Geflügel, gekürzte Schwänze bei Ferkeln oder Tiertransporte über hunderte Kilometer seien Folge des Billig-Prinzips in der EU-Agrarpolitik, das völlig falsch sei. Profiteure davon seien die Führungsetagen der Handelskonzerne, Schlachthöfe und Molkereien. Tierschutz sei eine Machtfrage, sagte Tackmann und fordert Schmidt auf: „Halten Sie endlich mal dagegen anstatt sich mit Almosen abspeisen zu lassen.“
Die ersten beiden Jahre der Legislaturperiode seien genutzt worden, um Visionen zu erarbeiten, um Workshops durchzuführen, um Gutachten in Auftrag zu geben und um freiwillige Verbindlichkeiten zu vereinbaren, sagte Ute Vogt (SPD). Das sei alles richtig und wichtig, aber: „Aktiver Tierschutz braucht auch Tatkraft, braucht konkrete Entscheidungen, die auch dem einen oder anderen mal wehtuen können“.
Darum müsse es nun in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode gehen, fordert die SPD-Abgeordnete und machte deutlich: „Das wird nicht ohne die Anpassung des Tierschutzgesetzes gehen.“ Nur so könne man sich weiter an den Bedürfnissen der Tiere orientieren.
Weder seien Gesetze oder Verordnungen im Berichtszeitraum des Tierschutzberichtes auf Initiative der Bundesregierung erlassen worden, noch gebe es einen Zeitplan dafür, kritisierte Nicole Maisch (Bündnis 90/Die Grünen). Auf eine Kleine Anfrage ihrer Fraktion, wann es eine Nutztierverordnung für Milchkühe, Puten und Wassergeflügel geben werde, sei keine Antwort gekommen. „Diese Koalition zeigt sehr deutlich, dass sie nicht viel für den Schutz der Tiere tun will“, urteilte die Grünenabgeordnete.
Lobenswert sei, dass etwas getan werden soll gegen die Schlachtung trächtiger Kühe und für den Schutz der Pelztiere. Allerdings wolle das die Regierung über ein Gesetz tun, das eigentlich dafür gedacht ist, Robbenprodukte und chinesisches Hundefell vom deutschen Markt fernzuhalten, statt über das Tierschutzgesetz. Das geschehe, weil die Bundesregierung Angst davor habe, dass bei einer Novellierung des Tierschutzgesetzes auch andere Dinge wie etwa Tierversuche diskutiert würden, sagte Maisch.
Dieter Stier (CDU/CSU) verteidigte das Konzept der verbindlichen Freiwilligkeit. Nur wenn man miteinander statt gegeneinander arbeitet, könne man bleibende Erfolge erzielen, sagte der Unionsabgeordnete. Als Beleg führte er die Vereinbarung mit der deutschen Geflügelwirtschaft zum Beenden des Schnabelkürzens vor. „Das zeigt, dass der eingeschlagene Weg richtig ist“, sagte er.
Was den Tierschutzbericht angeht, so zeigt aus Sicht Stiers allein schon der Umfang von 128 Seiten im Vergleich zum 52-seitigen Bericht im Jahr 2011 die hohe Wertschätzung des Themas. Der Bericht sei ein Erfolgsbericht „sowohl der schwarz-gelben als auch der großen Koalition“.
Im Anschluss an die Debatte lehnte der Bundestag einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/2616) mit dem Ziel der Verbesserung des Tierwohls unter anderen durch Begrenzung von Tiertransporten und die Eindämmung von Tierversuchen auf Empfehlung des Agrarausschusses (18/3107) ab. (hau/03.11.2015)