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Berlin: (hib/JOH) Die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH), Professor Juliane Kokott, hält einen Beitritt der Europäischen Union zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) "bis auf Weiteres" für ausgeschlossen. Zwar habe die EU durch den Vertrag von Lissabon die Ermächtigungsgrundlage für einen solchen Beitritt geschaffen, sagte Kokott am Mittwochnachmittag im Europaausschuss. Doch habe der EuGH im Dezember vergangenen Jahres schwere Bedenken gegenüber dem Entwurf des Beitrittsübereinkommens geäußert und erklärt, dass er einen Beitritt in der von der EU geplanten Form für unvereinbar mit den unionsrechtlichen Vorschriften halte. Ein wichtiger Kritikpunkt sei, dass sich der EuGH in Falle eines Beitritts zur EMRK den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte unterwerfen müsse. Auch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union würde der Menschenrechtsaufsicht des Gerichthofes unterstellt. Dies liefe nach Ansicht der Richter wesentlichen Strukturprinzipien der EU zuwider.
Kokott betonte indes, sie halte einen Beitritt für möglich, wenn einige technische Details im Entwurf geändert würden. Ein Beitritt zur EMRK sei "gut und geboten", die Entscheidung des EuGH "symbolisch schlecht". Dennoch hält die Generalanwältin die Auswirkungen auf den Einzelnen in der Praxis für begrenzt, da die Grundrechte-Charta der Europäischen Union sich bereits an der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Europäischen Sozialcharta orientiere.
Kokott äußerte sich im Ausschuss auch zum EuGH-Urteil im Fall Alimanovic vom 15. September 2015. Danach können die EU-Staaten Unionsbürger auch dann von beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausschließen, wenn sie arbeitssuchend sind und aufgrund der Arbeitssuche ein Aufenthaltsrecht haben. Nach einem Zeitraum von sechs Monaten nach der letzten Beschäftigung können dem Antragsteller jegliche Sozialleistungen durch die Mitgliedstaaten verweigert werden. Kokott betonte, damit habe der EuGH die bisher "sehr unionsbürgerfreundliche Rechtsprechung" präzisiert und eingeschränkt. Die Lösung sei wegen der nicht beschlossenen Einzelfallprüfung praxistauglich und zeige Verständnis für die Mitgliedstaaten, die Sozialtourismus verhindern wollten.
Als dritten Punkt ging Kokott auf Fragen zum Transatlantischen Handelsabkommen (TTIP) ein. Zum weit verbreiteten Misstrauen gegenüber dem Investorenschutz und den damit verbundenen Schiedsgerichten zur Schlichtung von Konflikten zwischen Investoren und Staaten, sagte die Anwältin, die Kritik beziehe die Reformen der vergangenen Jahre oft nur ungenügend ein. So könnten Schiedsgerichtsverfahren heute unter Umständen sogar transparenter sein als Verfahren am EuGH oder an deutschen Gerichten. Zum Vorschlag von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, ein internationales Investitionsgericht mit fest ernannten, qualifizierten Richtern und Berufungsmöglichkeiten zu schaffen, äußerte sich Kokott indes skeptisch. Die Frage sei, ob eine solche Institution unionsrechtlich überhaupt zulässig wäre und die nötige Akzeptanz erhalten würde. So berge ein Investitionsgericht das große Potenzial eines Konfliktes mit dem Europäischen Gerichtshof.
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