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Berlin: (hib/KOS) Unterschiedliche Einschätzungen der Frage, ob das europäische Recht und das Völkerrecht Ansatzpunkte für ein Vorgehen gegen die massenhafte Überwachung der Bürger durch ausländische Geheimdienste bieten, offenbarte am Donnerstag der Auftakt einer Sachverständigenanhörung im Untersuchungsausschuss, der den Spähskandal um den US-Nachrichtendienst NSA und den britischen Geheimdienst durchleuchten soll. Der Londoner Völkerrechtsprofessor Douwe Korff sah Chancen in einer Staatenklage gegen Großbritannien vor dem Straßburger Menschenrechtsgerichtshof, einer Einrichtung des Europarats, und in einer Einschaltung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg, einer EU-Instanz. Skeptischer stuften der Bonner Völkerrechtsprofessor Stefan Talmon und Helmut Philipp Aust, Rechtswissenschaftler an der Berliner Humboldt-Uni, die Möglichkeiten ein, über internationales Recht dem Schutz der Bürgerrechte bei der Spionage Geltung zu verschaffen. Nach dem Hearing will der Ausschuss am Abend über den Antrag der Koalition entscheiden, bei einer Reise des Vorsitzenden Patrick Sensburg und der Fraktionsobleute nach Moskau Kontakt mit dem Whistleblower Edward Snowden aufzunehmen.
Aus Sicht Korffs stellt die global angelegte Überwachung durch die NSA und die Briten einen „massiven Verstoß gegen fundamentale Prinzipien der Menschenrechte“ dar. Anders als das Anzapfen internationaler Datenkabel, die über britisches oder US-Gebiet laufen, bedeute die in großem Stil angelegte Ausspähung der Telekommunikation in der Bundesrepublik einen unrechtmäßigen Eingriff in das deutsche Hoheitsgebiet und einen „klaren Verstoß gegen das Völkerrecht“. Ein Staat sei jedoch verpflichtet, so Korff, auch außerhalb seines eigenen Territoriums die Grundrechte zu achten. Der Sachverständige räumte ein, dass der im europäischen und internationalen Recht garantierte Schutz der Bürgerrechte eingeschränkt werde, wenn es um Belange der nationalen Sicherheit gehe. Wirtschaftsspionage oder das Abhören des Handys der deutschen Kanzlerin fielen jedoch nicht unter die nationale Sicherheit.
Talmon und Aust wiesen darauf hin, dass das Völkerrecht Spionage nicht verbiete. Gegen eine Überwachung, die vom Ausland aus erfolge, gebe es keine rechtliche Handhabe, erläuterte Talmon. Ein Verstoß gegen internationale Regeln liege nur dann vor, wenn Botschaften oder Militärstandorte im ausgespähten Land für Spionage genutzt würden. Zwar habe der Staat die Belange der Bürger zu schützen, doch existiere bei der Abwägung von Grundrechten und Sicherheitserfordernissen ein Ermessensspielraum, sagte der Bonner Professor. Der Generalbundesanwalt sei jedenfalls wegen der NSA-Überwachung nicht zur Einleitung von Ermittlungen verpflichtet. Möglichkeiten zu einem gerichtlichen Vorgehen gegen Ausspähung ortete Talmon in einer Klage vor dem Menschenrechtsgerichtshof gegen Großbritannien, wobei er einem Gang nach Straßburg freilich keine große Chancen gab.
Nach den Worten von Aust hat der Menschenrechtsgerichtshof in seinen Urteilen der Spionage „zwar Fesseln angelegt, die im konkreten Fall jedoch recht lose sind“. Im Prinzip biete die Proklamierung der Grundrechte durch die EU zwar einen Ansatz zum Schutz vor Überwachung durch ausländische Geheimdienste, doch helfe dies letztlich nicht viel, da Sicherheit eine nationale Angelegenheit sei. Aus Sicht des Berliner Wissenschaftlers lässt sich auf EU-Ebene im Rahmen der Datenschutzverordnung eine Weitergabe von Daten ins Ausland begrenzen. Auch könne Brüssel in Verträgen mit den USA, etwa beim Swift-Abkommen zur Überlassung von Finanzdaten, den Datenschutz strenger regeln. Aust wies darauf hin, dass Deutschland bei einem Verfahren vor dem Menschenrechtsgerichtshof die Auffassung vertreten habe, eine Überwachung via Satellit greife nicht in die Souveränität eines Staates ein. Wolle man in der NSA-Affäre glaubwürdig sein, so der Sachverständige, „sollte man diese Position überdenken“.
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