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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 7. Juli 2014)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Berlin. Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann (CDU), fordert eine deutliche Aufwertung der Pflegeberufe in Deutschland. Der Wochenzeitung "Das Parlament" (Montagausgabe) sagte der CDU-Politiker, nötig seien attraktive Arbeitsbedingungen sowie eine faire Bezahlung. Er fügte hinzu: „Eine gute Pflegekraft muss mindestens so viel verdienen wie ein guter Handwerker.“
Laumann betonte, die Pflege sei „eine der zentralen sozialpolitischen Baustellen in Deutschland“, jedoch in den vergangenen Jahren im Gesundheitssystem „zu kurz gekommen“. Die Pflegeberufe müssten „endlich auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Gesundheitsberufen sein“.
Für die von der Bundesregierung geplante Anhebung der Beitragssätze in der gesetzlichen Pflegeversicherung um 0,5 Prozentpunkte in dieser Wahlperiode sieht Laumann eine breite gesellschaftliche Rückendeckung. Es sei das erste Mal in seinem politischen Leben, dass ein Sozialversicherungsbeitrag kräftig erhöht werde und es „fast keinen Widerspruch gibt, auch im Arbeitgeberlager nicht“. Das mache deutlich, „dass die Deutschen wollen, dass für die Pflege in Deutschland mehr getan wird“.
Weitere mögliche Beitragssteigerungen darüber hinaus sieht Laumann erst einmal nicht.
„Wir können mit dieser Beitragserhöhung erst einmal für einen mittelfristigen Zeitraum die Pflegeversicherung so aufstellen, dass die Leistungen für die Betroffenen eine erhebliche Hilfe sind.“ Bei der paritätischen Finanzierung von Arbeitnehmern und
Arbeitgebern soll es auf jeden Fall bleiben, versicherte der CDU-Sozialexperte und betonte: „Es ist richtig, die Pflegeversicherung auch in Zukunft paritätisch
zu finanzieren. Das hat auch etwas mit dem sozialen Zusammenhalt und der
Solidarität innerhalb einer Gesellschaft zu tun.“
Das Interview im Wortlaut:
Herr Laumann, für eine bessere Pflege werden die Beiträge in dieser Legislatur um 0,5 Prozentpunkte angehoben und Milliarden freigemacht. Trotzdem sagen Experten, das Geld könnte nicht reichen. Inwieweit ist die Sorge berechtigt?
Es ist auf jeden Fall ein richtiger und ein gewaltiger Schritt. Wir können damit Leistungsverbesserungen von rund 20 Prozent finanzieren. Es ist das erste Mal in meinem politischen Leben, dass wir einen Sozialversicherungsbeitrag kräftig erhöhen und es fast keinen Widerspruch gibt, auch im Arbeitgeberlager nicht. Das macht deutlich, dass die Deutschen wollen, dass für die Pflege in Deutschland mehr getan wird. Fast jeder Bürger hat in seiner Familie oder Umgebung mit diesem Thema zu tun. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut. Häusliche Pflege ist in Wahrheit der größte Pflegedienst Deutschlands.
Wie sehen Sie die künftige Beitragsentwicklung?
Wir können mit dieser Beitragserhöhung erst einmal für einen mittelfristigen Zeitraum die Pflegeversicherung so aufstellen, dass die Leistungen für die Betroffenen eine erhebliche Hilfe sind.
Mittelfristig heißt was?
Mittelfristig heißt aus meiner Sicht: mehr als eine Wahlperiode.
Bleibt es bei der paritätischen Finanzierung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern?
Ja. Es ist richtig, die Pflegeversicherung auch in Zukunft paritätisch zu finanzieren. Das hat auch etwas mit dem sozialen Zusammenhalt und der Solidarität innerhalb einer Gesellschaft zu tun.
Teil des Gesetzes ist ein Pflegevorsorgefonds für die geburtenstarken Jahrgänge. Die Opposition bemängelt, das Geld, das ab 2015 über 20 Jahre angespart werden soll, werde jetzt benötigt. Wie sinnvoll ist es, mit dem Fonds viel Geld auf Jahre zu parken?
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Politiker und die Bürger, die ab 2035 die Verantwortung für die Pflege haben, froh sein werden über jeden Euro, den wir heute zurücklegen. Die sogenannte Babyboomer-Generation wird von den Kindern ersetzt, die jetzt in den Schulen sind. Diese Generation ist in etwa halb so groß. Jeder, der will, dass die Babyboomer-Generation auch gut gepflegt wird, sollte froh sein, wenn wir dafür auch finanziell Vorkehrungen treffen.
Die gesetzliche Pflegeversicherung ist eine sogenannte „Teilleistungs-Versicherung“. Damit bleiben die Angehörigen immer Teil des Systems. Wie schätzen Sie deren künftige Rolle ein?
In jeder Gesellschaft wird die hochbetagte Generation von den Jüngeren versorgt. Ich finde, es ist auch eine Frage der Ethik, dass man sich um die Eltern kümmert, wenn diese Hilfe benötigen. Umlagefinanzierte Systeme oder Versicherungen können nicht alle Probleme alleine lösen. Die Pflegeversicherung soll bei der Bewältigung der Herausforderungen helfen und verlässliche Strukturen schaffen. Aber sie kann nicht die sozialen Bindungen, Familie, Freunde oder Nachbarschaften ersetzen.
Viele Menschen beklagen den bürokratischen Aufwand, der mit dem Antrag auf eine Pflegeleistung verbunden ist. Welche Pläne gibt es, das einfacher zu regeln?
Ein Teil der Reform ist zum Beispiel, dass Betroffene künftig Leistungen wie Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege flexibler in Anspruch nehmen und damit besser miteinander kombinieren können – ganz nach den eigenen Bedürfnissen. Die Reform wird einen Beitrag dazu leisten, das Kästchendenken in der Pflegeversicherung zu überwinden. Die Familien wissen selbst am besten, wie die zur Verfügung stehenden Gelder am sinnvollsten eingesetzt werden können. Darum werden wir den Leistungsbezug mit dieser Reform vereinfachen.
Umstritten ist die private Pflegezusatzversicherung, die seit Anfang 2013 angeboten wird. Wie passt der „Pflege-Bahr“ in das Konzept?
Wir halten daran fest. Private Vorsorge ist in der Situation grundsätzlich richtig. Deswegen wird sie weiter gefördert. Aber wir kümmern uns bei der jetzt anstehenden Reform nur um die gesetzliche Pflegeversicherung.
Mit dem zweiten Reformgesetz, das dem ersten folgen soll, wird ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt. Klingt abstrakt, was heißt das konkret?
Das bedeutet vor allem einen Riesenfortschritt für Demenzkranke. Als die Pflegeversicherung vor 20 Jahren geschaffen wurde, hat die Frage von Demenz kaum eine Rolle gespielt. Heute nimmt die eingeschränkte Alltagskompetenz eine immer größere Rolle ein. Demenz ist inzwischen ein zentrales Thema. Im Grunde geht es beim neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff daher darum, den Grad der Selbstständigkeit zu messen und nicht mehr nur die körperlichen Einschränkungen. Bis 2017 soll das umgesetzt sein.
Es sollen tausende neue Kräfte für die stationäre Pflege gewonnen werden. Das ist ein harter, nicht besonders gut bezahlter Job. Wie wollen Sie genügend Leute dafür begeistern?
Wir müssen vor allem die Ausbildung der Pflegeberufe modernisieren. Das geht nur mit den Bundesländern. Und tatsächlich sehe ich hier eine gute Chance, dass wir uns gemeinsam auf eine Reform hin zu einer generalistischen Pflegeausbildung einigen. Dabei muss auch klar die Finanzierung geregelt werden. Wir haben in einigen Bundesländern noch Schulgeld in der Altenpflege. Das muss abgeschafft werden. Und natürlich brauchen wir attraktive Arbeitsbedingungen sowie eine faire Bezahlung. Eine gute Pflegekraft muss mindestens so viel verdienen wie ein guter Handwerker.
Inwieweit spielen ausländische Pfleger in dem Konzept eine Rolle?
Jede ausländische Fachkraft, die hier ordentlich bezahlt, angemeldet und untergebracht ist, ist eine Bereicherung. Damit allein wird sich das Problem des Fachkräftemangels allerdings nicht lösen lassen. Vor allem müssen wird den Pflegeberuf so attraktiv machen, dass ihn auch hierzulande möglichst viele Menschen erlernen und ausüben wollen. Und klar ist auch: Die ausländischen Fachkräfte müssen Deutsch sprechen. Denn wer mich pflegt, muss mich verstehen und mit mir sprechen können.
Das Thema Demenz beunruhigt viele Menschen, weil die Zahl der Betroffenen stark steigt. Wie schätzen Sie das Problem insgesamt ein?
Ich glaube, dass sich unsere Gesellschaft noch mehr als bisher an demenzerkrankte Menschen als ganz normalen Teil unseres Alltags gewöhnen muss. Es gibt meines Erachtens immer noch zu viele Menschen, die mit dem Thema nicht normal umgehen können. Ich wünschte mir, dass sich die Menschen nicht verstecken und Hemmungen abbauen.
Das Thema Pflege ist mit dem Staatssekretärsposten, den Sie bekleiden, deutlich aufgewertet worden. Warum übernehmen Sie diese Verantwortung?
Zunächst bin ich Sozialpolitiker durch und durch. Darüber hinaus ist die Pflege derzeit eine der zentralen sozialpolitischen Baustellen in Deutschland. Dennoch ist sie in unserem Gesundheitssystem in den letzten Jahren zu kurz gekommen. Ich setze mich dafür ein, dass sich das ändert. Die Pflegeberufe etwa müssen endlich auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Gesundheitsberufen sein. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass die Pflege in dieser Wahlperiode einen deutlich stärkeren Stellenwert haben muss. Die Pflege hat jetzt mal Vorrang.
Haben Sie Angst vor dem Altwerden?
Nein, überhaupt nicht. Denn die Alternative wäre, früh zu sterben. Und die ist eindeutig schlechter.
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