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Vertreter von Koalition und Opposition dringen auf weitere Anstrengungen im Kampf gegen den Rechtsextremismus in Deutschland. Bei der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Schaffung einer Verbunddatei von Polizei und Nachrichtendiensten (17/8672) werteten Redner beider Seiten am Donnerstag, 1. März 2012, im Bundestag dieses Vorhaben als einen „Baustein“ bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus. Kritik an der geplanten Datei kam dagegen von der Fraktion Die Linke.
Mit der Vorlage sollen die gesetzlichen Grundlagen für die Errichtung einer gemeinsamen Datei und deren Nutzung durch die Polizeien und Nachrichtendienste geschaffen werden. Ziel ist es, „angesichts der Bedrohung durch den gewaltbezogenen Rechtsextremismus den Informationsaustausch zwischen Polizeien und Nachrichtendiensten weiter zu verbessern“.
Mit der „gemeinsamen standardisierten zentralen Datei“ werde der Informationsaustausch zwischen dem Bundeskriminalamt (BKA), den Landeskriminalämtern, den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) im Bereich der Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus intensiviert und beschleunigt, schreibt die Regierung in dem Entwurf.
Einzelne Erkenntnisse, über die eine Behörde bereits verfügt und die bei einer entsprechenden Verknüpfung mit den Erkenntnissen anderer beteiligter Behörden zur Bekämpfung des gewaltbezogenen Rechtsextremismus beitragen können, würden durch die Datei leichter zugänglich.
Die beteiligten Behörden sollen zu diesem Zweck verpflichtet werden, in der Datei Daten zu relevanten Personen und Objekten zu speichern.
undesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) verwies in der Debatte darauf, dass die Neonazi-Mordserie erst vor wenigen Monaten aufgedeckt worden sei, nachdem sie über zehn Jahre hinweg unentdeckt geblieben sei. Man könne heute die Morde nicht ungeschehen machen, aber aufklären und dafür zu sorgen, „dass Ähnliches in der Zukunft nicht wieder passiert“.
Wichtig sei, rechtsextremistische Strukturen rechtzeitig zu erkennen und diejenigen identifizieren zu können, „die Angst und Schrecken verbreiten“.
Wichtigste Voraussetzung dafür sei, dass man den Informationsaustausch zwischen den Behörden verbessere. Nachdem seit Dezember vergangenen Jahres im Gemeinsamen Abwehrzentrum gegen den Rechtsextremismus die Nachrichtendienste sowie die Polizeien der Länder und des Bundes zusammenarbeiteten, solle nun die Verbunddatei die Zusammenarbeit noch effektiver machen.
In der Datei werde man alle Daten über gewaltbezogenen Rechtsextremismus speichern. Dazu zählten alle Bestrebungen, die darauf gerichtet seien, die Demokratie und die Menschenwürde anzugreifen, und die vor Gewalt nicht zurückscheuen, sagte Friedrich.
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Hartmann, sagte, mit der neuen Datei gestehe man auch ein, dass vorhandene Informationen „nicht in einer geeigneten Weise immer und regelmäßig zusammengeführt“ worden seien. Hartmann mahnte zugleich, über die unmittelbare Aufarbeitung der Mordserie hinaus müsse man sich fragen, ob sich nicht viele in Deutschland zu sehr daran gewöhnt haben, „dass überall in unserer Republik praktisch an jedem Wochenende Skinheads in Springerstiefeln marschieren“, dass Jugendzentren bedroht werden oder „dass bei nahezu jedem größeren Fußballspiel irgendwo der Hitlergruß gezeigt wird oder nazistische Parolen gegrölt werden“.
Auch müssten alle Anstrengungen unternommen werden, um die NPD zu verbieten. Dabei könne die Verbunddatei helfen, genau zu belegen, dass die NPD „gegen die Menschenwürde“ agiere.
Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff sagte, mit der Verbunddatei gewinne der Rechtsstaat „neue Schlagkraft“ bei der Abwehr rechtsextremistischer Bestrebungen. Zwar habe der Untersuchungsausschuss des Bundestages zu der Mordserie erst begonnen, doch zeichne sich bereits ab, dass die Arbeit der Sicherheitsbehörden zwischen den Ländern sowie zwischen Ländern und Bund besser verzahnt werden müsse.
Eine Neuorganisation der Sicherheitsbehörden und „komplette Neuausrichtung der gesamten Sicherheitsarchitektur“ seien überfällig. Dies reiche von der Abschaffung des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) bis zur Zahl der Landesämter für Verfassungsschutz. Die neue Verbunddatei sei hilfreich, mache aber „notwendige Strukturreformen der Sicherheitsbehörden nicht obsolet“. Mit Blick auf die NPD sagte Wolff, diese sei eine verfassungsfeindliche Partei, doch seien die Hürden für ein Parteiverbot sehr hoch. Hier sei „vorsichtiges Handeln gefragt“.
Für die Linksfraktion kritisierte ihre Abgeordnete Ulla Jelpke, mit dem Gesetz sollten ausgerechnet die Sicherheitsdienste gestärkt werden, die „schmählich versagt“ hätten. Mit diesem Gesetz solle man einer Ausweitung der Kompetenzen der Sicherheitsbehörden zustimmen, ohne dass deren „zweifelhafte Rolle gegenüber den Nazi-Terroristen des NSU aufgeklärt“ worden sei.
Jelpke warnte vor einer „Ausweitung der bisher auf den sogenannten islamistischen Terror beschränkten Dateien zuerst auf den Rechtsextremismus, um dann weiter zu einer umfassenden Verdächtigen- und Gesinnungsdatei zu kommen, in der Polizei und Geheimdienste nach Belieben schnüffeln können“. Dies gehe in einem Rechtsstaat nicht. „Diesen Tendenzen einer undemokratischen Zentralisierung“ und „Verschmelzung von Polizei und Geheimdiensten“ werde mit solchen Verbunddateien Vorschub geleistet. Jelpke forderte zugleich ebenfalls ein Verbot der NPD. Um den Weg dazu frei zu machen, müssten die V-Leute abgezogen werden.
Dagegen wandte sich der Grünen-Parlamentarier Wolfgang Wieland gegen ein „Modell“, bei dem erst der Untersuchungsausschuss untersuchen solle und dann nach anderthalb Jahren ergebnislos nach Änderungsbedarf geschaut werde. Er sei „guter Dinge“, dass die Morde aufgeklärt und die Täter bestraft werden. Das BKA, das „gut und energisch“ arbeite, sei für ihn nicht wie für Jelpke „irgendein Repressionsorgan, das da durch die Lande schnüffelt“, betonte Wieland und fügte hinzu: „Wer soll denn sonst Straftäter festnehmen? Wer soll sie denn sonst vor Gericht bringen?“
Mit Blick auf die geplante Verbunddatei sagte Wieland, im Gesetzgebungsverfahren müsse die Frage diskutiert werden, wie man „die wirklichen Gefährder“ in diesen „gemeinsamen Aktenschrank“ für Polizei und Nachrichtendienste bekomme.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU/CSU), nannte es an Jelpke gewandt „plemplem (...), hier ständig den Eindruck zu erwecken, als sei diese Bundesrepublik Deutschland ein Schnüffel- und Überwachungsstaat“. Die geplante Verbunddatei sei ein wichtiges Mittel beim Kampf gegen den gewaltbereiten Rechtsextremismus, aber auch Ausdruck dafür, dass es in Deutschland insgesamt 36 Behörden mit Sicherheitsaufgaben gebe. Entscheidend sei aber nicht, dass man möglichst viele Behörden habe, sondern wie sie zusammenarbeiten. Es sei „unbedingt notwendig“, dass Sicherheitsbehörden enger zusammenarbeiten und sich abstimmen.
Zur Frage eines NPD-Verbotes sagte Bosbach, dies setze gute juristische Argumente voraus. Sollte ein erneutes NPD-Verbotsverfahren beschlossen werden, dürfe es „unter keinen Umständen scheitern“. Einen solchen Propagandaerfolg dürfe man der NPD nicht gönnen. (sto)