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Mit der Novemberrevolution 1918 wurde in Deutschland die konstitutionelle Monarchie durch die parlamentarische Demokratie abgelöst. Während ihrer gesamten Existenz war die Weimarer Republik, benannt nach dem Ort der Verabschiedung ihrer Verfassung, fortwährenden inneren und äußeren Belastungen ausgesetzt: Von Beginn an mussten sich die Befürworter der Republik im und außerhalb des Parlaments dem Druck radikaler Kräfte von Links und Rechts erwehren.
Der auf vier Jahre zu wählende Reichstag war das zentrale Verfassungsorgan der gesetzgebenden Gewalt in der Weimarer Republik. Ihm oblagen vor allem die Gesetzgebung einschließlich der Haushaltsbewilligung sowie die Kontrolle der Reichsregierung. Er organisierte seine Arbeit durch ein System von ständigen Ausschüssen. Der Reichskanzler wurde vom Reichspräsidenten ernannt und nicht durch das Parlament gewählt. Er war in seiner Amtsführung vom Vertrauen des Reichstages abhängig. Der direkt vom Volk zu wählende Reichspräsident war durch die Weimarer Verfassung als Gegengewicht zum Reichstag mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Er besaß als Staatsoberhaupt unter anderem das Recht zur Reichstagsauflösung und die Befugnis, bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit den Ausnahmezustand zu verhängen und Notverordnungen mit Gesetzescharakter zu erlassen. Schon zu Beginn der Republik wurde das bestehende Mehrheitswahlrecht durch ein Verhältniswahlrecht abgelöst und erstmals das aktive und passive Wahlrecht für Frauen eingeführt. Zudem wurde das Wahlalter von 25 auf 20 Jahre herabgesetzt.
Das Parteiensystem der Weimarer Republik wies trotz einiger Neugründungen eine beachtliche Kontinuität zum Kaiserreich auf. Die in der Arbeiterschaft verankerte Sozialdemokratische Partei Deutschland (SPD) war von 1919 bis 1932 stärkste politische Kraft. Sie stellte mehrere Reichskanzler und mit Friedrich Ebert von 1919 bis 1925 den ersten Reichspräsidenten. Allerdings befand sie sich häufig in der Opposition. Die Zentrumspartei (Zentrum) verstand sich als politische Interessenvertreterin der katholischen Bevölkerung. Sie stellte die Mehrzahl der Reichskanzler und war bis 1932 an allen Reichsregierungen beteiligt. Die linksliberale bürgerliche Deutsche Demokratische Partei (DDP) - ab 1930 Deutsche Staatspartei (DStP) - nahm großen Einfluss auf die Gestaltung der Weimarer Verfassung und war bis 1932 ebenfalls in den meisten Regierungen vertreten.
SPD, Zentrum und DDP waren die vorbehaltlos zur Demokratie stehenden Verfassungsparteien der Weimarer Republik. Erreichten sie zusammen bei den Wahlen zur Nationalversammlung im Januar 1919 noch ca. 70 Prozent der Stimmen, so verloren sie schon bei der ersten Reichstagswahl im Juni 1920 für immer ihre parlamentarische Mehrheit. Mit Ausnahme mehrerer Großer Koalitionen regierten fortan in der Regel vom Parlament tolerierte bürgerliche Minderheitsregierungen. Insgesamt zeichneten sich alle Weimarer Reichsregierungen durch chronische Instabilität und kurze Dauer aus. Die Parteien waren zu stark ihren angestammten Milieus verhaftet und zeigten auch aufgrund begrenzter ökonomischer Verteilungsspielräume zu wenig Kompromissbereitschaft gegenüber anderen Parteien. An den meisten Reichsregierungen seit 1920 beteiligt war auch die der Republik zunächst skeptisch gegenüberstehende bürgerliche Deutsche Volkspartei (DVP). Auch die Bayerische Volkspartei (BVP), die sich 1918 vom Zentrum abgespalten hatte, war seit 1922 in vielen Reichsregierungen vertreten. Als folgenschwer für die Weimarer Republik und mitverantwortlich für den Aufstieg der NSDAP erwies sich der stetige Niedergang der liberalen Parteien DDP und DVP, die am Ende der Weimarer Republik nur noch Splitterparteien waren.
Zu den entschiedenen Gegnern der Republik gehörte die Deutsch-Nationale Volkspartei (DNVP). Als Repräsentantin des konservativ-monarchistischen Lagers bekämpfte sie das demokratische System von Beginn an. Das Gleiche galt für die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Sie strebte die Errichtung einer sozialistischen Rätediktatur nach sowjetischem Vorbild an. Der völkisch-rassistischen und antisemitischen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gelang Anfang der 1930er Jahre, begünstigt durch die Verunsicherung und soziale Verelendung großer Bevölkerungskreise im Rahmen der Weltwirtschaftkrise, der Aufstieg zur stärksten politischen Kraft im Parlament (1932); gleichwohl konnte sie keine parlamentarische Mehrheit erringen.
Nach dem Bruch der letzten Großen Koalition im Sommer 1930 wurden die Reichsregierungen nicht mehr auf parlamentarischem Wege, sondern mit Hilfe so genannter Präsidialkabinette gebildet. Ohne eigene parlamentarische Mehrheit, regierten sie im Wesentlichen mit Hilfe des dem Reichspräsidenten aufgrund des Artikels 48 der Weimarer Reichsverfassung zugestandenen Notverordnungsrechts und läuteten damit einen schleichenden Verfassungswandel zu Lasten des Parlaments ein. Fühlte sich der erste Reichskanzler eines derartigen Präsidialkabinetts (1930 bis 1932), Heinrich Brüning (Zentrum), noch der Demokratie verpflichtet, so verfolgten seine parteilosen Nachfolger Franz von Papen und Kurt von Schleicher ab Juni 1932 bzw. Dezember 1932 eine offene Politik zur Überwindung der Weimarer Republik. Reichspräsident Paul von Hindenburg, seit 1925 im Amt, ernannte im Rahmen eines weiteren Präsidialkabinetts Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler einer Regierung aus NSDAP und DNVP. Mit dieser Entscheidung versetzte er der schwer erschütterten parlamentarischen Demokratie von Weimar den endgültigen Todesstoß.