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Deutschland muss sparsamer wirtschaften, sonst drohen die öffentlichen Finanzen in Schieflage zu geraten. Das ist die zentrale Aussage des „Vierten Berichts zur Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen“, den Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) in der Regierungsbefragung des Bundestages am Mittwoch, 17. Februar 2016, vorgestellt hat. Den Berechnungen von Experten zufolge ist je nach Bevölkerungs- und Wirtschaftsentwicklung bezogen auf das Jahr 2060 mit einer „Tragfähigkeitslücke“ in den öffentlichen Finanzen zu rechnen. Die Lücke veranschlagt der Tragfähigkeitsbericht unter eher günstigen Bedingungen auf 1,2 Prozent, im ungünstigsten Fall auf 3,8 Prozent.
„Das ist kein Anlass zur Panik, aber eine Mahnung zu handeln“, sagte Schäuble im Plenum. Es gebe „Stellschrauben“, mit denen gegengesteuert werden könne. Doch klar sei, dass ohne die Fortsetzung einer soliden Haushaltspolitik die Gefahr wachse, dass der Staat angesichts der absehbaren Bevölkerungs- und Alterungsentwicklung bis zum Jahr 2060 nicht mehr alle seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen könne.
Im Hinblick auf die anstehenden Haushaltsberatungen mahnte der Finanzminister Parlamentarier wie Ressortkollegen zur Sparsamkeit.
Dr. Tobias Lindner, Obmann der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Haushaltsausschuss, kritisierte in diesem Zusammenhang insbesondere die jüngsten Reformen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese hätten nicht zur „Effizienz der sozialen Sicherungssysteme“ beigetragen: „Die Rente mit 63 wird dazu führen, dass in den kommenden Jahren die Rücklagen der Rentenkasse aufgebraucht sind“, sagte Lindner und fragte: „Würden Sie die Entscheidung rückgängig machen?“
Der Finanzminister verwies auf die im Koalitionsvertrag fixierten Vereinbarungen. Diese hätten sich insgesamt bewährt: „Deswegen kann ich Ihnen nur sagen, dass ich zum Koalitionsvertrag stehe.“
Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke), Vorsitzende des Haushaltsausschusses, wollte wissen, ob der Finanzminister es nicht für notwendig halte, das Steuersystem effizienter zu gestalten: „Wäre es nicht sinnvoll, eine Vermögensteuer einzuführen und die Erbschaftsteuer zu erhöhen, um das Steuersystem auf sichere Füße zu stellen?“
Dieser Forderung erteilte Schäuble klar eine Absage: Jede steuerpolitische Entscheidung müsse unter Berücksichtigung der Folgen für den Erhalt eines „nachhaltiges Wachstums“ und der Arbeitsplätze in Deutschland getroffen werden. „Deshalb halten wir das für falsch“, so der CDU-Politiker.
Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU), Mitglied im Finanzausschuss, interessierte, inwieweit die Existenz vieler junger Unternehmen in Deutschland Einfluss auf die Tragfähigkeitslücke habe. “Welche Möglichkeiten sehen Sie, durch die Unterstützung von Unternehmen mit Wagniskapital die Lücke zu schließen?“
Schäuble zeigte sich überzeugt, dass je stärker die „innovative Kraft“ und die Produktivität der Unternehmen sei, desto eher die Lücke geschlossen werden könne. „Deswegen haben wir die Ausgaben für Bildung und Forschung erhöht, deswegen statten wir Start-ups mit Wagniskapital aus und steigern die Forschungsförderung“, erklärte der Finanzminister.
Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, hielt Schäuble vor, zu Unrecht seine Konsolidierungspolitik zu loben. Im Vergleich zum vorherigen Tragfähigkeitsbericht aus dem Jahr 2011 habe sich die Situation „deutlich verschlechtert“. Schäuble profitiere in seiner Haushalspolitik hauptsächlich von der Politik der EZB und den gesunkenen Zinsen, monierte Kindler und fragte: „Wo haben Sie Subventionen abgebaut? Und wann wollen Sie das tun?“
Der Minister widersprach dem Grünen und beharrte: „Die Lücke hat sich nicht vergrößert.“ Dass der Haushalt ohne Neuverschuldung auskomme, und das trotz großer Investitionen etwa in Straßen, Schienen und digitale Infrastruktur, sei ein Erfolg.
Dr. Axel Troost, Sprecher für Finanzpolitik der Linksfraktion, wollte hingegen wissen, welche Auswirkungen die Flüchtlingskrise den Experten zufolge auf die öffentlichen Haushalte in Zukunft haben werde: „Was haben Sie in der Flüchtlingsfrage modelliert?“ Schäuble erklärte, dass die Kosten der Zuwanderung nicht in die Berechnungen Eingang gefunden hätten.
Troosts Fraktionskollege Klaus Ernst warf Schäuble vor, den Bericht absichtlich verspätet kurz vor den Haushaltsberatungen vorgelegt zu haben, um den Spardruck zu erhöhen. „Wie reagieren Sie auf die Kritik, das sei ein durchsichtiges Manöver, um Forderungen nach mehr Geld aus den SPD-Ressorts einzudämmen?“
Schäuble konterte gelassen: „Die Kritik trifft mich nicht.“ Natürlich sei der Bericht eine Mahnung, die Konsolidierung der Haushalte fortzusetzen, mahnte der Finanzminister. Der jüngste Haushaltsüberschuss sei im Übrigen durch die Kosten zur Bewältigung der Flüchtlingskrise längst aufgebraucht. (sas/17.02.2016)