Menu | Plenum | Parlaments-TV |
Die geplante Einführung beschleunigter Asylverfahren für bestimmte Personengruppen in dazu eingerichteten Aufnahmeeinrichtungen trifft auf Zustimmung und Ablehnung gleichermaßen. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses unter Vorsitz von Ansgar Heveling (CDU/CSU) zu dem dazu von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf (18/7538) am Montag, 22. Februar 2016, deutlich. In dem Gesetzentwurf (Asylpaket II) ist des Weiteren geplant, "Abschiebungshindernisse aus vermeintlich gesundheitlichen Gründen" abzubauen sowie den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre auszusetzen. Zudem soll künftig das "Nichterscheinen bei der zuständigen Aufnahmeeinrichtung" zur Einstellung des Asylverfahrens führen.
Zustimmung erfuhr der Gesetzentwurf unter anderem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Deutschen Landkreistag. Man erhoffe sich allein schon durch die bessere Erreichbarkeit der Asylbewerber eine Beschleunigung der Verfahren, sagte Ursula Gräfin Praschma vom BAMF. Bislang habe das BAMF eine Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens an die Bewerber schicken und eine einmonatige Frist abwarten müssen. Dies sein nun nicht mehr nötig, so Gräfin Praschma. Ihrer Ansicht nach sollte das beschleunigte Verfahren bei Antragstellern aus sicheren Herkunftsländern sowie bei Folgeanträgen angewandt werden.
Der Gesetzentwurf greife viele Anregungen aus den Kommunen auf, sagte Dr. Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag. So ist aus seiner Sicht die Regelung, wonach die Aufenthaltsgestattung erlischt, wenn ein Antragsteller seiner Verpflichtung in einer bestimmten Aufnahmeeinrichtung zu wohnen nicht nachkommt, "ein wirksames Instrument zur Durchsetzung der Residenzpflicht". Auch die Regelung, wonach lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen ein Abschiebungshindernis darstellen, begrüßte Ruge. Zugleich sprach er sich dafür aus, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten um die nordafrikanischen Staaten zu erweitern.
Ablehnung erfuhr der Gesetzentwurf durch den Deutschen Anwaltsverein. Dessen Vertreter Berthold Münch nannte die Vorlage integrationspolitisch verfehlt und in Teilen verfassungswidrig. Es sei auch keineswegs mit einer Beschleunigung der Verfahren zurechnen, befand er. Außerdem müsse der Beratungsanspruch bei den beschleunigten Verfahren gesetzlich festgeschrieben werden. Keine Zustimmung fand bei Münch auch die Aussetzung des Familiennachzugs. Der Schutz der Familie sei ein grundlegendes Verfassungsgut, so Münch.
Auch Petra Zwickert von der Diakonie Deutschland kritisierte die Regelungen zum Familiennachzug scharf. Zwar seien davon nur wenige betroffen, doch seien das diejenigen, die den meisten Schutz benötigten. Die geplante Kürzung der Regelsätze des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) nannte sie integrationspolitisch falsch und verfassungsrechtlich bedenklich. Die Kritik der Diakonie richtete sich auch in Richtung der "Beweislastumkehr" bei der Frage des Abschiebestopps aus gesundheitlichen Gründen. Die Annahme, Asylbewerber würden ihre Krankheit vortäuschen, um im Land bleiben zu können, sei falsch, sagte Zwickert.
Das Schnellverfahren sei eine Kann-Bestimmung, die die Einzelfallprüfung nicht ausschließe und daher "weniger dramatisch ist als viele denken", sagte Prof. Dr. Daniel Thym von der Universität Konstanz. Was den Beratungsanspruch im beschleunigten Verfahren angeht, so vertrat er die Ansicht, dass es Beratungsangebote geben müsse, ein Anspruch darauf aber gesetzlich nicht festgeschrieben werden sollte.
Roland Bank von der deutschen Vertretung des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen sprach sich hingegen für eine gesetzliche Verankerung der Informationspflichten aus. Derzeit seien die Asylbewerber oftmals ohne Kenntnisse über die Verfahren. Die Aussetzung des Familiennachzugs nannte Bank eine Gefahr für die Integration. Zudem sorge das dafür, dass sich Familienangehörige auf den oftmals gefährlichen Weg nach Deutschland machen würden. (sto/22.02.2016)