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Kasachstan hat gewählt – und Aigerim Fazylova war dabei. Gemeinsam mit den anderen kasachischen Teilnehmern am diesjährigen Programm des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) des Deutschen Bundestages hat die 25-Jährige am 20. März in der kasachischen Botschaft ihre Stimme bei der Parlamentswahl abgegeben. „Mit dem Wahlergebnis bin ich zufrieden“, sagt sie.
Mehr als 82 Prozent gab es für die Partei von Präsident Nursultan Nasarbajew. Die Kasachen hätten großes Vertrauen in ihren Präsidenten, begründet Aigerim Fazylova den Wahlerfolg. „Er ist ein guter Stratege – vieles von dem was er gemacht hat, kommt gut an.“ Zudem plane der Präsident politische Reformen. „Die Rechte des Parlaments sollen gestärkt werden“, sagt die Kasachin, die ihr Praktikum im Rahmen des IPS im Büro von Dr. André Hahn (Die Linke) absolvieren wird.
Vom IPS erhofft sich die 25-Jährige, die derzeit an der Universität Warschau den Master-Studiengang „Politikwissenschaften“ absolviert, viel. „Das Programm ist sehr wichtig für mich, um meine Kenntnisse über parlamentarische Entscheidungsprozesse zu erweitern, die ich mit nach Kasachstan nehmen will.“ Dort, so sagt sie, wolle sie „einen Thinktank eröffnen und Berater der Regierung werden“.
Perspektivisch kann sie sich auch vorstellen, in einer kasachischen Botschaft zu arbeiten oder Kasachstan bei den Vereinten Nationen zu vertreten. Eine Promotion zieht sie auch noch in Betracht. Und die kulturelle Diplomatie liegt ihr ebenfalls sehr am Herzen. „Ich war schon an der Organisation von Projekten der Kulturdiplomatie in Kasachstan im Rahmen der diplomatischen Mission des US-Außenministeriums beteiligt“, erzählt sie.
Vielfältige Pläne, die auch mit ihren vielfältigen Interessen und Begabungen zu tun haben: Aigerim Fazylova spricht acht Sprachen, hat einen Bachelor- und eine Master-Abschluss in Deutsch und Englisch und bald noch einen in Politikwissenschaften. Zudem studiert sie an der europäischen Akademie für Diplomatie internationale Sicherheitspolitik und hat eine langjährige Tanzkarriere hinter sich.
„Ich bin ein Sprachenenthusiast“, sagte die junge Kasachin über sich selbst. Einzig mit Talent ist ihre Multilingualität aber nicht zu erklären. „Das ist auch harte Arbeit“, stellt sie klar. Ihr Interesse an Deutschland und der deutschen Sprache hat auch mit der Liebe zum Tanz zu tun. Seit ihrem sechsten Lebensjahr tanzt sie in verschiedene Ensembles – ist als Kind schon viel gereist und hat als Solotänzerin verschiedene Wettbewerbe in Italien, Spanien, der Türkei, Malaysia und Polen gewonnen.
„Es gibt viele bekannte Tänzerinnen, die aus Deutschland kommen“, sagt sie und zählt Sasha Waltz und Pina Bausch auf. Doch Aigerim Fazylova tanzt nicht nur, sie arbeitet auch als Choreografin. „Um all das unter einen Hut zu bringen, muss man sehr flexibel sein“, sagt sie. Am Anfang stand bei ihr der Volkstanz. „In Kasachstan gibt es mehr als 130 verschiedene Ethnien“, sagt sie. „Wir tanzen jeweils die Tänze unserer Volksgruppen, lernen aber in der Tanzgruppe auch viel über unsere Kultur.“
Trotz vieler verschiedener Ethnien und Glaubensrichtungen – in Kasachstan leben die Menschen ein friedliches Miteinander. Aigerim Fazylova stammt aus Karaganda – der viertgrößten Stadt Kasachstans. „Der Anteil der Kasachen in Karaganda liegt nur bei 50 Prozent“, sagt sie. Probleme erwachsen ihrer Aussage nach daraus aber nicht. „Die Leute in Kasachstan sehen die Verschiedenheit als Chance – nicht als Gefahr“, betont die 25-Jährige. Sie selbst nutzte diese „Chance“: Am Zentrum für deutsche Minderheiten hat sie Deutsch gelernt. Beim Zentrum für polnische Minderheiten vier Jahre polnisch.
Die junge Kasachin verweist zudem darauf, dass laut Verfassung des Landes neun Plätze im Parlament für die Vertreter von Minderheiten vorgesehen sind. Konkret sieht das so aus, dass von den 109 Unterhaus-Abgeordneten neun von der „Versammlung des Volkes Kasachstans“ gestellt werden, einem nach Nationalitätengesichtspunkten zusammengesetzten Konsultativorgan, dessen Vorsitzender Präsident Nasarbajew ist.
Der 75-Jährige hat sein Amt seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion im Jahr 1991 inne. Doch was kommt nach Nasarbajew? Internationale Beobachter fürchten einen Machtkampf um seine Nachfolge, ist zu lesen. Es gebe einige Thinktanks in Kasachstan, die das auch thematisieren, sagt Aigerim Fazylova. „Aber niemand weiß, was die Zukunft bringen wird. Ich kann auch keine Prognose abgeben“, betont sie.
Dass die wirtschaftlichen, aber auch politischen Beziehungen Deutschlands zum rohstoffreichen Kasachstan eng sind und künftig noch ausgebaut werden sollen, scheint indes unstrittig. Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hatte Ende 2015 Kasachstan als Stabilitätsanker in der Region bezeichnet. Und in einem Antrag der Linksfraktion, den der „Patenabgeordnete“ von Aigerim Fazylova, André Hahn, mitgezeichnet hat, wird Kasachstan zugebilligt, eine Vermittlerrolle zwischen Ost und West einnehmen zu können.
Aigerim Fazylova freut sich schon auf ihr Praktikum im Büro Hahn. Einen Mitarbeiter des Abgeordneten hat sie schon kennengelernt – gemeinsam haben sie den Stand Kasachstans bei der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin besucht und mit Mitarbeitern des kasachischen Ministeriums für Investition und Entwicklung gesprochen. Sehr zur Freude der 25-Jährigen. „Ich hoffe, dass ich beim Praktikum etwas in Verbindung mit Kasachstan machen kann“, sagt sie. (hau/04.04.2016)