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Der Bundestag will sich weltweit stärker für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern einsetzen. Einen entsprechenden Antrag von CDU/CSU und SPD (18/6880) nahm das Haus am Donnerstag, 3. Dezember 2015, mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen sowie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an. Die Linksfraktion enthielt sich der Stimme. In ihrem Antrag beklagen Union und SPD die „zunehmende Einschränkung zivilgesellschaftlicher Spielräume in vielen Staaten" und fordern von der Bundesregierung, der "Kriminalisierung von Nichtregierungsorganisationen und friedlichen Menschenrechtsverteidigern" international entgegentreten.
Frank Schwabe (SPD) sprach in der Debatte von Zehn- bis Hunderttausenden Menschenrechtsverteidigern, die in ihren Heimatländern, etwa in Russland, China, der Türkei und Saudi-Arabien, massiven Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt seien. „Sie brauchen aber ein sicheres Umfeld, indem sie aktiv sein können“, betonte Schwabe und fügte hinzu: „Menschenrechtsverteidiger kritisieren Staaten. Das ist ihre zentrale Aufgabe.“ Die Bundesregierung, aber auch die Europäische Union, sollte sich daher um ihren Schutz kümmern.
Eine besondere Rolle könnten dabei laut Schwabe die deutschen Botschaften und die EU-Vertretungen im Ausland spielen. Aber auch das Patenschaftsprogramm des Deutschen Bundestages „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ leiste einen wertvollen Beitrag. Bisher hätten 50 Abgeordnete eine Patenschaft für einen Menschenrechtsverteidiger übernommen. Der SPD-Politiker appellierte an die übrigen 550 Parlamentarier, sich ebenfalls an dem Programm zu beteiligen.
Erika Steinbach (CDU/CSU) sagte, der Antrag sei all jenen gewidmet, „die sich oft unter Einsatz ihres eigenen Lebens für die Einhaltung der Menschenrechte in ihrem eigenen Land einsetzen“. Viele Menschenrechtsverteidiger würden inhaftiert, gefoltert oder sogar getötet, andere spurlos verschwinden.
„International dürfen wir die Augen nicht verschließen, wenn in Russland, der Türkei, in China und in vielen anderen Ländern die Zivilgesellschaften immer mehr eingeschränkt und Nichtregierungsorganisationen in ihrer Arbeit behindert werden und kritische Journalisten in größter Gefahr sind“, forderte die CDU-Abgeordnete.
Als Beispiel nannte sie unter anderem die Lage in Russland. Dort eröffneten Gesetze gegen Nichtregierungsorganisationen den Behörden inzwischen die Möglichkeit, Andersdenkende zu verfolgen und die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit massiv einzuschränken. Aber auch in der Türkei sei die Lage „besorgniserregend“, konstatierte Steinbach, insbesondere vor dem Hintergrund der derzeit laufenden Verhandlungen zur Bekämpfung des „Islamischen Staates“ (IS) und in Fragen der Flüchtlingspolitik.
„Auf dem Wege zu Menschenrechtsstandards ist die Türkei nicht vorwärts gegangen, sondern sie ist auf dem Weg rückwärts in eine ungute Zeit“, kritisierte die menschenrechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion.
Tom Koenigs (Bündnis 90/Die Grünen) warf der Bundesregierung vor, „doppelte Standards“ anzuwenden. Nicht nur in Saudi-Arabien und anderswo gebe es Menschenrechtsverteidiger, die geschützt werden müssen. Auch sogenannte Whistleblower („Hinweisgeber“) wie der US-Amerikaner Edward Snowden seien Menschenrechtsverteidiger. Snowden habe sich wie kaum einer um das Recht auf Privatsphäre verdient gemacht, betonte Koenigs. Es sei „eine Schande für die westliche Welt, dass er noch immer in Russland verfault und Deutschland ihm kein humanitäres Asyl gewährt“.
Koenigs forderte, dass Abgeordnete und Vertreter der Bundesregierung auf ihren Reisen immer auch Menschenrechtsverteidiger empfangen sollten. Sie sollten außerdem darauf dringen, dass die deutschen Botschaften zu ihnen Kontakt halten und sie einladen. Die Heimatländer müssten wissen, „dass wir diese Menschen kennen“.
Annette Groth (Die Linke) nannte es einen „Skandal“, dass die Bundesregierung nach wie vor Waffen nach Saudi-Arabien liefert, obwohl Menschenrechtsverteidiger dort systematisch verfolgt, inhaftiert und zum Tode verurteilt werden. Ebenso skandalös sei angesichts der Menschenrechtsverletzungen an türkischen und kurdischen Oppositionellen und Journalisten auch die Kooperation mit der Türkei in Fragen der „Flüchtlingsabwehr“, urteilte Groth.
Die Linke-Abgeordnete bezeichnete es zudem als einen Fehler, dass der Antrag der Koalition „kein Wort“ über die Situation der Menschenrechtsverteidiger in Deutschland verliere. „Zahlreiche antirassistische und antifaschistische Initiativen setzen sich für die Rechte von Geflüchteten und Minderheiten ein und werden von Polizei und Gerichten kriminalisiert“, sagte Groth. Hier bestehe in Deutschland „dringender Handlungsbedarf“. (joh/03.12.2015)