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Vorabmeldung zu einem Interview in der nächsten Ausgabe der Wochenzeitung
„Das Parlament“ (Erscheinungstag: 22. Februar 2016)
– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Strobl (CDU), wirbt für die geplante Einschränkung des Familiennachzugs zu Flüchtlingen in Deutschland. Diese Einschränkungen seien „dringend notwendig, um den Flüchtlingszustrom nachhaltig zu reduzieren“, sagte Strobl der Wochenzeitung „Das Parlament“ zu den Koalitionsplänen, den Familiennachzug bei Flüchtlingen mit subsidiärem – also eingeschränktem – Schutz für zwei Jahre auszusetzen.
Nachdrücklich verteidigte der CDU-Politiker, dass dies mit Ausnahme bestimmter Härtefälle auch für unbegleitete Minderjährige gelten soll. „Wir sind generell nicht aus Hartherzigkeit gegen den Familiennachzug, sondern wir würden in einer solchen Situation ja auch selbst unsere Familie – die Ehefrau, die Kinder, die Eltern – zu uns holen wollen“, sagte er. Es sei aber „so, dass es einfach zu viele sind“. Es gebe bereits mehr als 500.000 Syrer im Land, die Anspruch auf Familiennachzug haben. „Wir brauchen hier jetzt eine Atempause. Und das müssen wir auch konsequent machen“, betonte Strobl. Das gelte auch für die Minderjährigen. Es sei „ein Geschäftsmodell der Schleuser und Schlepperorganisationen, gezielt Teenager und Kinder zu schleusen und dann später die Familie nach Deutschland nachzuziehen“. Man müsse sich „konsequent daran machen, dieses Geschäftsmodell zu beenden“.
Das Interview im Wortlaut:
Herr Strobl, haben wir, wie Horst Seehofer sagt, wegen der Flüchtlingsaufnahme in Deutschlandeine „Herrschaft des Unrechts“?
Strobl: Ganz sicher: Nein. Es ist eine der Stärken unseres Landes, dass wir ein sicherer und demokratischer Rechtsstaat sind.
Nicht nur Seehofer hat die Kanzlerin harsch kritisiert für ihre Entscheidung, die in Ungarn gestrandeten Flüchtlinge aufzunehmen. Dabei hatte das Bundesinnenministerium zu dem Zeitpunkt bereits mit 800.000 Asylbewerbern in 2015 gerechnet.
Strobl: Die Bundeskanzlerin hat in diesem speziellen Fall absolut richtig entschieden. Unter humanitären Gesichtspunkten war eine andere Entscheidung gar nicht möglich. Gut war übrigens auch, dass wir wenige Tage später unsere Grenzschutzaktivitäten an der deutsch-österreichischen Grenze intensiviert haben. Diese Fahndungsmaßnahmen haben in den vergangenen Monaten zu guten Ergebnissen geführt.
Mittlerweile werden immer mehr Grenzzäune durch Europa gezogen. Braucht Deutschland nun doch einen Plan B, also eine Abkehr von den offenen Grenzen?
Strobl: Wir haben einen Plan A, und der lautet, dass wir die Kontrolle über die EU-Außengrenze wieder erlangen müssen – vor allem im Grenzabschnitt zwischen der Türkei und Griechenland. Ich weiß nicht, ob es noch irgendwo sonst auf der Welt so viel organisiertes Verbrechen – Menschenhandel, Waffenhandel, Drogenhandel – gibt, wie auf diesem verhältnismäßig kleinen Grenzabschnitt zwischen zwei Nato-Staaten direkt vor der Tür Europas. Das müssen wir dringend ändern.
Und wie?
Strobl: Es gibt Fortschritte: Die Nato hilft mit bei der Seeraumüberwachung, Frontex kommt zum Einsatz, eine multinationale Grenzschutztruppe wird dort gemeinsam mit der Türkei das organisierte Verbrechen robust bekämpfen. Die Türkei hat sich bereit erklärt, Flüchtlinge aus aufgebrachten Booten zurückzunehmen. Insofern sind wir auf einem guten Weg. Diese Maßnahmen müssen jetzt sehr schnell umgesetzt werden.
Aber wenn die EU ihre Grenzen dort dicht macht, stauen sich noch mehr Flüchtlinge in der Türkei oder dem Libanon und Jordanien oder ertrinken im Mittelmeer…
Strobl: Das klare Ziel ist, dass sich die Flüchtlinge gar nicht auf den Weg nach Europa machen müssen. Wir müssen die Lebensverhältnisse in den großen Flüchtlingslagern im Libanon, in Jordanien und in der Türkei für die Menschen dort so erträglich machen, dass sie überleben können und auch eine gewisse Perspektive haben. Dann wird der immense Flüchtlingsdruck auf die EU-Außengrenze nachlassen.
An solchen Hilfen hat es in der Vergangenheit gefehlt.
Strobl: Ich bin sehr froh, dass man sich auf der Londoner Geberkonferenz endlich geeinigt hat und nun auch die internationale Gemeinschaft bereit ist, den Flüchtlingen mit einer milliardenschweren Unterstützung in diesen großen Flüchtlingslagern eine solche Perspektive zu geben. Wir sind damit einen Schritt weiter bei der Bekämpfung von Fluchtursachen.
Ins Inland. Die Koalition hatte sich ja eigentlich schon Anfang November vergangenen Jahres auf das Asylpaket II verständigt, dann aber wieder zerstritten, bis der Gesetzentwurf jetzt schließlich im Bundestag eingebracht wurde. Ist das ein Zeichen für Handlungsfähigkeit?
Strobl: Nachdem wir Anfang November eine politische Einigung hatten und die zuständigen Innenpolitiker schon Mitte November ihre Arbeit an den Gesetzestexten einvernehmlich beendeten, war es noch ein langer und ein schwieriger Prozess. Ich bin froh, dass es nun gelingt, in einem sehr zügigen parlamentarischen Verfahren bis Ende dieses Monats das Asylpaket II im Deutschen Bundestag zu verabschieden. Das wiederum ist ein ganz gutes Tempo. Das Asylpaket II wird nun schnellere Asylverfahren und Erleichterungen bei Rückführungen bringen. Auch die Einschränkungen beim Familiennachzug sind dringend notwendig, um den Flüchtlingszustrom nachhaltig zu reduzieren.
Von diesen Einschränkungen sollen auch unbegleitete Minderjährige betroffen sein, die ihre Familien nach dem Willen der Koalition nur noch in Härtefällen wie etwa bei Krankheit nachholen dürfen. Ist es aber nicht schon ein Härtefall an sich, wenn Kinder und Jugendliche alleine auf der Flucht sind?
Strobl: Das mag man auf den ersten Blick denken. Wir sind generell nicht aus Hartherzigkeit gegen den Familiennachzug, sondern wir würden in einer solchen Situation ja auch selbst unsere Familie – die Ehefrau, die Kinder, die Eltern – zu uns holen wollen. Es ist aber so, dass es einfach zu viele sind. Wir haben bereits mehr als 500.000 Syrer im Land, die Anspruch auf Familiennachzug haben. Wir brauchen hier jetzt eine Atempause. Und das müssen wir auch konsequent machen. Das gilt auch für die Minderjährigen. Es ist ein Geschäftsmodell der Schleuser und Schlepperorganisationen, gezielt Teenager und Kinder zu schleusen und dann später die Familie nach Deutschland nachzuziehen. Ich bin sehr dankbar, dass Rupert Neudeck....
...der Gründer der Flüchtlingshilfsorganisation Cap Anamur...
Strobl: ... ja, genau, dass Rupert Neudeck vor einigen Tagen klar darauf hingewiesen hat, dass man an Einschränkungen des Familiennachzugs nicht vorbeikommt, wenn man eine Reduzierung des Flüchtlingszustroms erreichen will. Und er hat auch klar und eindeutig gesagt, dass das auch für die Minderjährigen gilt. Rupert Neudeck hat auch daran erinnert, dass dieses Geschäftsmodell der Schleusung von Kindern und Jugendlichen von der organisierten Kriminalität schon seit Jahrzehnten betrieben wird. Wir müssen uns konsequent daran machen, dieses Geschäftsmodell zu beenden.
Umstritten sind auch Abschiebungen von Flüchtlingen in Länder wie Afghanistan. Dort, argumentieren die Kritiker, zeige doch gerade der Bundeswehreinsatz, dass die unsichere Lage in Land sehr wohl ein Fluchtgrund ist.
Strobl: Mit dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan versuchen wir gemeinsam mit unseren Partnern, dort sichere Zonen zu schaffen. Das gelingt in bestimmten Fällen auch. Wenn wir jetzt Migranten wieder nach Afghanistan zurückschicken wollen, brauchen wir dort sichere Zonen, in denen es keine politische Verfolgung gibt, in denen die Menschen nicht um Leib und Leben fürchten müssen. Dorthin können wir Migranten, die bei uns keinen Schutz erhalten, zurückschicken.
Noch einmal zu Europa: Die Flüchtlingspolitik vieler EU-Staaten ist nicht gerade von Solidarität geprägt. Wie sehr ist denn die Europäische Union als Wertegemeinschaft jetzt schon beschädigt?
Strobl: Die EU stellt sich im Moment leider selbst in Frage. Ich mache mir große Sorgen, ob sie sich nicht am Ende selbst zerstört. Leider entfaltet die Europäische Union angesichts der riesigen Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht die Kraft einer Gemeinschaft von 500 Millionen Menschen, sondern zerfällt in nationalstaatliche Kleinstaaterei. Das muss sich ändern. Ich hoffe, dass es sich in Europa bei den Regierungschefs herumspricht, dass es die größte Katastrophe wäre, wenn Europa angesichts der großen internationalen Probleme zerbrechen würde. Mit am schlimmsten wäre das übrigens für das Land ganz in der Mitte Europas, nämlich für unser Land – Deutschland.
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