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Für Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU) ist das Verhältnis von Parlament und Bundeswehr beispielhaft: "Das Parlament weiß, dass es sich auf seine Armee verlassen kann, und die Soldaten wissen, dass sie sich auf ihr Parlament verlassen können." Dieses Fazit zog er am Montag, 8. März 2010, im Militärhistorischen Museum der Bundeswehr in Dresden. Er hielt fest: "Kein deutscher Soldat darf den Fuß außerhalb der Landesgrenzen setzen, bevor das Parlament zugestimmt hat."
Lammert hatte in Dresden die diesjährige Vortragsreihe eröffnet und zum Thema "Die Bundeswehr als Parlamentsarmee" gesprochen. In seiner Rede betonte er, die Konstruktion, nach der über einen Auslandseinsatz des deutschen Heeres allein der Bundestag zu befinden hat, sei eine "bemerkenswerte Regelung". Auch die Tatsache, dass das Parlament darüber nur auf Antrag der Bundesregierung entscheiden könne, hält er für "klug".
Die deutsche Regelung sei entstanden als Reflexion auf den historischen Kontext des Verhältnisses von Politik und Militär und als Reaktion auf die politischen Gegebenheiten des Kalten Krieges. Ohne die geschichtliche Erfahrung würde es diese "außergewöhnliche Konstruktion" wohl nicht geben, betonte der Präsident. Ähnliche Regelungen, bei denen das Heer dem Zugriff der Exekutive "in beachtlichem Maße entzogen" und eben kein Schwert der Regierung sei, gebe es nur in wenigen anderen Staaten - auch wenn gerade die jüngere Zeit zeige, dass andere Länder "dem deutschen Beispiel folgen".
Die Aufgaben der Bundeswehr hätten sich von der reinen Landesverteidigung erheblich gewandelt. Die Verfassungslage trage dem Rechnung: Mit dem "Out of area"-Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1994 sei erstmals der Terminus des Parlamentsheeres geprägt worden. Es sei eine "Sternstunde des Parlamentarismus" gewesen, wie 1998 in der Übergangszeit zwischen der abgewählten Regierung Kohl und Rot-Grün der erste Kriegseinsatz der Bundeswehr beschlossen worden sei.
Trotz der besonderen parlamentarischen Situation sei er nicht mal eben durchgewinkt worden, sondern es habe "gründliche parlamentarische Debatten" gegeben. Dass der Bundestag auch heute noch ein- oder zweimal jährlich um Auslandseinsätze der Bundeswehr ringe, hält er für wünschenswert: Es sei "möglich und nötig", dass etwa die Frage, ob der deutsche Militäreinsatz in Afghanistan das leistet, was er soll, "kontrovers diskutiert" werde. Denn es mache einen "mehr als formalen Unterschied", ob ein Beschluss, der über das Leben oder den Tod von Menschen entscheiden kann, von der Regierung oder dem Parlament, und damit in Vertretung des Volke, gefasst wird.
In der Diskussion wies Lammert den Einwand zurück, dass der EU-Grundlagenvertrag von Lissabon die Position des Bundestages in der Entscheidung über Auslandseinsätze schwäche. Es sei vielmehr so, dass der Vertrag die Mitwirkung der nationalen Parlamente stärke. Auch nach Lissabon sei die Bundesregierung bei Auslandseinsätzen des Heeres an die konstitutive Zustimmung des Parlaments gebunden.
Auf die Frage nach einem möglichen Einsatz der Bundeswehr im Innern reagierte der Bundestagspräsident zurückhaltend: Er glaube nicht, dass es in absehbarer Zeit dazu eine Gesetzesänderung geben werde, da es ungeachtet der hohen Zustimmung in der Bevölkerung viele ungeklärte rechtliche Probleme gäbe. Er sei nicht sicher, so Lammert, ob der Preis für eine einmalige Aufhebung der sauberen Trennung von Polizeiaufgaben und Aufgaben des Heeres "zu hoch" wäre; zudem sehe er eine entsprechende parlamentarische Mehrheit dafür "in den nächsten Jahren nicht".
Deutlicher wurde Lammert in Sachen Wehrpflicht: Die hält er "für richtig und wichtig, aber nicht sakrosankt". Nach der derzeitigen Verfassungskonstruktion werde die Wehrpflicht mit der Verpflichtung zur Landesverteidigung begründet. Man könne sich jedoch fragen, wie viel Bestand dies noch habe, wenn von jedem Jahrgang nur immer weniger junge Männer dieser Verpflichtung nachkommen müssten und es auch nicht mehr primär um Landesverteidigung, sondern um andere wichtige Aufgaben gehe.
Es habe hier längst eine "Änderung der Verfassungswirklichkeit gegenüber der Verfassungsnorm" gegeben. Man könne die Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht aber nur dann ernsthaft führen, wenn man eine "mindestens gleichwertige Alternative" anzubieten habe. Es gehe nicht, "wie hirnlose Holzfäller den Wald zu fällen und sich erst dann zu fragen, ob man das Holz braucht und was man mit der Lichtung anfängt".