Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010
Über gesetzliche Maßnahmen zur Senkung der Arzneimittelkosten entscheidet der Bundestag am Freitag, 18. Juni 2010, nach 45-minütiger Debatte voraussichtlich gegen 12.40 Uhr. Eine der wichtigsten Neuerungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur "Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften" (17/1297), der den Parlamentariern zur Abstimmung vorliegt, betrifft die Anhebung des Herstellerrabatts für neue Arzneimittel von sechs auf 16 Prozent. Damit will die Koalition Einsparungen bei den gesetzlichen Krankenkassen in Höhe von rund 1,15 Milliarden Euro jährlich erreichen.
Außerdem berät der Bundestag abschließend über zwei Oppositionsanträge zur Arzneikostenkontrolle sowie zur Stärkung der Patientenrechte (17/1206, 17/1985). Der Gesundheitsausschuss hat eine Beschlussempfehlung vorgelegt (17/2170).
Im Kern des Gesetzesvorhabens stehen Kostensenkungen bei den Arzneimitteln. So soll der Rabatt, den Hersteller den Krankenkassen für neue Medikamente gewähren müssen, von sechs auf 16 Prozent angehoben werden. Diese Regelung soll nach Vorstellung der Koalition vom 1. August dieses Jahres bis zum 31. Dezember 2013 für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel gelten, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgegeben werden und für die es keinen Festbetrag gibt.
Gleichzeitig ist geplant, die Preise bis Ende 2013 auf dem Stand vom 1. August 2009 einzufrieren. Mit diesen Maßnahmen sollen die Krankenkassen in die Lage versetzt werden, Kosten in Höhe von jährlich rund 1,15 Milliarden Euro einzusparen, so die Rechnung der Bundesregierung.
Ein weiteres Ziel des Gesetzesvorhabens ist eine Verlängerung der Möglichkeit, Informationen gesetzlich Krankenversicherter an private Abrechnungsstellen weiterzugeben.
Nach der Vorstellung der Koalition soll die Regelung noch bis zum 30. Juni 2011 gelten. Eigentlich würde sie jedoch bereits am 30. Juni dieses Jahres auslaufen. Das Bundessozialgericht hatte Ende 2008 nämlich entschieden, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung Patientendaten nicht zur Erstellung von Leistungsabrechnungen an private Firmen übermittelt werden dürfen.
Diese angestrebte Verlängerung ist aber unter Datenschützern durchaus umstritten: Zwar beurteilte der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bei einer Anhörung Mitte Mai im Gesundheitsausschuss eine befristete Verlängerung der Ausnahmeregelung als vertretbar.
Sein schleswig-holsteinischer Amtskollege Thilo Weichert sprach sich jedoch gegen eine Fortschreibung der Ausnahmeregelung aus. In vielen Fällen werde dabei die ärztliche Schweigepflicht ausgehebelt, so Weichert. Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, befürwortete dagegen die Verlängerung um ein Jahr. Diese schaffe eine "gewisse Planungs- und Investitionssicherheit".
Aber auch die geplante Erhöhung des Herstellerrabatts stieß auf ein geteiltes Expertenecho: Während die Pharmabranche sie strikt ablehnt, wird sie von den gesetzlichen Krankenkassen gelobt. Allerdings löse das von der Koalition erwartete Einsparvolumen von 1,15 Milliarden Euro noch immer nicht die finanziellen Probleme der Krankenkassen, gab die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, bei der Anhörung zu bedenken.
Die SPD fordert daher, für importierte Arzneimittel eine Ausnahme von der Erhöhung des Herstellerabschlags einzuführen. Die Abgabe preiswerter importierter Arzneimittel entlaste die gesetzliche Krankenversicherung um rund 300 Millionen Euro jährlich, so die Fraktion.
Auch Die Linke möchte die Arzneimittelkosten senken und verlangt in ihrem Antrag mit dem Titel "Faire Preise für wirksame und sichere Arzneimittel - Einfluss der Pharmaindustrie begrenzen" (17/1206), die Regierung solle ein Verfahren zur zentralen Verhandlung beziehungsweise Festlegung der Arzneimittelpreise zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang setzt sich die Linksfraktion unter anderem auch für ein verbindliches, öffentliches Arzneimittelregister ein.
Bündnis 90/Die Grünen fordern hingegen die Patientenrechte zu stärken. Dazu solle unabhängige Patientenberatung ausgebaut und in die Regelversorgung überführt werden, so die zentrale Forderung ihres Antrags (17/1985). Um die Patientenberatung, die bislang erst in einem Modellversuch angeboten und getestet wurde, fortzuführen, plädieren die Grünen dafür, dass die gesetzliche Krankenversicherung diese so lange weiterfinanziere, bis die Regelversorgung gesichert sei.
Darüber hinaus solle die unabhängige Beratung im Rahmen des Gesundheitssystems gesetzlich verankert und die Zahl der Beratungsstellen ausgebaut werden, so die Grünen.