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Mit der Vernehmung des Zeugen Prof. Dr. Klaus Duphorn hat der 1. Untersuchungsausschuss zu Gorleben seine Verhandlung am Donnerstag, 8. Juli 2010, fortgesetzt. Der Geologe, Hochschulprofessor und Eiszeitforscher gab den Abgeordneten Einblick in die obertägigen Erkundungen des Geländes um Gorleben (Niedersachsen) bis 1982.
Der Quartärgeologe hatte im Auftrag der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) die Bohrergebnisse unter die Lupe genommen. "Je tiefer wir bohrten, desto schlechter wurden die Ergebnisse“, sagte Duphorn. Die obertägigen Untersuchungen sollten Aufschluss darüber geben, ob sich der Standort Gorleben als Endlager für radioaktiven Müll eignet. Der Untersuchungsausschuss prüft, ob es bei der Entscheidung im Jahr 1983, sich bei der Suche auf den Standort Gorleben zu beschränken, zu politischer Einflussnahme gekommen ist.
Duphorn sagte, sein Team von der Universität Kiel habe von 1979 bis 1981 5.300 Handbohrungen realisiert und rund 500.000 Steine untersucht. Daraufhin habe man vom Terrain 48 Karten erstellt. Die Ergebnisse habe man mit anderen Wissenschaftlern kontrovers diskutiert. "In der Sache ist die Auseinandersetzung mit der PTB und der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe fair verlaufen“, erinnerte sich Duphorn. Die Kooperation habe er bis zum Vertragsende als positiv empfunden.
Dennoch war Duphorns Vertrag nicht über das Jahr 1981 hinaus verlängert worden. "Über die Art und Weise, wie ich vom Bundesministerium für Forschung und Technologie damals abserviert und abqualifiziert worden bin, habe ich mich geärgert“, sagte Duphorn. Er äußerte den Verdacht, dass Referenten im Bundesministerium teilweise am Minister vorbei agiert hätten. Um die Arbeit abzuschließen, habe er seine drei Mitarbeiter fünf Monate lang "aus der Familienkasse“ bezahlt.
"Ich glaube, man wäre mit mir freundlicher umgegangen, wenn die Bohrungen bessere Ergebnisse gezeitigt hätten“, fügte er hinzu. Die Ergebnisse hätten aber gezeigt, dass man anfangs die Grundwasserdynamik unterschätzt habe, sagte Duphorn. So habe auch die PTB einräumen müssen, dass das Deckgebirge als mögliche Barriere für radioaktiven Abfall quasi ausfalle und Gorleben mit dem Salzstock ein Ein-Barrieren-System aufweise.
"Mit zunehmender Verschlechterung der Bohrbefunde wurden Überlegungen angestellt, inwieweit weitere, nicht geowissenschaftliche Kriterien in die Bewertung einfließen sollen.“ Dies habe man tun müssen, sagte Duphorn. Die neuen Kriterien seien sehr solide Auswahlkriterien gewesen mit neuen Anstößen aus der Reaktorsicherheitskommission.
Duphorn räumte ein, während seiner Arbeiten Anfang der 1980er Jahre generell von Salzstöcken als möglichen Endlagern überzeugt gewesen zu sein und auch für die untertägige Erkundung Gorlebens eingetreten zu sein.
Heute sehe er das anders: "Salz ist einfach out. Weltweit werden viele andere Schichten erforscht.“ FDP-Obfrau Angelika Brunkhorst dagegen berichtete von einem Besuch in Frankreich: "Die beneiden uns um unser Salz.“
Die Position der Bundesregierung
Wie bewertete das Bundeskanzleramt die Suche nach einem Endlager für radioaktiven Müll Anfang der 1980er Jahre? Dieser Frage ging der Ausschuss mit der Vernehmung zweier ehemaliger Referenten des Amts am 8. Juli nach. Dabei sagten die geladenen Zeugen in Teilen durchaus unterschiedlich aus.
Der 1981 ins Kanzleramt gewechselte Dr. August Hanning skizzierte die Position der Bundesregierung so: ”Aus Sicht des Bundes war es wünschenswert, Probebohrungen an mehreren Standorten vorzunehmen. Aber Niedersachsen hatte sich immer strikt geweigert, auch andere Standorte als Gorleben zu untersuchen.“
"Entscheidung hat uns nicht begeistert"
Die Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung für den Ort im Wendland ”hat uns nicht begeistert“ - wegen der Nähe zur DDR. "Leider" sei also das Ansinnen des Bundes politisch nicht realisierbar gewesen. ”Wir fanden uns damit ab“, sagte Hanning.
Hannings Aufgabe damals war, eine anstehende Kabinettsentscheidung im Juli 1983 vorzubereiten. Die Bundesregierung wollte darüber befinden, ob der Standort Gorleben untertägig erkundet werden sollte. Dieser Beschluss steht auch im Fokus des aktuellen Untersuchungsausschusses: Der Ausschuss soll klären, ob es Einfluss aus der Politik auf untersuchende Wissenschaftler gegeben hat.
"Keine Einflussnahme"
Hanning verneinte dies. Er könne sich nicht daran erinnern, dass die Exekutive Einfluss auf den Zwischenbericht der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) genommen habe, sagte er. Hanning war auch bei einem Gespräch mit Vertretern der PTB am 11. Mai 1983 zugegen - über das Treffen hat der Untersuchungsausschuss bereits verhandelt.
Wissenschaftler der PTB sagten aus, Regierungsvertreter hätten die Weisung gegeben, einen Passus mit der Empfehlung, auch weitere mögliche Standorte für die Endlagerung zu suchen, im Zwischenbericht zu streichen. ”Ich erinnere mich nicht an die näheren Umstände des Gesprächs“, sagte hierzu Hanning.
"Es gibt keinen optimalen Standort"
Man sei mit der Wahl des Standorts verantwortlich umgegangen. Zwar habe es Probleme in Gorleben gegeben. Aber es gebe keinen optimalen Standort - und die Eignung Gorlebens sei nie infrage gestellt gewesen.
Die Bundesregierung habe ein starkes Interesse an alternativen Standorten gehabt, sagte Dr. Wolf von Osten, seinerzeit für das Forschungsministerium zuständiger Referent im Kanzleramt. ”Dieses Interesse wurde zwischen 1981 und 1982 wieder angeschoben durch die Tatsache, dass erhebliche Zweifel an Gorleben auftauchten.
"Kaum Dissens zwischen Bundesministerien"
Von Osten nannte hierfür Probleme mit der Deckschicht und Wassereinbrüche. So habe kaum Dissens zwischen den Bundesministerien darüber bestanden, dass man auch nach anderen Standorten suchen solle. Auch habe es 1982 eine Bitte der niedersächsischen Landesregierung gegeben, die Suche auf weitere Standorte außerhalb Niedersachsens auszuweiten.
Gemeinsam mit Hanning hatte von Osten mehrere Vermerke zur Endlagersuche gefertigt. Drastischer als Hanning beschrieb er die Situation des Bundes hinsichtlich der Kernenergienutzung. ”Durch die Kopplung der Kernkraft an die Entsorgungsvorsorge hatte sich die Bundesregierung Fesseln angelegt“, sagte er. ”Man musste zusehen, dass man Fortschritte mit Gorleben machte.“
"Augen zu und durch"
Es habe das Motto geherrscht: ”Augen zu und durch.“ So sei auch die spätere Bundesregierung unter Dr. Helmut Kohl (CDU) mit der Frage verfahren. Daher, so von Osten, habe man Gorleben ”durchzudrücken“ versucht. Auf Nachfrage von Ausschussmitgliedern erklärte von Osten indes, für diese Aussage keine Belege liefern zu können. ”Dokumente habe ich dazu nicht zu Gesicht bekommen.“