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Der Leistungsdruck auf Kinder nimmt immer mehr zu "und damit auch die psychosozialen Probleme", sagte Prof. Hubertus von Voß vom Verein "Kindernetzwerk" in einer öffentlichen Anhörung der Kinderkommission (Kiko) des Deutschen Bundestages am Mittwoch, 23. Februar 2011. In einem Expertengespräch zu dem Thema "Arzneimittelversorgung der Kinder und Jugendlichen" trugen drei Sachverständige unter anderem Erkenntnisse über die immer häufiger diagnostizierte Aufmerksamkeits- defizit-Hyperaktivitätsstörung, kurz ADHS, und zu dem Problem einer auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Arzneimittelversorgung vor.
Hubertus von Voß unterstrich, dass ADHS eine Vermutungsdiagnose sei. "Es ist kein rein medizinisches Problem", sagte er. Bei rund 500.000 Kindern in Deutschland sei das Syndrom angeblich nachgewiesen. Fehlende Studien und eine zu gering ausgeprägte Forschungstätigkeit in dem Bereich ließen jedoch den Verdacht zu, dass viele der jungen Patienten nicht angemessen genug behandelt würden.
Genetische Ursachen werden für die Krankheit vermutet, "ein einzelnes sicher zu identifizierendes Gen gibt es aber nicht", sagte der Sachverständige. Äußere Faktoren der Umwelt des Kindes können ebenfalls die Ursache sein.
Daher sei es mit einer schnellen Verschreibung irgendwelcher Medikamente zur Therapie des Syndroms nicht getan. "Ein multimodaler Therapieansatz in Form von Beratung der Kinder, den Jugendlichen, Erwachsenen, Lehrern und Jugendämtern ist erforderlich“, erklärte von Voß und wies auf erhebliche Kosten hin, die den Therapeuten in der Behandlung entstehen, die aber bisher durch Kassen nicht abgedeckt werden.
Dr. Christa Schaff vom Berufsverband Kinder- und Jugendpsychiatrie bemängelte, dass in der Bundesrepublik zu wenige medizinische Studien über Kinder gebe "und zu wenige Medikamente – vor allem in der Kinderpsychiatrie". Die Arzneimittelproduktion wäre zu sehr auf Erwachsene zugeschnitten.
"Wir haben eine brisante Situation", so Schaff, denn die Dosierung stelle sich für Kinder dadurch schwierig dar und die wiederum damit möglicherweise verbundenen Nebenwirkungen solle man Kindern nicht zumuten. Bei jedem Kind müsse daher immer wieder neu entschieden werden, was getan werden könne.
"Zusätzlich haben wir das Problem, dass wir heute bei ADHS oft nur von einem Symptom sprechen, dass behandelt werden soll", sagt die Ärztin. Doch ADHS sei mehr als ein Symptom. Es bedürfe der Abstimmung zwischen Kinderärzten, Kinderpsychotherapeuten und Psychiatern darüber, welche Symptome überhaupt zu einer Verdachtsdiagnose führten und welche Therapien angemessen seien.
Bemühungen, Konzepte zu entwickeln, die Fehldiagnosen und Falschbehandlungen verhindern sollen, würden derzeit von einem Großteil der Krankenkassen nicht genügend unterstützt, monierte Schaff.
Prof. Wolfgang Rascher, Mitglied der Arzneimittelkommission, bestätigte: "Die Forschung zur Arzneimittelsicherheit steckt bei den Kindern noch in den Anfängen." Der Professor schlug vor, dass es ein Netzwerk für Arzneimittelstudien geben sollte, um auch an frühere aber nicht weiter geförderte Forschungen anschließen zu können. "Für die richtige Medikation von Kindern sind mehr Daten nötig", sagte er.
Wer in die Statistiken schaue, stelle fest, dass es innerhalb der letzten 20 Jahre zu erheblichen Schwankungen in der Verschreibung von Wirkmitteln gekommen sei.. "Auch die Gefahr des Missbrauchs von Medikamenten ist groß", sagte er.
Als Fortschritt bewertete Wolfgang Rascher, dass die EU-Arzneimittelverordnung Medikamentenerzeugern vorschreibt, einen Plan vorzulegen, der entwickelte Wirkstoffe unter dem Gesichtspunkt beleuchtet, ob sie Kindern nutzen. "Das wird zu signifikanten Verbesserungen beitragen", zeigte sich Rascher optimistisch. (eis)