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Ein hohes Maß an Übereinstimmung bei der Forderung nach mehr Lärmschutz und mehr Bürgerbeteiligung bei Infrastrukturprojekten demonstrierten Koalition und Opposition eine Woche vor der baden-württembergischen Landtagswahl am Freitag, 18. März 2011, während einer Plenardebatte über den in Baden seit Jahren umstrittenen viergleisigen Ausbau der Rheintalbahn. Differenzen offenbarten sich bei der Frage der Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen und beim Termin für die allseits unterstützte Abschaffung des Schienenbonus, der die Bahn beim Lärmschutz entlastet.
Union und FDP beschlossen bei Enthaltung der Opposition einen Antrag (17/4861), der sich für einen anwohnerfreundlichen Ausbau der Rheintalbahn ausspricht. Zwischen dieser Resolution und weiteren Vorlagen aus den Reihen der Oppositionsfraktionen, die jedoch keine Mehrheit fanden, gab es viele Gemeinsamkeiten.
Wie die Redner aller Fraktionen betonte auch die baden-württembergische Verkehrsministerin Tanja Gönner, wie wichtig die viergleisige Erweiterung der Rheintalbahn als einer der wichtigsten Nord-Süd-Verkehrsachsen ist, um mehr Gütertransporte auf die Schiene zu verlagern.
Angesichts von 172.000 Bürgereinwendungen gegen die jetzigen Planungen zwischen Offenburg und Weil am Rhein seien jedoch "substanzielle Verbesserungen beim Lärmschutz" erforderlich. Die CDU-Politikerin bezeichnete den Projektbeirat, in dem alle Beteiligten einschließlich der Bürgerinitiativen vertreten seien, als "beispielgebende moderne Form der Bürgerbeteiligung".
Gönner wies darauf hin, dass bereits Probebohrungen für einen Tunnel in Offenburg begonnen hätten, der vor Ort als Alternative zur bislang geplanten Trasse durch die Stadt verlangt wird.
Die Landesregierung sei bereit, mit einem "namhaften finanziellen Betrag" Lärmschutzmaßnahmen, die über den gesetzlichen Standard hinausgehen, bis zur Hälfte der Kosten mitzufinanzieren.
Die Ministerin warf den Grünen einen "widersprüchliche Haltung" vor: Im baden-württembergischen Landtag hätten sie eine solche Mitfinanzierung abgelehnt, während sie dies jetzt im Bundestag forderten. Sie plädierte für die schrittweise Abschaffung des Schienenbonus.
Der CDU-Abgeordnete Steffen Bilger erklärte, die Anliegen der Bewohner am Oberrhein seien bei der Koalition in guten Händen. Bilger warf den Grünen vor, für das Scheitern eines fraktionsübergreifenden Antrags zur Rheintalbahn verantwortlich zu sein.
Der FDP-Parlamentarier Patrick Döring sagte, Fortschritte beim Lärmschutz seien vor allem von der jetzigen Koalition bewerkstelligt worden. So würden neue Planungen zum Ausbau der Rheintalbahn sowohl mit wie ohne Schienenbonus konzipiert. Dies sei der ersten Schritt zu dessen Abschaffung.
Döring sprach sich für die Einführung lärmabhängiger Trassenpreise für die Benutzung des Schienennetzes aus. Angesichts der Erfahrungen mit Stuttgart 21 und der Rheintalbahn müsse das Planungsrecht geändert werden, um "die Bürger besser einzubinden".
Florian Pronold warf Gönner vor, eine "Wahlkampfrede" inszeniert zu haben. Der SPD-Abgeordnete hob hervor, dass der Projektbeirat am Oberrhein vom früheren SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee eingesetzt worden sei.
Pronold appellierte an die Koalition, schon bei der Rheintalbahn als erstem Modell und nicht erst vom nächsten Jahr an den Schienenbonus abzuschaffen. Es sei mehr Geld vonnöten, um bei Infrastrukturvorhaben die Forderungen der Bürger nach mehr Lärmschutz in die Praxis umzusetzen.
Pronold kritisierte Union und FDP, weil künftig nicht mehr wie bislang ein Drittel der Einnahmen aus der Lkw-Maut in den Schienenverkehr fließen solle. Die Investitionskraft der Bahn werde zudem geschwächt, weil das Unternehmen 500 Millionen Euro aus ihrem Gewinn an den Bundeshaushalt abführen müsse.
Der SPD-Politiker hielt der Koalition vor, zwar von Lärmschutz zu reden, in der Praxis aber das Gegenteil zu tun: "Nicht an ihren Worten, an ihren Taten sollt ihr sie erkennen."
Im Namen der Linksfraktion verlangte Karin Binder, Modelle wie den Projektbeirat am Oberrhein im Planungsrecht im Sinne von mehr Bürgerbeteiligung verbindlich zu verankern.
Die Abgeordnete bezeichnete es als nötig, schon jetzt die hohe Lärmbelastung durch Güterzüge auf der bestehenden Strecke im Rheintal und nicht erst im Zuge des Ausbaus dieser Trasse zu reduzieren. So müssten etwa alte Waggons dringend nachgerüstet werden.
Die Abgeordnete der Linken plädierte dafür, das hohe Tempo von Güterzügen bei der Durchfahrt auf kleinen Bahnhöfen in der Region zu vermindern, um Gefährdungen wartender Passagiere entgegenzuwirken. Wegen Stuttgart 21, kritisierte Binder, fehle der Bahn Geld, um im Schienenverkehr für mehr Sicherheit zu sorgen.
Aus Sicht von Winfried Hermann reicht am Oberrhein traditioneller Lärmschutz wie die Errichtung von Lärmschutzwänden nicht mehr aus. Beim Ausbau dieser Strecke müsse vielmehr umgeplant werden, so der Verkehrsexperte von Bündnis 90/Die Grünen. Schuld an Verzögerungen bei diesem Vorhaben sei nicht der Bürgerprotest, sondern die bislang falsche Planung.
Hermann verlangte für Offenburg einen Tunnel. Zudem müssten auf der Strecke südlich dieser Stadt die neuen Gleise entlang der Autobahn und nicht bei der bestehenden Trasse verlegt werden. Trotz vieler Gemeinsamkeiten zwischen den Fraktionen sei ein gemeinsamer Antrag auch an inhaltlichen Differenzen gescheitert - weil etwa die Koalition den Schienenbonus erst 2012 und nicht sofort abschaffen wolle.
An die Adresse Gönners sagte Hermann, die Grünen seien nicht generell gegen die Mitfinanzierung von Lärmschutzmaßnahmen durch Landesmittel. Landesgelder dürften jedoch nicht für Maßnahmen verwandt werden, die gesetzlich vom Bund zu finanzieren seien.
Der Bundestag lehnte im Einzelnen Anträge der SPD (17/4856), der Linksfraktion (17/3659), von Bündnis 90/Die Grünen (1772488, 17/4689) auf Empfehlung des Verkehrsausschusses (17/5091) ab. Ein gemeinsamer Antrag von SPD und Grünen, die Finanzierung und den anwohznerfreudnlichen Ausbau der Rheintalbahn sicherzustellen (17/5037), fand ebensowenig eine Mehrheit wie ein Antrag der Linken zum "Schutz vor Schienenlärm im Rheintal und anderswo" (17/5036). (kos)