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Sibylle Laurischk (FDP), Vorsitzende des Ausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend © DBT/studio kohlmeier
Die Schaffung eines Bundesfreiwilligendienstes wird von Experten grundsätzlich begrüßt. Während einer öffentlichen Anhörung des Familienausschusses am Montag, 14 März 2011, gab es jedoch zugleich Kritik an dem dazu von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (17/4803). So lehnte eine Mehrheit der Experten das Vorhaben der Regierung ab, die Organisation des Dienstes künftig dem Bundesamt für Zivildienst zuzuordnen. Als problematisch wurde zudem das Miteinander mit bisher bestehenden Freiwilligendiensten eingeschätzt. Auch die Regelung, wonach ein Kindergeldbezug während des Bundesfreiwilligendienstes nicht möglich ist, wurde bemängelt. Positiv bewertet wurde jedoch, dass der künftige Dienst offen für alle Altersgruppen sein soll. Auch die Festlegung, dass Freiwillige, die älter als 27 Jahre sind, sich wöchentlich für mindestens 20 Stunden verpflichten müssen, wurde befürwortet.
Er könne keinen Bedarf an einem „Mehr an staatlichen Regelungen“ erkennen, sagte Wolfgang Hinz-Rommel von der Diakonie Württemberg, einem Träger von Freiwilligen- und Zivildiensten. Ein großer Vorteil der Jugendfreiwilligendienste sei, dass diese „sehr bürokratiearm und wenig administrativ“ organsiert seien, betonte Hinz-Rommel. „Es gibt relativ wenig staatliche Steuerung“, sagte er. Die Dienste würden durch „regionale Träger mit umfassender gesetzlicher Kompetenz“ gewährleistet. Ein solches System ließe sich seiner Ansicht nach auch auf den Bundesfreiwilligendienst übertragen.
Der neu zu schaffende Dienst könne den Zivildienst nicht ersetzen, seine Funktion im sozialen Bereich und als Lerndienst für junge Menschen jedoch teilweise kompensieren, lautete die Einschätzung von Uwe Slüter vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend. Neben der Klärung der Kindergeldfrage müssten aus seiner Sicht die Bemühungen um eine bessere Anerkennungskultur verstärkt werden.
Der Bundesfreiwilligendienst und die bestehenden Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale Jahr oder das Freiwillige Ökologische Jahr dürften nicht konkurrierende Modelle werden, forderte Sabine Ulonska vom Malteser Hilfsdienst. Das sei derzeit durch die unterschiedliche Behandlung in Sachen Kindergeld jedoch der Fall, bemängelte sie. Grundsätzlich sei jedoch die Verdopplung des Platzangebotes für Freiwillige „eine gute Sache“. Ob es jedoch in Zukunft genug Freiwillige auch für schwere Arbeiten geben werde, sei „eine große Unbekannte“, sagte Ulonska.
Zwar sei es richtig, das freiwillige Engagement zu stärken, doch sei der Gesetzentwurf dafür „das falsche Signal“, urteilte Rupert Graf Strachwitz vom Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft. Die Regierungsvorlage trage nicht dazu bei, dass die Selbstorganisation gestärkt werde, und begünstige große Träger. Graf Strachwitz kritisierte auch die geplante Umbildung des Bundesamtes für Zivildienst zum Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Dies führe zu einer „Gängelung der Zivilgesellschaft“.
Der Zivildienst habe bisher für „billige und effektive Arbeitskräfte“ gesorgt, sagte die Sozialwissenschaftlerin Mechthild Seithe. Freiwilligendienste seien dazu nicht geeignet, da diese auch „Bildungs- und Lernorte“ sein müssten. Wenn es jedoch darum gehe, billige Arbeitskräfte für die Pflege zu gewinnen, entspreche dies nicht dem Ansatz, wonach die Arbeit an den Bedürfnissen der Freiwilligen ausgerichtet sein müsse, und sei zudem nicht arbeitsmarktneutral, wie eigentlich im Gesetzentwurf gefordert, sagte Seithe. (hau)