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Mehr als eine halbe Million Menschen erkranken in Deutschland jährlich an Infektionen, die in Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme stehen. Regierung und Opposition sind sich einig darin, dass diese Zahl verringert werden muss und haben verschiedene Gesetzentwürfe und Anträge zur Verbesserung der Krankenhaushygiene vorgelegt, die der Bundestag am Donnerstag, 24. März 2011, ab 18.25 Uhr erstmals beraten wird. Für die Debatte sind 45 Minuten vorgesehen.
Das Bundeskabinett hat im März den Entwurf eines "Gesetzes zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze" (17/5178) beschlossen. Damit sollen die Voraussetzungen für die Verbesserung der Hygienequalität in Krankenhäusern und bei medizinischen Behandlungen geschaffen werden. In dem Entwurf heißt es, derartige nosokomiale Infektionen - auch Krankenhausinfektionen genannt - verursachten den Tod von jährlich zwischen 7.500 und 15.000 Patienten.
Dabei hätten in den vergangenen Jahren vor allem gram-positive Infektionserreger wie MRSA im Vordergrund gestanden, nun träten zunehmend gram-negative Infektionserreger wie Escherichia coli auf.
Bis zu 30 Prozent der Infektionen seien nach Aussagen von Experten durch "eine bessere Einhaltung von bekannten Hygieneregeln vermeidbar". Erschwerend komme zu den Infektionen hinzu, dass viele von ihnen durch Erreger verursacht würden, die gegen Antibiotika resistent seien. Derartige Infektionen seien "schwierig zu therapieren und führten zu einer verlängerten Behandlungsdauer, einer erhöhten Sterblichkeit und höheren Behandlungskosten. Die Selektion und Weiterverbreitung von resistenten Krankenhauserregern sei insbesondere durch eine "sachgerechte Verordnung von Antibiotika vermeidbar".
Die Bundesregierung will daher die Bundesländer dazu verpflichten, auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes Verordnungen zur Infektionshygiene und zur Prävention von resistenten Krankenhauserregern in medizinischen Einrichtungen zu erlassen.
Damit soll der Standard der Länderverordnungen vereinheitlicht werden. Bislang habe nur ein Teil der Länder derartige Krankenhaushygieneverordnungen erlassen. Außerdem soll am Robert-Koch-Institut (RKI) eine "Kommission Antiinfektiva, Resistenz und Therapie" eingerichtet werden, die "Empfehlungen mit allgemeinen Grundsätzen für Diagnostik und Antibiotika-Therapie" erstellen soll.
Außerdem will die Regierung den Gemeinsamen Bundesausschuss dazu verpflichten, in seinen Richtlinien zur Qualitätssicherung Maßnahmen zur Verbesserung der Hygienequalität vorzugeben. Dabei geht es vor allem um Kriterien zur Messung der Hygienequalität, die es erlauben sollen, die Hygienesituation in Krankenhäusern zu bewerten und zu vergleichen.
In die Maßnahmen zur Bekämpfung multiresistenter Erreger soll nach dem Willen der Regierung auch die vertragsärztliche Versorgung einbezogen werden. Dafür soll es eine auf zunächst zwei Jahre befristete "Vergütungsregelung für die ambulante Therapie (Sanierung) von MRSA-besiedelten und MRSA-infizierten Patienten" geben.
Während Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) den Gesetzentwurf der Regierung in einer Stellungnahme als "Meilenstein auf dem Weg zu besseren Hygienestandards" bezeichnete, sieht die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darin ein "Placebo". Die Grünen haben in einem eigenen Antrag (17/5203) gefordert, die Prävention gegen Krankenhausinfektionen zu verbessern.
In einer Pressemitteilung erklärte der Obmann der Fraktion im Gesundheitsausschuss Harald Terpe, die Regierung ergreife keine konkreten Maßnahmen, sonder schiebe die Verantwortung auf die Bundesländer ab. Die Grünen werden in der Debatte einen eigenen Antrag vorlegen. Sie wollen etwa Krankenhäuser vor der Aufnahme von Risikopatienten zu einem Screening auf MRSA und andere resistente Erreger verpflichten.
Dafür ist auch die Linksfraktion. In einem Antrag (17/4489) fordert sie die Bundesregierung zudem auf, sich für bundeseinheitliche, wirksame Sanktionen einzusetzen, die die Gesundheitsämter bei Verstößen gegen die RKI-Richtlinien verhängen sollen. Es müsse außerdem eine Meldepflicht für Infektionen mit multiresistenten Keimen eingeführt und die Krankenhäusern mit "ausreichend personellen Kapazitäten ausgestattet" werden.
Die Krankenhäuser sollen nach dem Willen der Fraktion die Betreuung durch Krankenhaushygieniker und Hygienefachkräfte sicherstellen. In der ambulanten und stationären Versorgung gehe es darum, Antibiotika "kontrolliert" einzusetzen, um neue Resistenzbildungen zu minimieren. Dafür solle eine "geeignete Koordinierungsstelle" etwa am RKI Leitlinien zur richtigen Antibiotikaanwendung erstellen. Die Vorbilder Dänemark und Niederlande hätten "eindrucksvoll" gezeigt, dass eine "national einheitlich durchgesetzte Präventionsstrategie" die Ausbreitung von MRSA "drastisch" reduzieren könne. (suk)