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Auch als einen Erfolg des Europarats stuft Joachim Hörster im Interview ein, dass sich immer mehr US-Bundesstaaten von der Todesstrafe verabschieden. Forderungen der Abgeordneten des Staatenbunds an die USA und Japan, wegen ihres Beobachterstatus beim Europarat dessen Leitlinien zu beachten und die Kapitalstrafe abzuschaffen, seien keine "Appelle, die wirkungslos verpuffen". Diese Thematik wird während der Frühjahrssession der Parlamentarischen Versammlung des Europarates erörtert, die vom 11. bis 15. April 2011 in Straßburg stattfindet. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Hörster leitet die Bundestagsdelegation zur Parlamentarischen Versammlung. Das Interview im Wortlaut:
Nicht zum ersten Mal werden die Abgeordneten an die USA und Japan appellieren, als Beobachterstaaten beim Europarat dessen Leitlinien zu beachten und die Todesstrafe abzuschaffen. Indes scheinen sich Washington und Tokio durch solche Forderungen nicht beeindrucken zu lassen.
Das sehe ich zumindest im Fall der USA nicht so. Dort wird über dieses Problem von Bundesstaat zu Bundesstaat diskutiert. Der Trend ist eindeutig: Immer mehr US-Staaten eliminieren die Todesstrafe oder verhängen ein Moratorium bei Hinrichtungen. Auf diese Debatten nimmt der Europarat durchaus Einfluss. Ich denke nicht, dass die Parlamentarier des Staatenbunds nur Appelle verabschieden, die wirkungslos verpuffen.
Müssten die Abgeordneten den USA und Japan nicht mit Sanktionen wie dem Ausschluss von Sitzungen oder der Aberkennung des Beobachterstatus drohen? Weißrussland kann ja nicht zuletzt deswegen beim Europarat kein Mitglied werden, weil dort die Todesstrafe praktiziert wird.
Den USA und Japan wurde die Beobachterrolle in Straßburg zu einem Zeitpunkt zuerkannt, als die Parlamentarische Versammlung diesen Status noch nicht von der Eliminierung der Todesstrafe oder einem Moratorium bei Exekutionen abhängig gemacht hat. Diese Geschäftsgrundlage sollte man nicht im Nachhinein verändern, das bringt nichts, die Einflussnahme auf die Diskussionen in den USA und Japan ist erfolgversprechender. Man sollte dabei nicht verkennen, dass dort ein erheblicher Teil der Bevölkerung für die Todesstrafe ist. Letztere ist im Fall Weißrussland nur ein Aspekt für die Verweigerung eines Beobachterstatus in Straßburg. Wesentlich ist die politische Lage insgesamt in diesem Land, wo keine Fortschritte Richtung Demokratie und Rechtsstaat erkennbar sind.
Hinter dem jahrelangen Einsatz des Europarats gegen die Todesstrafe steht vor allem die Liechtensteiner Abgeordnete Renate Wohlwend. Ist das ein bewundernswertes Engagement oder hat das im Falle von Washington und Tokio etwas mit dem vergeblichen Kampf von David gegen Goliath zu tun?
Mit Unterstützung der Parlamentarischen Versammlung engagiert sich Renate Wohlwend energisch für das Ende der Todesstrafe. Die Abgeordneten des Europarats sind sehr froh über diesen Einsatz, Wohlwend agiert als treibende Kraft, die bei diesem heiklen Thema immer am Ball ist. Auch gegenüber den USA und Japan ist ihre Politik keineswegs erfolglos.
Die Parlamentarier werden über die Forderung an die Mitgliedsnationen abstimmen, das Wahlalter auf 16 Jahre herabzusetzen. Geht den Europarat dieses Thema überhaupt etwas an? Sollten in diesem Punkt die einzelnen Länder nicht autonom entscheiden können?
Diese Frage geht den Staatenbund in der Tat nichts an, das ist eine innenpolitische Angelegenheit der Europaratsnationen, die sich dabei an ihrer jeweiligen politischen Kultur orientieren. Ich selbst bin dafür, das Wahlalter an die Volljährigkeit zu knüpfen, die in Deutschland bei 18 Jahren liegt. 16-Jährige haben nicht den vollen Überblick über das gesellschaftliche und damit auch politische Leben. Sie verfügen noch nicht über die volle Geschäftsfähigkeit, auch gilt für diese Altersgruppe das spezielle Jugendstrafrecht.
Jüngst hat der Menschenrechtsgerichtshof entschieden, dass die Menschenrechtscharta nicht zur Entfernung religiöser Symbole wie des Kreuzes aus staatlichen Schulen zwingt und dass die Europarat-Staaten über diese Frage autonom befinden können. Ein Beispiel für eine sinnvolle Selbstbeschränkung Straßburgs?
Ich begrüße diesen Spruch ausdrücklich. Beim Verhältnis von Staat und Kirche sind die einzelnen Länder von unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen und Traditionen geprägt. In die Entscheidung über religiöse Symbole in Klassenzimmern als innerstaatliche Angelegenheit darf Straßburg nicht hineinregieren. Das ist ein Beispiel für gelebten Föderalismus auf dem Kontinent. In diesem Sinne sollte das Kruzifix-Urteil beim Europarat wie bei dessen Gerichtshof auch bei anderen Themen Schule machen.
Auf der Tagesordnung steht auch Kritik an der Innenpolitik Georgiens. Die ungelöste Frage der Abtrennung Abchasiens und Südossetiens wurde hingegen schon lange nicht mehr debattiert.
Der Europarat hat anfangs mit viel Sympathie die Politik von Präsident Saakaschwili begrüßt. Wegen der inneren Entwicklung Georgiens macht sich in Straßburg inzwischen jedoch eine gewisse Enttäuschung breit. So steht der Vorwurf im Raum, es gebe politische Gefangene, was Tiflis bestreitet. Gegenüber den Medien wird zwar keine offene Zensur praktiziert, doch nehmen Präsident und Regierung Einfluss auf die Presse. Dem Justizsystem fehlt die Unabhängigkeit. Mit solchen Problemen befassen sich die Europarat-Abgeordneten zu Recht. Leider ist aber die von Russland betriebene Sezession Abchasiens und Südossetiens in Straßburg etwas in den Hintergrund geraten. Das muss sich ändern, wir dürfen Moskau nicht aus der Verantwortung entlassen.
(kos)