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60 Jahre ist es her: Am 10. April 1951 hat der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit einen Meilenstein der Arbeitnehmermitbestimmung verabschiedet - das "Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie". Diesem Gesetz, das unter anderem die paritätische Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten der Kapitalgesellschaften der Montanindustrie regelt, waren heftige Auseinandersetzungen nicht nur im Parlament vorausgegangen. Bereits der Gesetzentwurf war in seiner Entstehung umstritten. Zu Beginn des Jahres 1951 drohte der neu konstituierten Bundesrepublik ein Generalstreik in der Montanindustrie. Im Streit um die Mitbestimmung hatte sie ihre erste Bewährungsprobe zu bestehen.
Als die Bundesregierung dem Bundestag am 30. Januar 1951 den Entwurf eines Gesetzes über die Arbeitnehmermitbestimmung in der Montanindustrie vorlegte, war dies nicht der erste Gesetzentwurf des Bundeskabinetts zur Regelung der Arbeitnehmerbeteiligung. Bereits seit Sommer 1950 hatten die Gremien des Bundestages über Gesetzgebungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und einen Antrag der Bundesregierung beraten.
"Nur besondere Umstände" - wie es der Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) in der ersten Lesung des Gesetzes im Bundestag am 14. Februar 1951 formulierte, konnten es also rechtfertigen, dass die Bundesregierung dem Bundestag am 30. Januar 1951 einen weiteren Gesetzentwurf vorlegte, der die Arbeitnehmerbeteiligung zudem auch nur für einen Teilbereich der Industrie, die Kohlenindustrie und die eisenschaffende Industrie, regelte.
Dass es notwendig sei, die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern neu zu regeln, hatte Adenauer bereits in seiner Regierungserklärung vom 20. September 1949 angekündigt. Insgesamt bevorzugte die Koalition bestehend aus CDU, CSU, FDP und Deutscher Partei (DP) aber eine Einigung der Sozialpartner statt "staatlicher Bevormundung".
Für die Eisen- und Stahlindustrie unter alliierter Aufsicht in der britischen Besatzungszone galt eine weitgehende Mitbestimmung der Arbeitnehmer bereits seit 1947.
Hier hatten sich Gewerkschaften und Arbeitgeber vertraglich darauf geeinigt, die Aufsichtsräte paritätisch mit fünf Arbeitgeber- und fünf Arbeitnehmervertretern (zwei Betriebsangehörige und drei externe Gewerkschaftsvertreter) zu besetzen. Diese paritätische Mitbestimmung wollten die Gewerkschaften für die gesamte Großindustrie in der Bundesrepublik Deutschland durchsetzen.
Nachdem eine Einigung der Sozialpartner im Sommer 1950 endgültig gescheitert war, forderten die Gewerkschaften, eine der bisherigen Mitbestimmung entsprechende Regelung gesetzlich zu verankern.
Ein von der Bundesregierung geplantes Gesetz sah allerdings vor, die Aufsichtsräte lediglich zu einem Drittel mit Arbeitnehmervertretern zu besetzen. Die Gewerkschaften drohten daraufhin mit einem Generalstreikstreik.
Adenauer hatte sich in einem Brief am 14. Dezember 1950 an den DGB-Vorsitzenden Hans Böckler gegen eine "derartige Beeinflussung des Parlaments" ausgesprochen. Um einen solchen "Streik gegen das Parlament" abzuwenden, einigten sich Adenauer und Böckler darauf, sich auf eine entsprechende Mitbestimmungsregelung für den Montanbereich zu beschränken. Gemeinsam erzielten sie am 25. Januar 1951 eine Einigung über die paritätische Mitbestimmung zwischen den Sozialpartnern im Montanbereich.
Das Ergebnis dieser Einigung wurde von den Verhandlungspartnern in einer Richtlinie formuliert, ein entsprechender Gesetzentwurf am 30. Januar vom Bundeskabinett "zur Kenntnis genommen" und "einer informatorischen Mitteilung an den Bundestag zugestimmt". Darauf hin titele die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 31. Januar: "Kabinett nur der Notar der Mitbestimmung?"
In der ersten Lesung des Gesetzentwurfs im Bundestag am 14. Februar 1951 äußerte sich die Mehrzahl der Parlamentarier empört über eine solche Beeinflussung des Parlaments und lehnte einen solchen Eingriff in die Freiheit des Parlaments strikt ab.
Eine Streikandrohung zur Erzwingung von Gesetzen untergrabe die Staatsautorität und gefährde den Aufbau einer echten Demokratie, so der Tenor der Abgeordneten. Die Freiheit des Parlaments, über diese Frage zu entscheiden, dürfe nicht eingeschränkt werden, forderte der Abgeordnete der CDU Anton Sabel.
Nicht weniger als die Aushöhlung der Demokratie, die Wegnahme der Entschlussfreiheit des Parlaments sei das Zustandekommen dieser Gesetzesvorlage, so der FDP-Abgeordnete Max Becker. Die Unabhängigkeit des Parlaments sei das Rückgrat einer gesunden Demokratie unterstützte der Abgeordnete Hans-Joachim von Merkatz von der DP diese Haltung.
Nach Ansicht der Bayernpartei (BP) war das Verhalten der Gewerkschaften schlicht verhängnisvoll. Ein solcher Eingriff in die demokratische Parlamentsvertretung schwäche die Autorität des Parlaments. Die Abgeordneten würden damit zu Ja-Sagern deklariert, kritisierte der Abgeordnete Gebhard Seelos.
Unverständnis über die Empörung äußerte die SPD. Man müsse sich doch im Klaren darüber gewesen sein, dass die Gewerkschaften niemals auf die bestehenden Rechte verzichten und mit allen Mitteln versuchen würden, dieselben Rechte zu erreichen, verteidigte der SPD-Abgeordnete Heinrich Imig das Vorgehen der Gewerkschaften.
Die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) hingegen plädierte für eine Fortsetzung des Kampfes um das Mitbestimmungsrecht durch die Arbeiter und Angestellten selbst.
Trotz der Begleitumstände begrüßte Adenauer diesen Gesetzentwurf und die Einigung der Sozialpartner angesichts des großen Fortschritts "auf dem Wege zur sozialen Befriedung des deutschen Volkes".
Heftig gestritten wurde im weiteren Verlauf der parlamentarischen Verhandlungen vor allem um die Frage der gewerkschaftlichen Beteiligung an der Unternehmensmitbestimmung.
Mit Ausnahme der SPD lehnten die Abgeordneten einen Einfluss der Gewerkschaften auf die Entsendung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten einhellig ab. Nur Belegschaften, nicht aber betriebsfremde Personen sollten ein Recht auf Mitbestimmung haben.
"Wir wollen nicht, dass betriebsfremde Personen in den Betrieben etwas zu sagen haben", erläuterte Albert Walter die Haltung der DP. Befürchtet wurden unter anderem Machtkämpfe zum Schaden der Industrie.
Während die KPD den Gewerkschaften und der SPD vorwarf, sie hätten sich in den Dienst der Wirtschaft gestellt, forderten auch sie, dass die Belegschaften die Träger der Mitbestimmung selber zu bestimmen und zu wählen haben.
FDP und DP, die Partner von CDU und CSU im Regierungsbündnis, lehnten den Gesetzentwurf und eine weitere Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen generell ab. Ihrer Ansicht nach war der Gesetzentwurf nicht nur verfassungswidrig, beide kritisierten auch die ihrer Meinung nach durch das Gesetz geschaffene Monopolisierung der Spitzenorganisationen.
Vor allem aber sahen sie in der paritätischen Mitbestimmung eine rechtswidrige Teilenteignung. Einen solchen Angriff auf das Eigentum monierten auch die Vertreter der BP.
Auch in CDU und CSU gab es Vorbehalte gegen den Regierungsentwurf. Der Unionsabgeordnete Anton Sabel hatte eine ernste Überprüfung des Entwurfs gefordert. Diskutiert werden müsse vor allem darüber, wer die Mitglieder in den Aufsichtsrat entsendet.
Der Abgeordnete der CSU Johannes Semler sprach sich gegen den Einfluss der Gewerkschaften aus. Die CDU präferierte eine Lösung, in der die Belegschaft ein stärkeres Gewicht hat. Mehrfach musste Adenauer in den Ausschuss- und Fraktionssitzungen dafür werben, den Gesetzentwurf in der eingebrachten Form zu verabschieden und die von den Sozialpartnern vereinbarten Richtlinien nicht zu verletzen.
Schließlich einigten sich CDU und SPD auf eine Zusammenarbeit, um die zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern der Montanindustrie vereinbarte Richtlinie zur Arbeitnehmermitbestimmung umzusetzen.
Besonders die Diskussionen bezüglich der Regelung des sogenannten elften Mannes, der in Pattsituationen den Ausschlag geben konnte, hatten eine Einigung schwierig gemacht. Gegen die Stimmen von FDP und DP wurde am 10. April 1951 der Gesetzentwurf nach abschließender Beratung angenommen. (klz)