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Premiere im Deutschen Bundestag: Erstmals berieten das deutsche Parlament und die französische Nationalversammlung am Donnerstag gleichzeitig dasselbe Thema. "Es handelt sich um eine grenzüberschreitende deutsch-französische Parlamentarier-Initiative in einer äußerst wichtigen Frage“, freute sich der SPD-Finanzexperte Joachim Poß. Die "äußerst wichtige Frage“ ist die Einführung einer internationalen oder wenigstens europäischen Finanztransaktionssteuer auf alle Umsätze von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, für die sich die Regierungen Deutschlands und Frankreichs bereits 2010 als eine Konsequenz aus der Finanzkrise ausgesprochen hatten. Eine Realisierung blieb jedoch bisher aus.
Dafür warb jetzt Poß: Die Initiative der SPD-Fraktion zur Einführung der Finanztransaktionssteuer (17/6086) verdiene breite Unterstützung, "weil sie ganz konkret zeigt, dass Deutsche und Franzosen an einem Strang ziehen und zusammen ein gemeinsames Interesse verfolgen. Ich finde, so sollte europäische Demokratie ablaufen.“
Bisher habe es nur Sonntagsreden zur Einführung der Finanztransaktionssteuer gegeben, kritisierte Poß. Damit wolle man sich nicht mehr zufriedengeben. Die Menschen würden unruhiger, weil es auf der Ebene der Regierungen nicht weitergehe.
Die Bundesregierung solle so mutig sein, einen ersten Schritt zu tun und die Steuer zusammen mit Frankreich und anderen Ländern auf den Weg zu bringen.
Die deutsche Regierung trete wegen der Meinungsunterschiede in der Koalition schwankend und unklar auf: "Hier zeigt es sich, dass Führung fehlt“, klagte Poß.
Der CSU-Finanzexperte Dr. Hans Michelbach lehnte den SPD-Vorstoß ab, auch wenn er sich die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer vorstellen konnte. Eine bessere Lenkungswirkung und eine Beteiligung des Finanzsektors seien unter bestimmten Bedingungen denkbar: "Das muss intensiv geprüft werden und zielführend international gestaltet sein.“
Die Besteuerung des Finanzmarktes müsse "wettbewerbsneutral, wirksam, unbürokratisch, umsetzbar und auch wachstumsfreundlich“ erreicht werden. Was die SPD vorgelegt habe, sei jedoch nur ein Schaufensterantrag, weil das Initiativrecht bei der EU-Kommission liege.
In diese Kerbe schlug auch der Vorsitzende des Finanzausschusses, Dr. Volker Wissing (FDP). Er meinte, der SPD-Antrag habe "autosuggestiven Charakter“, weil die Sozialdemokraten selbst nicht mehr an das Thema glaubten. Kein SPD-Finanzminister habe je diese immer wieder geforderte Steuer realisiert, meinte Wissing und zog daraus den Schluss, die SPD mache sich mit diesem Verhalten "schlichtweg unglaubwürdig“.
Zuvor hatte er den Sozialdemokraten vorgeworfen, von falschen Prämissen auszugehen. So sei die Behauptung falsch, der Finanzsektor müsse keinen Beitrag zur Überwindung der Krise leisten.
Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen signalisierten Unterstützung für das SPD-Projekt. Seit 2009 höre er im Bundestag von der Bundesregierung, die Finanzbranche müsse beteiligt werden, passiert sei nie etwas, klagte Richard Pitterle (Die Linke).
Überall müsse Umsatzsteuer gezahlt werden, nur im Finanzbereich nicht. An der Frankfurter Derivate-Börse würden Umsätze gemacht, die 60 Mal so hoch seien wie das deutsche Bruttoinlandsprodukt. Dafür werde kein Cent Steuern gezahlt. "Das ist doch ein Skandal“, sagte Pitterle.
Für Bündnis 90/Die Grünen steht fest, dass die Bundesregierung wegen des Widerstands der FDP bei der Finanztransaktionssteuer nicht vorankommt. "Wir brauchen keinen parlamentarischen Arm der Finanzbranche hier“, rief der Grünen-Finanzexperte Dr. Gerhard Schick.
Seiner Ansicht nach ist der Finanzmarkt aufgebläht. Untersuchungen hätten ergeben, dass dies der Wirtschaft eines Landes schade. Deshalb brauche man eine Schuldenbremse für Banken und eine Besteuerung von Umsätzen auf den Finanzmärkten. Es sei falsch, dass auf jedes Brötchen Umsatzsteuer erhoben werde und auf Finanzprodukte nicht.
In dem Antrag der SPD-Fraktion wird die Bundesregierung aufgefordert, zusammen mit den europäischen Partnern eine Gesetzesinitiative zur Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer vorzulegen. Danach solle jede Transaktion mit einem Steuersatz von 0,05 Prozent belegt werden.
Erfasst werden sollen alle börslichen und außerbörslichen Transaktionen von Wertpapieren, Anleihen und Derivaten sowie alle Devisentransaktionen. Das Aufkommen solle in die jeweiligen nationalen Haushalte fließen.
Zur Begründung ihrer Forderung schreibt die SPD-Fraktion, Transaktionen auf den Finanzmärkten würden derzeit nicht besteuert. Damit leiste der Finanzsektor keinen seiner Bedeutung entsprechenden Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens.
Gerade die Finanzmarktakteure hätten in der Wirtschaftskrise jedoch von den umfangreichen Rettungsmaßnahmen des Staates profitiert. Es sei somit ein "Gebot der Gerechtigkeit“, den Finanzsektor durch die Erhebung der neuen Steuer höher zu besteuern.
Die SPD-Fraktion verspricht sich von der Finanztransaktionssteuer nicht nur zusätzliche Einnahmen, sondern auch eine erhebliche Lenkungswirkung: "Unerwünschte Aktivitäten werden deutlich zurückgedrängt, Spekulationen beschränkt und somit die Größe des aufgeblähten Finanzsektors insgesamt verringert.“
Da der niedrige Steuersatz vor allem Transaktionen treffe, bei denen mit hoher Frequenz Finanzprodukte gekauft und verkauft würden, wirke die Steuer vor allem kurzfristigen und rein spekulativen Transaktionen entgegen. Die SPD-Fraktion verweist in ihrem Antrag darauf, dass sich Bundesregierung und französische Regierung gemeinsam für die Einführung einer solchen Steuer ausgesprochen hätten. Der Bundestag überwies die Vorlage zur weiteren Beratung an die Ausschüsse. (hle)