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Der Bundestag hat am Freitag, 1. Juli 2011, und am Donnerstag, 30. Juni, folgende Beschlüsse gefasst, zum Teil ohne vorherige abschließende Aussprache:
Atomausstieg: Die Nutzung der Kernenergie zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität soll zeitlich gestaffelt bis Ende 2022 beendet werden. Dies hat der Bundestag am 30. Juni beschlossen, als er die gleichlautenden Gesetzentwürfe von CDU/CSU und FDP (17/6070) zur Änderung des Atomgesetzes unverändert auf Empfehlung des Umweltausschusses (17/6361) annahm. 513 Abgeordnete stimmten für, 79 Abgeordnete gegen den Atomausstieg, acht Abgeordnete enthielten sich. Der gleichlautende Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/6246) wurde für erledigt erklärt. Bei Enthaltung von Linksfraktion und SPD lehnte der Bundestag einen Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/6368) dazu ab. Unter anderem hatte die Fraktion gefordert, die Sicherheit der zunächst weiterlaufenden Atomkraftwerke deutlich zu verbessern. Acht ältere Atomkraftwerke sollten zum 15. Juni 2011 endgültig ihre Betriebserlaubnis verlieren, hatte die SPD in einem Gesetzentwurf für eine beschleunigte Stilllegung von Atomkraftwerken (17/5179) gefordert. Bei Enthaltung der Linksfraktion stimmten nur die Grünen mit der SPD für diese Initiative. Die vorzeitige Stilllegung eines Atomkraftwerks soll nicht den längeren Betrieb eines anderen Atomkraftwerks ermöglichen, hatte Die Linke in einem Gesetzentwurf zur Änderung des Atomgesetzes (17/5472) verlangt. Alle anderen Fraktionen lehnten dieses Anliegen ab. Den Atomkonsens des Jahres 2000 wiederherzustellen, hatten Bündnis 90/die Grünen in einem Gesetzentwurf (17/5035) verlangt. Union, FDP und Linksfraktion lehnten ihn ab, die SPD enthielt sich. In einem weiteren Gesetzentwurf (17/5180) hatten die Grünen gefordert, den sieben ältesten Atomkraftwerke und der Anlage Krümmel die Betriebserlaubnis zu entziehen. Die Linke unterstützte diese Initiative, die SPD enthielt sich, Union und FDP lehnten sie ab. Für alle Kraftwerke einen festen Endzeitpunkt festzulegen und den Atomausstieg 2017 zu vollenden, hatte ein weiterer Gesetzentwurf der Grünen (17/5931) zum Ziel. Die Koalition lehnte ihn ab, während sich SPD und Linke enthielten. Keine Mehrheit fand auch ein Antrag der Linken (17/5478), die sieben ältesten Meiler und Krümmel sofort stillzulegen. Die Grünen unterstützten dies, die SPD enthielt sich, die Koalitionsfraktionen lehnten ab. Auf einen Atomausstieg bis Ende 2014 zielte ein weiterer Antrag der Linken (17/6092) ab, zu dem sich die Grünen enthielten, während ihn die anderen Fraktionen ablehnten. Nach dem Willen der Grünen sollte ein unabhängiges Institut mit der Prüfung der Versorgungssicherheit für die nächsten zwei Jahre beauftragt werden, hatten die Fraktion in einem Antrag (17/6109) gefordert, den SPD und Linke unterstützten, die Koalition aber ablehnte. In namentlicher Abstimmung hat der Bundestag schließlich einen Gesetzentwurf der Linksfraktion (17/5374) abgelehnt, der darauf abzielte, den Ausstieg aus der Atomenergie im Grundgesetz zu verankern. 461 Abgeordnete stimmten gegen, 71 für das Anliegen, 67 enthielten sich. Zuvor hatte bereits der Innenausschuss die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen (17/6349). Die Linke wollte die Nutzung von Atomenergie zur Erzeugung von Elektrizität im Grundgesetz für verfassungswidrig erklären und den "unumkehrbaren Ausstieg“ im Grundgesetz festschreiben.
Energiewende: Der Anteil der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien soll kontinuierlich erhöht werden und bis 2020 auf mindestens 35 Prozent, bis 2030 auf mindestens 50 Prozent, bis 2040 auf mindestens 65 Prozent und bis 2050 auf mindestens 80 Prozent steigen. Dies beschloss der Bundestag am 30. Juni, als er den Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (17/6071) in der vom Umweltausschuss geänderten Fassung (17/6363) mit Koalitionsmehrheit gegen das Votum der Opposition annahm. Der gleichlautende Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/6247) wurde für erledigt erklärt. Der Bundestag lehnte einen Entschließungsantrag der Linksfraktion (17/6369) mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen ab, wonach der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis 2020 auf mindestens 45 Prozent ansteigen sollte. Keine Mehrheit fand ein Antrag der SPD, aus der Atomenergie auszusteigen, die Energieeffizienz voranzubringen, Energienetze und -speicher auszubauen, den Vorrang für erneuerbare Energien und Wettbewerb sicherzustellen sowie die Klimaschutzziele umzusetzen (17/5182). Die Grünen unterstützten die SPD, Die Linke enthielt sich. Die Grünen hatten die Bundesregierung in einem Antrag (17/5202) aufgefordert, den Atomausstieg bis spätestens 2017 zu vollenden und ein Sofortprogramm für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien aufzulegen. Die SPD stimmte mit den Grünen, Die Linke enthielt sich, Union und FDP lehnten den Antrag ab. Ein Antrag der SPD zum zehnjährigen Bestehen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (17/778) fand auf Empfehlung des Umweltausschusses (17/4953) keine Zustimmung, obwohl die Opposition geschlossen dafür stimmte. Unter anderem hatte die Fraktion verlangt, die Netz- und Marktintegration der erneuerbaren Energien mit wirksamen Anreizmechanismen zu unterstützen. Auch der Antrag der Grünen (17/799), Rahmenbedingungen zu setzen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, wurde mit Koalitionsmehrheit abgelehnt. SPD und Linke enthielten sich. Schließlich lehnte der Bundestag in namentlicher Abstimmung einen Antrag der SPD-Fraktion (17/6292) ab, die Energiewende "zukunftsfähig“ zu gestalten. 320 Abgeordnete stimmten dagegen, 140 dafür, 136 enthielten sich. Die SPD hatte die Regierung aufgefordert, eine weitere Novelle des Atomgesetzes vorzulegen, um ein regelmäßiges Monitoring zur Beschleunigung des Atomausstiegs festzulegen. Auch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, das Energiewirtschaftsgesetz und weitere, gerade erst beschlossene Gesetze sollten novelliert werden, um die aus Sicht der SPD zahlreichen Mängel der jetzigen gesetzlichen Änderungen zu beseitigen.
Energiewirtschaftsrecht: Angenommen hat der Bundestag am 30. Juni einen Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (17/6072) in der vom Wirtschaftsausschuss geänderten Fassung (17/6365). Linke und Grüne stimmten dagegen, die SPD enthielt sich. Ein gleichlautender Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/6248) wurde für erledigt erklärt. Ziel des Gesetzes ist es unter anderem, die Netzgesellschaften durch Entflechtungsregelungen für Transportnetze zu stärken, eine gemeinsame Netzausbauplanung aller Netzbetreiber herbeizuführen und die Fristen beim Wechsel des Stromlieferanten für die Verbraucher zu kürzen. Ein Atomkraftwerk soll im Reservebetrieb verbleiben. Abgelehnt wurde ein Antrag der SPD, die Anreiz- und Förderinstrumente für Fotovoltaik, Geothermie, Kraft-Wärme-Kopplung, Energieeffizienz und Energieforschung zu erhalten und auszubauen (17/5181). Die Grünen unterstützten die SPD, Die Linke enthielt sich. Die SPD scheiterte mit einem weiteren Antrag (17/5481), der ihr "Programm für eine nachhaltige, bezahlbare und sichere Energieversorgung“ zur Debatte um Atomausstieg und Energiewende enthält. Alle anderen Fraktionen lehnten dieses Programm ab. Die Linke hatte in einem Antrag gefordert, eine staatliche Strompreisaufsicht einzuführen, Preiserhöhungen bis dahin auszuschließen, Sozialtarife einzuführen und Stromsperren bei Zahlungsunfähigkeit zu verbieten (17/5760). Auch hier stimmten alle anderen Fraktionen dagegen.
Ausbau der Energienetze: Die Bundesnetzagentur soll bei Höchstspannungsleitungen von grenzüberschreitender oder länderübergreifender Bedeutung die Raumverträglichkeit bundeseinheitlich prüfen und in bestimmten Fällen die Planfeststellung übernehmen. Dies beschloss der Bundestag am 30. Juni, als er den Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze (17/6073) in der vom Wirtschaftsausschuss geänderten Fassung (17/6366). 316 Abgeordnete votierten für den Entwurf, 214 dagegen, 71 enthielten sich. Der gleichlautende Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/6249) wurde für erledigt erklärt. Geregelt wird im Gesetz auch die Anbindung von Offshore-Windenergieanlagen im Meer und ausländischer Stromnetze. Bei Enthaltung der Grünen abgelehnt wurde ein Entschließungsantrag der Linksfraktion (17/6370), in dem unter anderem ein Masterplan für den Um- und Ausbau der Energieinfrastruktur in Deutschland gefordert wurde. Keine Mehrheit fand auch ein Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/5762), der Maßnahmen zum Aus- und Umbau der Stromnetze, zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung und zur Verfahrensbeschleunigung enthielt. Union, SPD und FDP lehnten ihn ab, Die Linke unterstützte ihn.
Energieeffizienz: Gegen das Votum der Opposition hat der Bundestag am 30. Juni einen Antrag der SPD (17/4528) abgelehnt, in dem die Bundesregierung aufgefordert worden war, einen Energieeffizienzaktionsplan und ein Gesetz zur Effizienzsteigerung und Energieeinsparung vorzulegen. Die nationalen Fördersysteme sollten auf EU-Ebene gestärkt werden und öffentliche Körperschaften eine Vorbildrolle übernehmen. Der Bundestag schloss sich bei seinem Votum einer Empfehlung des Wirtschaftsausschusses (17/4785) an. Auf Empfehlung des Verkehrs- und Bauausschusses (17/5225) hat der Bundestag am 30. Juni einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/4017) abgelehnt, ungebundene EU-Mittel aus dem EU-Konjunkturpaket für mehr Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu nutzen. Union, SPD und FDP lehnten den Antrag ab, Die Linke unterstützte das Anliegen der Grünen.
Gebäudesanierung: Gegen die Stimmen von SPD und Linksfraktion bei Enthaltung der Grünen hat der Bundestag am 30. Juni den Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden (17/6074) in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung (17/6358) angenommen. Der gleichlautende Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/6251) wurde mit dem Koalitionsentwurf zusammengeführt. Die energetische Sanierung von Gebäuden, die vor 1995 gebaut wurden, soll steuerlich gefördert werden. Die Förderung stellt auf das Ergebnis der Baumaßnahmen ab und setzt voraus, dass dadurch der Energiebedarf erheblich verringert wird, was durch die Bescheinigung eines Sachverständigen nachgewiesen werden muss. Die Aufwendungen können über zehn Jahre abgeschrieben werden.
Sondervermögen "Energie- und Klimafonds": Gegen das Votum der Oppositionsfraktionen hat der Bundestag am 30. Juni den inhaltsgleichen und zusammengeführten Gesetzentwürfen von CDU/CSU und FDP (17/6075) und Bundesregierung (17/6252 neu) zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds“ in der vom Haushaltsausschuss geänderten Fassung (17/6356) zugestimmt. Damit werden dem im Zusammenhang mit der Laufzeitverlängerung im Herbst 2010 eingerichteten Energie- und Klimafonds ab 2012 alle Einnahmen aus dem Emissionshandel für den beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie, für die Förderung einer umweltschonenden, zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung und für Maßnahmen des internationalen Klima- und Umweltschutzes zugeführt. Im Wirtschaftsplan des Fonds werden künftig auch die Programmausgaben zur Entwicklung des Zukunftsmarktes Elektromobilität veranschlagt. Sie sind ab 2014 auf 300 Millionen Euro begrenzt.
Klimaschutz in Städten und Gemeinden: Gegen das Votum von Bündnis 90/Die Grünen hat der Bundestag am 30. Juni die gleichlautenden Gesetzentwürfe von CDU/CSU und FDP (17/6076) und der Bundesregierung (17/6253) zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden zusammengeführt und in der vom Verkehrs- und Bauausschuss geänderten Fassung (17/6357) angenommen. Das Gesetz enthält eine Klimaschutzklausel, die die Festsetzungsmöglichkeiten zum Einsatz und zur Nutzung erneuerbarer Energien sowie von Energien aus Kraft-Wärme-Kopplung erweitert. Ebenso werden durch die Klausel Sonderregelungen für die Windenergienutzung eingefügt und die Nutzung vor allem von Fotovoltaikanlagen an oder auf Gebäuden erleichtert.
Offshore-Windenergieanlagen: Bei Enthaltung der Linksfraktion hat der Bundestag am 30. Juni die gleichlautenden Gesetzentwürfe von CDU/CSU und FDP (17/6077) und der Bundesregierung (17/6254) zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften zusammengeführt und in der vom Verkehrs- und Bauausschuss geänderten Fassung (17/6364) verabschiedet. Geändert wird das Seeaufgabengesetz, das eine Ermächtigungsgrundlage für die im Energiekonzept der Bundesregierung von 2010 vorgesehene Änderung der Seeanlagenverordnung schafft. Die Seeanlagenverordnung soll mit dem Ziel geändert werden, Planungsverfahren für Offshore-Windenergieanlagen beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zu bündeln. Damit sollen Windenergieanlagen vor der Küste zügiger geplant werden können.
Risikomanagement bei Lebensmittelkrisen: Ohne abschließende Aussprache abgelehnt hat der Bundestag am 30. Juni einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/6337), wonach die Bundesregierung einen Bericht zum Risikomanagement bei Lebensmittelkrisen vorlegen sollte. Er folgte damit einer Empfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (17/6337). Die SPD unterstützte den Antrag, Die Linke enthielt sich, Union und FDP lehnten ihn ab. Die Grünen wollten bis Ende Oktober einen Bericht über die Erfahrungen der Bundesregierung mit dem Risikomanagement im Verbraucherschutz seit 2001, vor allem mit der Koordination der Länder und der Information der Bevölkerung bei Lebensmittelkrisen.
Keine Änderung der Schuldenbremse: Der Bundestag hat am 30 Juni einen Gesetzentwurf der SPD-Fraktion (17/4666 neu) zur Schuldenbremse (Artikel 115 des Grundgesetzes) auf Empfehlung des Haushaltsausschusses (17/6241) mit den Stimmen der Fraktionen CDU/ CSU, FDP und Die Linke gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Die SPD hatte in ihrem Entwurf zur Änderung des Artikel-115-Gesetzes gefordert, den Abbaupfad für die Haushaltsjahre 2012 bis 2015 gemäß dem Ist-Ergebnis für das strukturelle Defizit des Haushaltsjahres 2010 nachzujustieren. Aus Sicht der SPD haben die Beratungen zum Bundeshaushalt 2011 offengelegt, dass der Bundesfinanzminister sich Ermessensspielräume bei der Festlegung des Abbaupfades zugebilligt hat, die im Ergebnis den Verschuldungsspielraum für die Jahre bis 2016 vergrößern, statt das Ziel des Abbaus der Neuverschuldung umzusetzen, heißt es unter anderem in dem SPD-Entwurf.
Sexuelle Identität nicht ins Grundgesetz: Der Bundestag hat am 30. Juni gegen das Votum der Opposition Gesetzentwürfe der SPD (17/254), der Linksfraktion (17/472) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/88) abgelehnt, in denen beantragt worden war, in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes das Merkmal der sexuellen Identität einzufügen. Er folgte damit einer Empfehlung des Rechtsausschusses (17/4775). Die Oppositionsfraktionen hatten ihre Initiativen damit begründet, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, transsexuelle und intersexuelle Menschen immer noch Anfeindungen, gewaltsamen Übergriffen und Benachteiligungen ausgesetzt seien und das allgemeine Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Absatz 1 des Grundgesetzes keinen ausreichenden Schutz gegenüber abweichenden, in der Gesellschaft vorherrschenden Sexualvorstellungen biete.
Einführung eines Ordnungsgeldes: Auf Empfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (17/6309) hat der Bundestag am 30. Juni mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen die Einführung eines Ordnungsgeldes beschlossen. Für eine ”nicht nur geringfügige Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestages“ soll künftig ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 Euro eingeführt werden. Im Wiederholungsfalle soll das Ordnungsgeld 2.000 Euro betragen. Zur Begründung hieß es in dem Gesetzentwurf (17/5471), die derzeit nach der Geschäftsordnung des Parlaments möglichen Ordnungsmaßnahmen bei Störungen der Plenarsitzungen durch einzelne oder mehrere Abgeordnete hätten sich ”in Einzelfällen als zu wenig effektiv und ausdifferenziert erwiesen“. Deshalb solle ”oberhalb des Ordnungsrufes und unterhalb des Sitzungsausschlusses“ als weiteres Ordnungsmittel das Ordnungsgeld eingeführt werden. Vier Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/6352, 17/6353, 17/6354, 17/6355) wurden abgelehnt.
Stuttgart 21: Der Bundestag stimmte am 30. Juni über zwei Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen zum Thema Stuttgart 21 ab. Die Abgeordneten der Linksfraktion hatten gefordert (17/6129), die Bundesregierung solle keine weiteren finanziellen Mittel aus dem Bundeshaushalt für eine Fortsetzung der Baumaßnahmen am Bahnhof Stuttgart zur Verfügung stellen. Weiter solle sich die Regierung bei der Deutschen Bahn AG dafür einsetzen, dass auch diese für das Bauprojekt Stuttgart 21 keine weiteren finanziellen Mittel zur Verfügung stellt. Bündnis 90/Die Grünen forderten in ihrem Antrag (17/6320) "Stuttgart 21 - Kein Weiterbau ohne Nachweis der Leistungsfähigkeit und ohne Klärung der Kosten und Risiken“ unter anderem, dass die Bahn keine unumkehrbaren bau- und vergaberechtlichen Fakten schafft, die dem Ergebnis der geplanten Volksabstimmung in Baden-Württemberg im Oktober 2011 vorgreifen. Beide Anträge wurden mit den Stimmen von CDU/CSU, FDP und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke abgelehnt.
Gleichstellung von Lebenspartnerschaften im Dienstrecht: Gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Linksfraktion hat der Bundestag am 30. Juni die vollständige Gleichstellung von Ehen und Lebenspartnerschaften im öffentlichen Dienstrecht beschlossen. Einen Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/3972) nahm er auf Empfehlung des Innenausschusses (17/6359) unverändert an. Im Bundesbesoldungsgesetz werden die Regelungen zum Familienzuschlag und zur Auslandsbesoldung auf Lebenspartnerschaften erstreckt, im Bundesbeamtengesetz werden Lebenspartner in die Beihilfevorschriften aufgenommen und im Beamtenversorgungsgesetz sowie im Soldatenversorgungsgesetz werden Lebenspartner in die Regelungen zur Hinterbliebenenversorgung einbezogen. Ein Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe mit Bundesbeamtengesetz und in weiteren Gesetzen (17/906) lehnte der Bundestag gegen das Votum der Opposition ab. Die Grünen hatten zusätzlich die rückwirkende Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe schon ab Inkrafttreten des Lebenspartnerschaftsgesetzes am 1. August 2001 angestrebt.
20 Jahre Büro für Technikfolgenabschätzung: Mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Opposition wurden am 30. Juni auf Empfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (17/6287) Anträge der SPD (17/3414) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3063) zum Thema Technikfolgenabschätzung abgelehnt. Die Abgeordneten hatten in getrennten Anträgen von der Bundesregierung unter anderem gefordert, den Etat des Büros für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) zu erhöhen.
Schutz vor militärischem Fluglärm: Die Fraktion Die Linke ist am 30. Juni mit einem Antrag (17/5206) zum Anwohnerschutz vor militärischem Fluglärm gescheitert. Die Abgeordneten wollten die rechtliche Gleichstellung von Anwohnern militärischer und ziviler Flughäfen erreichen. Sie forderten die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Anpassung des Fluglärmgesetzes von 2007 vorzulegen. Zudem sollte zukünftig bei der Erfassung von militärischem und zivilen Fluglärm nicht mehr unterschieden und alle zivilen und militärischen Flughäfen gemäß der EU-Umgebungslärmrichtlinie kartografiert werden. Der Bundestag folgte einer Empfehlung des Verteidigungsausschusses (17/5918) und stimmte mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Stimmenthaltung der Fraktion Bündnis 90/die Grünen gegen die Vorlage.
Frauen- und Mädchenfußball: Auf Empfehlung des Sportausschusses (17/6281) hat der Bundestag am 30. Juni einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/5907) abgelehnt. In dem Antrag forderten die Abgeordneten die Bundesregierung unter anderem auf, sich für eine stärkere Präsenz von Frauenfußball in der öffentlichen Wahrnehmung und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzusetzen. Die Spiele der Frauen-Bundesliga sollten neben der Männer-Bundesliga fester Bestandteil der Sportsendungen im gebührenfinanzierten Fernsehen werden. Ferner solle sich die Regierung für eine stärkere Förderung des Fußballs auch als Schulsport für Mädchen einsetzen. Zur Begründung hieß es, der große sportliche Erfolg der Frauen-Fußballnationalmannschaft in den vergangenen Jahren könne als ”geschlechterpolitisches Signal verstanden werden“.
Wirtschaftspolitische Steuerung in der EU: Keine Mehrheit im Bundestag fanden am 1. Juli zwei europapolitische Oppositionsanträge. Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Bundesregierung muss unverzüglich europäisch gestalten" (17/6316) wurde mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP und der Linksfraktion bei Enthaltung der SPD abgelehnt. Darin wurde eine Stellungnahme des Bundestages gegenüber der Bundesregierung zu Legislativvorschlägen der europäischen Kommission zur "wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU" verlangt. Über den Antrag war direkt abgestimmt worden. Der Antrag (17/5904) der Linken scheiterte an der Ablehnung der übrigen Fraktionen. Die Linksfraktion hatte gefordert, dass der Bundestag gegenüber der Bundesregierung zu mehreren EU-Vorlagen zur Wirtschafts- und Währungspolitik Stellung nehmen soll. Dabei ging es um die Beschleunigung und Klärung des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit (Ratsdokument 14496/10), um die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten (Ratsdokument 14497/10), um die wirksame Durchsetzung der haushaltspolitischen Überwachung im Euro-Währungsgebiet (Ratsdokument 14498/10) und um den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken (Ratsdokument 14520/10). Eine solche Stellungnahme des Bundestages gegenüber der Bundesregierung hatte die Linksfraktion auch im Wirtschaftsausschuss beantragt, und zwar zu EU-Vorlagen über Durchsetzungsmaßnahmen zur Korrektur übermäßiger makroökonomischer Ungleichgewichte im Euro-Währungsgebiet (Ratsdokument 14512/10) und zur Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (Ratsdokument 14515/10). Der Abstimmung lagen Beschlussempfehlungen des Haushaltsausschusses (17/6168) und des Wirtschaftsausschusses (17/6175) zugrunde.
25 Jahre Internationales Parlaments-Stipendium: Mit den Stimmen aller fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen hat das Parlament aus Anlass des 25-jährigen Jubiläums des Internationalen Parlaments-Stipendiums in einem interfraktionellen Antrag (17/6350) bekräftigt, weiterhin jährlich bis zu 120 qualifizierte und politisch besonders interessierte junge Menschen aus Staaten, mit denen die Bundesrepublik von jeher eine besondere Freundschaft verbindet, sowie aus "jungen" parlamentarischen Demokratien in Mittel-, Ost- und Südosteuropa die Gelegenheit zu verschaffen, das parlamentarische Regierungssystem Deutschlands sowie die politischen Entscheidungsprozesse aus eigener Anschauung kennenzulernen und praktische Erfahrungen in der parlamentarischen Arbeit zu sammeln. Darüber hinaus richtet der Bundestag an die IPS-Stipendiaten einen Appell, nach der Rückkehr in ihre Heimatländer engagiert für Demokratie, interkulturelle Offenheit und Toleranz, für Freiheit und ein friedliches Zusammenleben einzutreten sowie das gegenseitige Verständnis und Vertrauen zu fördern.
Beschlüsse zu Petitionen: Ohne Aussprache hat der Bundestag Beschlüsse zu einer Reihe von Petitionen gefasst. Im Einzelnen wurden die Empfehlungen des Petitionsausschusses zu den Sammelübersichten 278 bis 286 übernommen (17/6110, 17/6111, 17/6112, 17/6113, 17/6114, 17/6115, 17/6116, 17/6117, 17/6118). (vom/ah/eis)