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Friedrich Ostendorff ist Bauer, BUND-Aktivist und Mitbegründer des Neuland-Programms für artgerechte Tierhaltung. Nach acht Jahren Kommunalpolitik als Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Kreisrat Unna und im Regionalrat Arnsberg zog er 2002 erstmals über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Bundestag ein. Bei der Wahl 2005 verlor er zwar sein Mandat, doch 2009 gelang ihm die Rückkehr ins Parlament. Seitdem ist er Mitglied im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, wurde im Juni 2011 als Nachfolger von Ulrike Höfken zum stellvertretenden Vorsitzenden des Gremiums gewählt. Unter dem Slogan "Bauernhöfe statt Agrarfabriken" kämpft der agrarpolitischer Sprecher der Grünen für eine grundsätzliche Wende in der Landwirtschaft - und eine ökologische EU-Agrarreform.
"Bleibt auf dem Lande und wehret Euch täglich!" Der Titel des alten Landjugend-Liedes steht nicht nur eingemeißelt in einen Balken über dem Scheunentor von Friedrich und Ulrike Ostendorffs rund 750 Jahre alten Hof im westfälischen Bergkamen-Weddinghofen, er ist auch gut sichtbar auf der Website des Bundestagsabgeordneten platziert. "Das war unser Leitspruch, als Ulrike und ich damals den Hof von meinen Eltern übernahmen", sagt der 58-Jährige.
Schnell wurde er auch zu seinem politischen Motto. Auf dem Land bleiben, wehrhaft sein - das hieß Ende der siebziger Jahre für ihn, den Bauern, und seine Frau, die Anti-Atom-Aktivistin, vor allem: Widerstand gegen die Landenteignung von Bauern für den Bau von Atomkraftwerken. Es war die Auseinandersetzung um den Bau des Thorium-Hoch-Temperatur-Reaktors, kurz: THTR-300, in Hamm-Uentrop, die Ostendorff politisierte.
Gerade ist er von einer Demonstration junger Bauern vor dem Bundeskanzleramt zurück in sein Büro im Bundestag gekommen. Zum Abschluss ihrer Sternfahrt durch Deutschland hatten die Landwirte die Kanzlerin medienwirksam zu einem "Bauernfrühstück" eingeladen, um für eine "bäuerliche, faire, tiergerechte und ökologische Landwirtschaftspolitik" zu werben.
Ostendorff wirkt aufgekratzt und gutgelaunt: Genau das ist sein Thema. Auch er fordert "Bauernhöfe statt Agrarfabriken", wie es auf dem Plakat an seiner Bürotür steht. Und auch er will eine Wende in der Agrarpolitik. Aber der Vater einer erwachsenen Tochter predigt dies nicht nur. Als Öko-Bauer lebt er auch seine Überzeugung - wenngleich es am Anfang eines sanften Drucks bedurfte, so bekennt Ostendorff augenzwinkernd.
In Hemd und Jeans, die Unterarme auf die Oberschenkel gestützt, sitzt er auf dem Sofa in seinem Büro und kommt ins Erzählen. Zum ökologischen Landbau habe ihn ausgerechnet eine Städterin, seine Frau Ulrike, gebracht: ’Es kann doch wohl nicht sein, dass die Kühe einkaserniert werden, nur weil es ein bisschen effizienter ist’, habe sie gesagt. Und: "Ich heirate nur, wenn wir auf Öko umstellen."
Ostendorff lacht in Erinnerung daran. 1981 wurde Hochzeit gefeiert, 1983 von der konventionellen zur biologischen Landwirtschaft gewechselt. 80 Hektar Land, Kühe, Schweine, Hühner und der Hofladen "Himmel und Erde" sind heute hauptsächlich die Domäne seiner Frau. "Sie hat ihren Traum verwirklicht."
Das könnte man auch über den Politiker Ostendorff sagen: Seine Leidenschaft galt schon früh der Politik. "Als Kind fand ich den Hof furchtbar", gesteht er. "Ich kannte ja die Arbeitsbedingungen, die Enge." Der Bauernsohn träumte stattdessen von einem Politik- oder Geschichtsstudium. Doch das war undenkbar. Zum einen, weil seine Noten in der Schule zu Wünschen übrig ließen, zum anderen, weil es als ausgemacht galt, dass er als einziger Sohn den Hof erbte.
Widerwillig fügte sich Ostendorff. Er begann nach der Mittleren Reife seine landwirtschaftliche Ausbildung, die er 1974 abschloss. 1977 reiste er außerdem für ein Auslandspraktikum nach Japan. Sieben Monate arbeitete er auf der Insel Hokkaido auf einem Milchviehhof. Eine Erfahrung fürs Leben: Noch heute pflegt Ostendorff den Kontakt zu der Familie, die ihn damals aufnahm und beschäftigte.
Seine Einstellung zur Landwirtschaft änderte sich indes völlig. Er entdeckte, was für ein "toller Beruf es ist, Bauer zu sein, draußen in der Natur selbstbestimmt zu arbeiten". Aber: Ostendorff hatte schon immer seinen eigenen Kopf. Wie der Vater, der sich als Landwirt schon früh auf die Schweine- und Rindermast konzentriert hatte, wollte er es nicht machen. Er begann sich in der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft zu engagieren, die für eine nachhaltige Landwirtschaft eintritt.
13 Jahre, von 1982 bis 1996, war er Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen. Zusammen mit anderen gründete er 1981 die Grünen in Unna und rief 1982 den Bioland-Landesverband NRW ins Leben. 1988 war er zudem bei der Gründung des Neuland-Programms für artgerechte Tierhaltung dabei. 2006 trat er dem BUND bei, mit dessen Vorsitzenden Prof. Dr. Hubert Weiger ihn eine Freundschaft verbindet. Seit 2008 ist Ostendorff agrarpolitischer Sprecher des BUND.
In den neunziger Jahren wurde Ostendorff dann auch kommunalpolitisch aktiv: 1994 wurde er Fraktionsvorsitzender der Grünen im Kreistag Unna, fünf Jahre später übernahm er zudem den Fraktionsvorsitz im neu geschaffenen Regionalrat des Regierungsbezirks Arnsberg.
2002 gelang ihm der Sprung in den Bundestag. Doch schon Jahre vorher hätte einige NRW-Grüne Ostendorff gern im Parlament gesehen: "'Du bist doch das Gesicht für den ländlichen Raum!’ hieß es", erzählt er. Er winkte stets ab: "Ich kann doch nicht nach Bonn gehen, von dort aus kriege ich nicht den Hof organisiert."
Doch der Wunsch, "mit 50 noch einmal etwas ganz anderes zu machen", war stärker. Als dann im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 die Anfrage kam, ob er für den Bundestag kandidieren wolle, sagte er schließlich Ja. Seine "weise Frau" hatte ihm den nötigen Schub gegeben: "Wenn du das machen willst, dann jetzt, sonst bist du zu alt."
Bei den von Bundeskanzler Gerhard Schröder angestrebten Neuwahlen 2005 verlor allerdings Rot-Grün wieder die Mehrheit - und Ostendorff sein Mandat. Seit 2009 ist er zurück im Bundestag, als agrarpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Zum richtigen Zeitpunkt, wie er findet. "In Brüssel hat EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos interessante Vorschläge für eine ökologische und soziale Reform der Direktzahlungen gemacht." Und in Deutschland gebe es eine "erbitterte Auseinandersetzung" über den Kurs der Bundesregierung, die noch immer auf die Agrarindustrie setze.
"Wir sind in einer entscheidenden Phase", betont Ostendorff. Die Weichen für eine Wende müssten endlich gestellt werden: Weg von der Massenproduktion, die bäuerliche Betriebe unter Existenzdruck setze, Klima und Umwelt schade und millionenfaches Leid für Tiere bedeute. Hin zu einer ökologischen Landwirtschaft und einer Tierhaltung, die nicht nur "jederzeit vorzeigbar" sei, sondern auch von einem "verantwortvollen Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier" geprägt sei, das fordert Ostendorff. Sein Traum für die Zukunft: "Ich würde die Landwirtschaft gern zurück in die Mitte der Gesellschaft führen." (sas)