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Bundesregierung und Teile der Opposition haben erhebliche Anstrengungen überschuldeter Euro-Länder zur Voraussetzung für Hilfen aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF gemacht. Zahlungen an Länder wie Griechenland seien stets „Hilfe zur Selbsthilfe", sagte Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble am Donnerstag, 8. September 2011, in der ersten Lesung des Bundestages zur Aufstockung der Kreditgarantien für den Rettungsschirm EFSF. Nach einem gemeinsam vorgelegten Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP (17/6916) soll der deutsche Anteil an Kreditbürgschaften für überschuldete Euro-Mitgliedstaaten von bisher 123 Milliarden auf 211 Milliarden Euro steigen.
Auch mit Kredithilfen aus dem Rettungsschirm müssten überschuldete Länder ihre Defizite zurückfahren und sich ein strenges Haushaltsregime auferlegen, forderte Schäuble: „Die Lösung ihrer Strukturprobleme können wir ihnen nicht ersparen." Der Mechanismus des Rettungsschirms sei notwendig, „damit aus Problemen eines Landes nicht eine Gefahr für die Stabilität der gesamten Euro-Zone werden kann", sagte der Minister.
Die Lage in Griechenland sei derzeit „ernst": Die Prüfer von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) seien vergangene Woche ergebnislos aus Athen abgereist. Solange jedoch das Land seine an die bisherigen Kredithilfen gekoppelten Auflagen nicht einhalte, gebe es keine weiteren Kredite.
Der vorliegende Gesetzentwurf der Koalition zur Ausweitung der EFSF stelle zusätzliche Instrumente bereit, führte Schäuble aus: etwa die Möglichkeit für die EFSF, Staaten einzelne Kreditlinien und Darlehen zur Refinanzierung von Finanzinstituten zur Verfügung zu stellen.
Außerdem könne die EFSF künftig Anleihen betroffener Staaten kaufen – ein Instrument, das bisher nur die EZB genutzt hat.
Auch SPD-Parteichef Sigmar Gabriel betonte, dass Griechenland seine Zusagen einhalten müsse und kündigte die Zustimmung seiner Fraktion zur Ausweitung der EFSF in der zweiten Lesung des Bundestages Ende September an. Zugleich griff Gabriel die Bundesregierung scharf an. Mit „kurzsichtigen, populistischen Parolen", Griechenland „keinen Cent zu geben", habe die Bundesregierung in der Vergangenheit die Lage verschlimmert. Sie habe „die eigenen Abgeordneten auf die Bäume getrieben" und wisse jetzt nicht, „wie sie sie wieder herunterholen" soll.
Die Argumente der Koalition gegen Eurobonds als unzulässige Vergemeinschaftung von Schulden seien nicht glaubwürdig: Die EZB habe auf Druck der deutschen Regierung Staatsanleihen verschuldeter Länder in Höhe von 120 Milliarden Euro aufgekauft – das seien die ersten „Merkel-Bonds" gewesen, sagte Gabriel. Zugleich sprach sich der SPD-Chef für Wachstums- und Konjunkturprogramme und eine Regulierung der Finanzmärkte aus. Ursache der Krise seien nicht nur unsolide Haushalte wie im Falle Griechenlands, sondern - wie im Falle Irlands, Portugals und Spaniens - „unverantwortliche Banken, die diese Länder nahe an den Abgrund getrieben" hätten.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle warf seinem Vorredner vor, dass die „Wundertüte Eurobonds" nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Vortag zu Griechenland-Hilfen und zur Euro-Stabilisierung Makulatur seien. „Sie denken immer nur an Konjunkturprogramme, ans Gelddrucken" – doch die „größte Schweinerei ist die Inflation", die auf lange Sicht stets die Kleinen treffe.
Statt immer mehr Geld auszugeben, gehe es um Prinzipientreue in elementaren Fragen der Politik – wie etwa der Begrenzung der Neuverschuldung. „Ein bisschen mehr Rückgrat und weniger Eiertanz", forderte Brüderle und lenkte den Blick auf Griechenland. Wenn das Land seine Zusagen nicht einhalte, gebe es kein weiteres Geld. Europa dürfe sich nicht die Zukunft verbauen lassen, nur weil ein Land Verträge breche.
Zu einem Rundumschlag holte Klaus Ernst, Chef der Partei Die Linke, für seine Fraktion aus: „Sie retten mit dem Gesetz weder den Euro noch die Europäer", sondern nur die Banken und Finanzinstitute, kritisierte er die Koalition. Weder habe diese etwas gegen die „entfesselten Finanzmärkte" und „Zockerbuden" getan, noch habe sie das anhaltende Übergewicht des Exports in der deutschen Außenhandelsbilanz beseitigt, das durch sinkende Reallöhne und Renten erkauft sei.
„Unsere Überschüsse sind die Schulden der anderen", sagte Ernst. Die Banken müssten unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden: „Wir laufen wie die Schoßhunde den Finanzmärkten hinterher, und wenn die jaulen, werfen wir ihnen Geld hinterher."
Jürgen Trittin sprach für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen von einer „europa- und währungspolitischen Geisterfahrt" der Bundesregierung. „Sie wettern gegen Eurobonds, Sie haben sie längst eingeführt", sagte Trittin mit Verweis auf die Anleihekäufe der EZB.
Trittin forderte eine Stärkung der europäischen Institutionen durch Änderung der europäischen Verträge. Doch dafür fehle dieser Koalition schon lange die Kraft. Zustimmung signalisierte Trittin in der Frage der Parlamentsbeteiligung bei zukünftigen Entscheidungen zum Rettungsschirm.
In einem Antrag (17/6945) schlagen die Fraktionen von Union und FDP eine Balance zwischen Parlamentsrechten und Handlungsfähigkeit der EFSF vor. Konkret sehen die Abgeordneten „an der Bedeutung der jeweiligen Entscheidung orientierte, abgestufte Mitwirkungsrechte des Bundestages" vor. So soll der deutsche Vertreter in den entsprechenden EFSF-Gremien ohne vorherige Zustimmung des Bundestages zu einem Nein-Votum immer dann verpflichtet sein, wenn ein Euro-Mitgliedstaat ein Hilfsprogramm beantragt oder Entscheidungen fallen, die finanzielle Folgen für den Bundeshaushalt haben können.
Bei weniger schwerwiegenden Entscheidungen - etwa in der operativen Anwendung der EFSF-Instrumente - reiche hingegen die Zustimmung des Haushaltsausschusses. Offen ist indes noch eine Regelung für besonders dringende Entscheidungen: „In Fällen besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit wird eine Regelung vorgesehen, die eine Beteiligung des Deutschen Bundestages gewährleistet», heißt es in dem Antrag von Union und FDP. (ahe)