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Die Bundesregierung will mehr Ärzte in ländliche Regionen locken. Sie hat dazu einen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (17/6906) vorgelegt. Der Entwurf reagiert darauf, dass es in vielen ländlichen Regionen bereits heute oder absehbar zu wenige Ärzte gibt. Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung mussten beispielsweise im vergangenen Jahr 420 Hausarzt- und 32 Kinderarztpraxen schließen, weil kein Nachfolger gefunden werden konnte. Die 110-seitige Vorlage soll am Freitag, 23. September 2011, ab 9 Uhr in einer eineinhalbstündigen Debatte erstmals im Bundestag beraten werden.
Kernpunkt des Entwurfs sind Anreize für Mediziner, sich in unterversorgten Regionen neu niederzulassen oder Praxen zu übernehmen. Ärzte, die aufs Land ziehen, sollen demnach mehr verdienen als ihre Kollegen in Städten. Die Regierung rechnet mit jährlichen Mehrkosten in Höhe von 200 Millionen Euro für die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).
Vom Jahr 2013 an kommen dem Entwurf zufolge jährlich 120 Millionen Euro aufgrund der ebenfalls vorgesehenen Reform der vertragszahnärztlichen Vergütung hinzu. Das Gesetz soll zum 1. Januar 2012 in Kraft treten.
Um eine wohnortnahe, flächendeckende medizinische Versorgung sicherzustellen, sollen Landärzte von Maßnahmen der Budgetbegrenzung ausgenommen werden. Normalerweise müssen Ärzte Honorarabschläge hinnehmen, wenn in ihrer Praxis eine bestimmte Zahl an Behandlungen überschritten wird. Davon sollen nun Mediziner, die sich in unterversorgten ländlichen Gebieten niederlassen, befreit werden.
Die Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) sollen die Möglichkeit erhalten, einen Strukturfonds einzurichten, in den 0,1 Prozent der jeweiligen Gesamtvergütung und ergänzend eine entsprechend gleich große Summe der Krankenkassen einfließen. Aus diesem Strukturfonds können die KVen „flexibel und ungebunden gezielte Maßnahmen für die Niederlassung ergreifen und finanzielle Anreize setzen", heißt es in dem Entwurf weiter.
Ziel der Regierung ist es ferner, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Künftig sollen sich Vertragsärztinnen nach einer Geburt nicht mehr nur sechs, sondern zwölf Monate lang vertreten lassen können. Außerdem ist in dem Entwurf vorgesehen, für die Erziehung von Kindern bis zu 36 Monate einen sogenannten Entlastungsassistenten, also einen zweiten in der Praxis tätigen Arzt, zu beschäftigen.
Für die Pflege von Angehörigen ist eine sechsmonatige Auszeit mit Vertretung geplant. Außerdem soll die Residenzpflicht entfallen. Landärzte müssen dann nicht mehr dort wohnen, wo sie praktizieren, sondern können auch in der Stadt leben.
Der Versorgungsstrukturgesetzentwurf sieht zudem vor, die Überversorgung mit Ärzten vor allem in Großstädten zu verringern. Die Möglichkeit der KVen, den freiwilligen Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt finanziell zu fördern, soll erweitert werden. Ferner erhalten die KVen das Recht, frei werdende Praxen selbst aufzukaufen, um diese vom Markt zu nehmen. Dazu soll ihnen auch ein Vorverkaufsrecht eingeräumt werden, wenn in überversorgten Gebieten die Nachbesetzung einer Praxis ansteht.
Ein Vorkaufsrecht besteht nach dem Willen der Regierung jedoch nicht, wenn sich Familienmitglieder des ausscheidenden Vertragsarztes oder ein in der Praxis bereits tätiger Vertragsarzt um die Nachbesetzung bewerben. Als überversorgt gilt ein Gebiet, in denen die Anzahl der Ärzte auf 100.000 Einwohner den Richtwert um zehn Prozent übersteigt. Auf viele Städte trifft dies zu.
Schrittweise einführen will die Bundesregierung eine „spezialärztliche Versorgung". Dazu sollen die Möglichkeiten von Kliniken, Patienten mit komplexen Krankheiten wie Krebs, Aids oder Multipler Sklerose auch ambulant zu behandeln, erweitert werden.
Krankenhausärzte sowie niedergelassene Fachärzte sollen unter gleichen Qualifikationsvoraussetzungen und einheitlichen Bedingungen Patienten mit seltenen Krankheiten oder besonderen Krankheitsverläufen versorgen, heißt es dazu im Gesetzentwurf.
Weiter entwickelt werden soll die so genannte Bedarfsplanung. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass je nach Region die unterschiedliche Alterszusammensetzung der Bevölkerung, der so genannte Demografiefaktor, berücksichtigt werden muss. Ferner müssen die einzelnen Planungsbereiche künftig nicht mehr automatisch den Stadt- und Landkreisen entsprechen, sondern werden bedarfsgerecht neu festgelegt.
Die Regierung plant mit dem Versorgungsstrukturgesetzentwurf zudem eine Stärkung des Rechts der Versicherten, nach einer Kasseninsolvenz eine neue Krankenkasse zu wählen. Liegen der Aufsichtsbehörde Anhaltspunkte vor, dass eine Neumitgliedschaft rechtswidrig abgelehnt oder erschwert wird, „hat sie diesen Anhaltspunkten unverzüglich nachzugehen und die Krankenkasse zur Behebung" zu verpflichten, heißt es in der Vorlage. Die Verpflichtung soll mit der Androhung eines Zwangsgeldes von bis zu 50.000 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung verbunden werden. (mpi)