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Eine Millionärssteuer wird es auch künftig nicht geben. Der Bundestag lehnte am Freitag, 11. November 2011, mit breiter Mehrheit einen Antrag der Linksfraktion zur Steuerpolitik (17/2944) auf Empfehlung des Finanzausschusses (17/7555) ab. Die Linke hatte sich für eine fünfprozentige Abgabe bei einem Freibetrag von einer Million Euro ausgesprochen. Zudem sollte die Erbschaftsteuer reformiert und die bisherige Gewerbesteuer durch eine Gemeindewirtschaftsteuer ersetzt werden.
Es müsse ein weiteres „Auseinanderdriften“ von zunehmender Armut und zunehmendem Reichtum verhindert werden, führte Dr. Barbara Höll (Die Linke) zur Begründung des Antrags an. Allein in den vergangenen Jahren sei auf der einen Seite ein Reallohnverlust von sieben Prozent zu verzeichnen gewesen. Bei Höchstverdienern habe es hingegen reale Lohnzuwächse gegeben.
Die Spaltung der Gesellschaft, so Höll, sei in allen europäischen Ländern zu verzeichnen, auch in Griechenland. „Die Luft brennt“, sagte Höll. Dabei gebe es genug wirksame Gegenmaßnahmen, wie im Antrag ihrer Fraktion aufgezeigt sei. „Sie wollen sie aber nicht umsetzen“, kritisierte Höll mit Blick auf die Koalition.
Wer tatsächlich an einer Entlastung der unteren und mittleren Einkommen interessiert ist, müsse den Steuervorschlägen der Koalition folgen, sagte hingegen Mathias Mittelberg (CDU/CSU). Die geplante Abschwächung der sogenannten kalten Progression sorge dafür, dass Lohnsteigerungen auch in den Taschen der Arbeitnehmer ankämen. Steuerpolitisch, so Mittelberg, sei die Bundesregierung „richtig unterwegs“.
Auf einen weiteren Antrag der Linksfraktion (17/5525) eingehend, der Einschränkungen bei der Verlustverrechnung fordert, sagte der Unionsabgeordnete, dieser sei nicht brauchbar, da er den Unternehmensstandort Deutschland ruinieren würde. Wenn sich Unternehmen in Deutschland engagieren sollten, müsse man „wettbewerbsfähige Steuerbedingungen“ bieten. Der Vorschlag, den Verlustabzug nach drei Jahren auf Null zu setzen, sei „völlig blödsinnig“, urteilte er. So könnten etwa Forschungs- und Entwicklungskosten nicht mehr verrechnet werden.
Die Linksfraktion mache es sich zu einfach, wenn sie Steuerungerechtigkeiten durch Steuererhöhungen abschaffen wolle, kritisierte Lothar Binding (SPD). „Sie machen einen Vorschlag voller Lücken und offener Fragen“, sagte er. Der FDP unterstellte Binding ein ähnliches Denkmuster. Dort gehe man nach dem Motto vor: Egal was ist – Hauptsache die Steuern werden gesenkt.
Die jetzt in der Koalition verabredeten Entlastungen um sechs Prozent seien eine Steuersenkung zur Unzeit, finanziert durch Schulden. „Das ist ein Konzept zur Ruinierung unserer Staatsfinanzen und sonst gar nichts“, urteilte der SPD-Abgeordnete. Seiner Ansicht nach betrieben die Linksfraktion wie auch die FDP-Fraktion „Klientelpolitik“.
Sowohl Linke als auch die SPD wollten, dass der Staat das Geld der Bürger in die Hand bekommt und dann im Parlament entschieden wird, was damit geschehen solle, sagte Dr. Volker Wissing (FDP). Die Koalition hingegen sei der Auffassung, es sei besser, wenn das Geld privat investiert wird, weil durch die Eigenverantwortung der Investoren ein Mehrwert für die Gesellschaft erreicht werde.
Wissing verteidigte die geplante Abschwächung der kalten Progression. „Das ist eine Gerechtigkeitslücke, die ausgeglichen werden muss.“ Es sei falsch, in diesem Zusammenhang von Geschenken zu reden. Die Lohnsteigerung hätten die Arbeitnehmer schließlich verdient. Nun müsse man entscheiden, ob den Menschen etwas von der Lohnerhöhung überlassen werden solle oder ob alles beim Staat ankommen solle.
Der von der Linksfraktion vorgelegte Antrag sei „grober Unfug“ urteilte Dr. Thomas Gambke (Bündnis 90/Die Grünen). Dass sei umso schlimmer, als das dadurch „gute und nachdenkenswerte Ansätze wie die Vermögensabgabe desavouiert werden“. Für seine Fraktion sei Steuergerechtigkeit ein sehr wichtiges Thema, sagte Gambke. Hierbei gelte es jedoch nicht nur zu fragen: Wer zahlt zu viel? Vielmehr müsse auch gefragt werden, wer zu wenig zahle, sagte der Grünen-Abgeordnete an die FDP-Fraktion gewandt.
Bei Banken etwa sei eine Steuergerechtigkeit derzeit nicht gegeben. So hätten die Großbanken in Deutschland nach Gambkes Aussage in den Jahren von 1999 bis 2009 nur 7,5 Prozent der Gesamtgewinnsteuer in Höhe von 60 Milliarden Euro gezahlt. Allein die Genossenschaftsbanken hätten das Doppelte gezahlt, so Gambke. „Mit diesen Zahlen müssen Sie sich auch einmal beschäftigen“, forderte er. (hau)