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Für die Koalitionsfraktionen ist es ein „solide aufgestellter Haushalt“, wie die FDP-Abgeordnete Dr. Claudia Winterstein befand. Aus Sicht der Opposition handelt es sich hingegen um ein „Dokument der sozialen Schieflage“, wie Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) urteilte. In der Bewertung des Etats des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales herrschte während der zweiten Lesung am Donnerstag, 24. November 2011, eine große Spannweite. Mit 126,46 Milliarden Euro verantwortet das Ressort von Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) den weitaus größten Ausgabeposten im Bundeshaushalt 2012 (17/6600, 17/6602, 17/7111, 17/7123, 17/7124, 17/7125). Verglichen mit 2011 werden die Ausgaben des Einzelplans 11 um rund 4,83 Milliarden Euro zurückgefahren.
Die Bundesregierung kürze bei den Instrumenten der aktiven Arbeitsmarktpolitik, kritisierte Bettina Hagedorn (SPD). Dies gehe zulasten der Langzeitarbeitslosen und und sei auch angesichts des Fachkräftemangels in der deutschen Wirtschaft aus volkswirtschaftlicher Sicht falsch, sagte sie. Schon bei dem im Sommer 2010 von der Koalition verabschiedeten Sparpaket seien 40 Prozent der Kürzungen dem Bereich Arbeit und Soziales zugewiesen worden.
Da zwei Drittel des Etats gesetzlich festgeschriebene Leistungen seien, konzentrierten sich die Kürzungen auf die restlichen 40 Milliarden Euro. „Das macht die soziale Schieflage aus“, sagte Hagedorn. Zudem habe sich die Gewichtung in dem Sparpaket verschoben. Da Wirtschaft und Verwaltung ihren Konsolidierungsbeitrag nicht leisteten, müsse der Bereich Arbeit und Soziales derzeit 56,6 Prozent der Summe tragen.
Aus Sicht des Unionsabgeordneten Axel E. Fischer ist der Haushalt hingegen ein „weiterer Schritt zur Konsolidierung“. Die Finanzierung des Bereiches Arbeit und Soziales werde so nachhaltig ins Gleichgewicht gebracht. Trotz Einsparungen von knapp vier Prozent sei der Anstieg der Hartz-IV-Regelsätze geplant und eine Erhöhung der Zuschüsse für die Grundsicherung im Alter um 3,3 Milliarden Euro festgeschrieben.
„Das ist das Resultat der intelligenten, wachstumsorientierten Politik der christlich-liberalen Regierungskoalition“, sagte Fischer. Dabei orientiere man sich weniger an der „Maximierung staatlicher Umverteilung“. Es gehe vielmehr „schlicht und einfach um konkrete Hilfe für die Betroffenen“. Formulierungen wie „Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik“ seien daher völlig aus der Luft gegriffen, befand der CDU-Politiker.
Der Haushalt sei weder gerecht, noch sozial und auch nicht christlich, urteilte Dr. Gesine Lötzsch (Die Linke). Gekürzt werde da, wo Menschen, die am wenigsten haben, am härtesten getroffen werden. „Menschen, die nicht wissen, wohin mit dem Geld, werden von den Kürzungen vollständig verschont“, sagte Lötzsch. Gerecht sehe anders aus: Dazu gehörten Steuererhöhungen für diejenigen, die die Krise verursacht hätten und noch immer daran verdienten.
Mit Gerechtigkeit habe auch der Rückgang der Arbeitslosenzahlen nichts zu tun, da dies nur zulasten eines „dramatischen Zuwachses“ im Niedriglohnsektor und bei der Leiharbeit geschehen sei. Lötzsch bedauerte es, dass die CDU auf ihrem Parteitag zuletzt keinen Mindestlohn beschlossen habe. Stattdessen hätten sich die radikalen Marktideologen erneut durchgesetzt.
Der Haushalt sei solide aufgestellt und sehe keine tiefen Einschnitte vor, sagte Dr. Claudia Winterstein (FDP). Die größte Einzelsparsumme im Etat ergebe sich durch den Wegfall des Darlehens an die Bundesanstalt für Arbeit, das „nicht mehr nötig ist“. Der Bund müsse zudem angesichts der positiven Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt weniger für das Arbeitslosengeld II zahlen.
2,8 Milliarden Euro mehr als 2011 würden für Bildung und die Grundsicherung im Alter aufgewandt, sagte Winterstein. „Das ist eine wesentliche Entlastung für die Kommunen“, urteilte sie. Was die Eingliederungsmaßnahmen angehe, so könne dort von einer Kürzung keine Rede sein. „Pro Kopf betrachtet erhöhen wir die Zuschüsse sogar“, sagte sie.
Jeder Einzelhaushalt für 2012 weise ein Plus auf, betonte Brigitte Pothmer. Einzige Ausnahme sei der Bereich Arbeit und Soziales. Die Kürzung bei Arbeitslosen und sozial Schwachen werfe ein „bezeichnendes Licht“ auf die Bundesregierung und die Durchsetzungsfähigkeit von Ministerin von der Leyen, sagte Pothmer. Mit den Kürzungen vertiefe sich zugleich die soziale Spaltung auf dem Arbeitsmarkt, was auch den sozialen Friede in der Gesellschaft gefährde.
„Wenn die Menschen nicht mehr daran glauben, dass sie durch ihre eigene Anstrengung ihre soziale Lage verbessern können, unterstützt das den Extremismus in diesem Land“, urteilte die Grünen-Abgeordnete. Auch Pothmer zeigte sich enttäuscht von Ministerin von der Leyen, die beim parteiinternen Streit in der CDU um den Mindestlohn nur eine „kommentierende Nebenrolle“ eingenommen habe.
Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) machte anschließend zum Thema Mindestlohn deutlich, dass „wenn die Tarifbindung nicht mehr funktioniert, ein neuer Rahmen gefunden werden muss“. Ihrer Ansicht nach sollten jedoch „Arbeitgeber und Gewerkschaften in einer Kommission dies aushandeln“.
Von der Leyen kritisierte außerdem die Opposition für deren „Untergangsszenarien“. Man könne nach den gehörten Reden den Eindruck gewinnen, die Arbeitsmarktpolitik stehe vor kurz dem Kollaps. Angesichts der Halbierung der Zahl der Langzeitarbeitslosen, der höchsten Vollbeschäftigung seit der Wiedervereinigung und einer strukturellen Arbeitslosigkeit bei jungen Menschen von „nur 40.000“ sollte die Opposition „blass vor Neid statt rot vor Zorn“ werden, befand sie.
Im Anschluss an die Debatte verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen den Einzelplan 11. Änderungsanträge der SPD (17/7830), der Linksfraktion (17/7831, 17/7832) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/7833, 17/7834) erhielten hingegen keine Mehrheit. (hau)