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Jörg van Essen ist seit 33 Jahren Mitglied der Freien Demokraten und seit 23 Jahren Abgeordneter des Deutschen Bundestages. Er hat eine beeindruckende berufliche und politische Karriere vorzuweisen. Der studierte Jurist war Staatsanwalt in Münster, Hagen und Dortmund, später Oberstaatsanwalt bei der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm. 1980 trat der Jurist in die FDP ein und wurde Vorsitzender im Landesfachausschuss für Außen-, Sicherheits-, und Europapolitik der FDP Nordrhein-Westfalen. Bereits im Studium wurde Jörg van Essen aktiver Reservesoldat und 1993 zum Oberst der Reserve befördert, der höchste Dienstgrad, den ein Reservist in der Bundeswehr erreichen kann. 20 Jahre hatte Jörg van Essen den Vorsitz des FDP-Bezirksverbandes Westfalen-Süd inne und war Mitglied des Landesvorstandes der FDP NRW.
Seit 1990 ist der Jurist Bundestagsabgeordneter, gehört dem Koalitionsausschuss, dem Gremium der führenden Vertreter der Regierungsparteien, an und ist seit 19 Jahren Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion. In diesem Jahr beendet Jörg van Essen seine erfolgreiche Karriere als Politiker. Im September 2012 gab er bekannt, dass er nicht erneut für den Bundestag kandidieren wird.
Den Entschluss, sich aus der aktiven Politik zurückziehen, hatte Jörg van Essen bereits nach der Bundestagswahl 2009 ins Auge gefasst. Er sagt: "Für mich war es wichtig, dass ich die Entscheidung, wann ich mich aus der aktiven Politik zurückziehe und einen Schlussstrich ziehe, selbstbestimmt und souverän treffe. Ich werde in diesem Jahr, eine Woche nach der Bundestagswahl, 66 Jahre alt. Schon vor längerer Zeit stellte ich mir zwei Fragen. Erstens: Willst du mit 66 noch einmal kandidieren und am Ende der Wahlperiode mit 70 Jahren noch Parlamentarier sein? Zweitens: Solltest du mit 70 Jahren noch Bundestagsabgeordneter sein? Beide Fragen habe ich mit einem klaren Nein beantwortet und dann die Entscheidung getroffen, diese wunderbare Arbeit, die mich wirklich ausgefüllt hat, in diesem Jahr zu beenden."
Jörg van Essen ist ein realistischer Politiker, dem klar war, dass die Entscheidung, seine aktive politische Laufbahn zu beenden, Konsequenzen für seine Parteikollegen haben würde. Eine gute Vorbereitung und die geordnete Übergabe von politischen Ämtern an seinen Nachfolger, lagen ihm deshalb sehr am Herzen. Frühzeitig bereitete er seinen Rückzug aus der Landespolitik vor.
Jörg van Essen kandidierte im Frühjahr 2010 nicht mehr für den Vorsitz des Bezirksverbandes Westfalen Süd. Er unterstützte die Kandidatur eines Landtagskollegen, dem er zutraute, das politisch wichtige Amt mit ebenso viel Engagement auszuüben, wie er es immer getan hatte. Er sagt: "Ein Bezirksvorsitzender trägt eine hohe Verantwortung, weil der Bezirk über die Listenplätze zur Bundestagswahl entscheidet. Ich wollte einem jüngeren Kollegen die Chance geben, sich rechtzeitig einzuarbeiten, und ich wollte ihn mit meinem Wissen zur Seite stehen, damit er bei der kommenden Bundestagswahl über ausreichend Erfahrung verfügt."
Jörg van Essen war von Anfang an konsequent und kandidierte auch nicht mehr für den Landesvorstand der Freien Demokraten in seinem Bundesland. Er wollte seinen Schritt, sich aus der Politik zurückzuziehen, ohne Wenn und Aber umsetzen. Es gab viele Kollegen, die seinen Entschluss sehr bedauert haben, manche bezeichneten seine Methode als radikal und einige versuchten ihn umzustimmen.
Jörg van Essen sieht das so: "Mag sein, dass mein Rückzug radikal erscheint. Aber in der Politik muss es hin und wieder einen Generationswechsel geben. Jüngere Kandidaten sollten die Chance erhalten, für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. Ich selbst habe 1994 davon profitiert, dass ein älterer Politiker – der damalige Vizepräsident des Bundestages, Dieter-Julius Cronenberg – zu meinen Gunsten auf eine Kandidatur verzichtete. Genauso wollte ich meine aktive politische Laufbahn auch beenden."
Als großes Privileg und enormes Glück empfindet es Jörg van Essen, dass er 23 Jahre lang im höchsten deutschen Parlament arbeiten durfte, davon 19 Jahre als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion.
Nachdenklich sagt Jörg van Essen: "Ich habe in den vielen Jahren meiner aktiven politischen Tätigkeit in höchsten Ämtern immer wieder ältere Kolleginnen und Kollegen erlebt, die große Verdienste hatten und am Ende eines anstrengenden Lebens im Dienste der Partei von der Basis abgewählt wurden. Ein solcher Abschied ist ein sehr bitterer Vorgang, den diese verdienstvollen Abgeordneten nicht verdient hatten. Deshalb habe ich einen anderen Weg gewählt. Es gibt ein Leben nach der Politik."
Jörg van Essen strebt zwar keine politischen Ämter mehr an, wird aber seine Partei im Bundestagswahlkampf und seinen Nachfolger im Wahlkreis tatkräftig unterstützen. "Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit, denn ich trage als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer weiterhin Verantwortung, die ich sehr ernst nehme. Ich bin ja nicht im vorgezogenen Ruhestand, und meine Arbeit als Parlamentarier endet erst mit der konstituierenden Sitzung zum 18. Deutschen Bundestag. Erst dann scheide ich aus dem Amt und bin Privatmann."
Mit dieser neuen Rolle muss sich Jörg van Essen vielleicht erst anfreunden. Aber schon heute freut er sich auf die vielen Museen in der Hauptstadt. Mit Bedauern erzählt er: "Ich möchte in Berlin endlich einmal die Museumsinsel und die vielen anderen hochkarätigen Ausstellungen besuchen. Ich bin seit 1999 in Berlin, aber ich kenne von dieser großartigen Metropole nur Bruchteile. Das wird sich ändern, wenn ich morgens nicht mehr ins Bundestagsbüro fahre, sondern mir zum Beispiel in der Alten Nationalgalerie die Bilder von Caspar David Friedrich, Claude Monet oder Auguste Renoir ansehe."
Außerdem wird Jörg van Essen wieder mehr private Kontakte pflegen, für die er als Politiker keine Zeit fand. "Ich werde endlich wieder Freunde treffen, die ich lange nicht gesehen habe. Als Politiker hat man kaum noch private Kontakte, und viele Freunde haben sich ohnehin schon vor Jahren verabschiedet, weil ich nie Zeit hatte. Manchen habe ich gesagt, geduldet euch bis zum Herbst 2013, erst dann kann ich planen und frei über meinen Terminkalender verfügen. Selbst Urlaub fand nur selten statt und wurde oft durch politische Termine unterbrochen. Das ist die Schattenseite eines Berufspolitikers." (bsl/29.04.2013)