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Seit 23 Jahren ist Sibylle Laurischk Freie Demokratin. Seit 2002 gehört die Offenburgerin der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag an. Drei Legislaturperioden war sie leidenschaftliche Parlamentarierin. Seit 2009 hat sie den Vorsitz des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend inne und ist Sprecherin für Senioren und bürgerschaftliches Engagement, Integration und Migration der FDP-Fraktion. Nun verabschiedet sich Sibylle Laurischk von der politischen Bühne und wird künftig wieder als Rechtsanwältin arbeiten.
Sie begründet ihren Rückzug so: "Nach meiner Überzeugung sind drei oder vier Legislaturen im Deutschen Bundestag genug. Dann sollten Parlamentarier nicht mehr kandidieren, weil der politische Betrieb enorm kräftezehrend ist. Ich persönlich wollte nicht in die Situation kommen, vom politischen Betrieb nicht mehr lassen zu können. Deshalb habe ich meine Arbeit als Abgeordnete des Bundestages immer als zeitlich begrenzt gesehen. Mein Mandat werde ich bis zum letzten Tag zuverlässig ausüben, aber danach wieder in meinem Beruf arbeiten."
Sibylle Laurischk machte nach ihrem Eintritt in die FDP erst auf kommunaler, später auf Landesebene Karriere. Sie wurde Vorsitzende der Liberalen Frauen in Baden-Württemberg und war bis 2008 Vorsitzende des Bundesverbandes der Liberalen Frauen. Überhaupt war das Thema Frauen und Familie immer ein Thema, das Sybille Laurischk sehr am Herzen lag.
Als großen Erfolg ihrer Arbeit im Parlament bezeichnet sie die Fortschritte, die die Regierungskoalition beim Thema Gewalt gegen Frauen verzeichnen kann. Am 13. Juni hielt die Juristin im Deutschen Bundestag ihre letzte Rede und sagte im Plenarsaal: "Als ich im Jahr 2002 Bundestagsabgeordnete wurde, musste ich feststellen, dass sich das Parlament seit 1983 nicht mehr mit dem Thema ,Häusliche Gewalt gegen Frauen‘ beschäftigt hatte. Ich fand das dem Ernst der Problematik nicht angemessen und habe mich bei dem Thema engagiert."
Und weiter: "Heute bin ich froh darüber, dass wir in den letzten zehn Jahren fraktionsübergreifend mehr für Frauen getan haben, als das in den achtziger Jahren der Fall war. Es gibt heute Familienhebammen, die Frauen in schwierigen häuslichen Situationen beistehen. Es gibt ein Hilfetelefon für Frauen, das auch Migrantinnen Hilfestellung geben kann, weil sie in ihrer Sprache über Probleme sprechen können. Zwangsheirat und Genitalverstümmelung sind inzwischen gesetzlich verboten. Ich halte das für einen großen Fortschritt und wünsche mir, dass dies in der nächsten Legislatur fortgesetzt wird." Sibylle Laurischk bekam dafür im Parlament nicht nur von Frauen großen Beifall.
Die Entscheidung, 2013 nicht noch einmal für den Bundestag zu kandidieren, traf Sibylle Laurischk schon kurz nach der Bundestagswahl 2009. Öffentlich machte sie ihren Entschluss auf dem Neujahrsempfang der FDP im letzten Jahr. "Ich fand es wichtig, mich frühzeitig zu meinen Plänen zu äußern und der Partei die Möglichkeit zu geben, einen geeigneten Kandidaten zu finden", erklärt Sibylle Laurischk.
Die FDP hat sich ganz offensichtlich für einen Generationswechsel entschieden, denn ihr Nachfolger als Bundestagskandidat im Wahlkreis 284 ist der Student Jan Sachs (23). Ob sie sich eine Frau als Nachfolgerin gewünscht hätte? "Vielleicht", sagt Sibylle Laurischk nachdenklich.
Zwischen großen Aktenstapeln und vielen Büchern macht Sibylle Laurischk in ihrem Bundestagsbüro nicht den Eindruck, dass sie bald nicht mehr hier arbeiten wird. Es sieht eher so aus, als hätte sie noch viel abzuarbeiten. Trotzdem wirkt sie entspannt und spricht darüber, dass Politikerinnen wohl eher in der Lage sind loszulassen und etwas Neues zu beginnen. "Männer sind von erreichten Positionen und Macht vielleicht abhängiger als Frauen. Es gibt ja Kollegen, die seit Jahrzehnten ein Bundestagsmandat haben."
Die Politikerin erklärt: "Es entsteht bei manchen offenbar eine Art Sucht nach Macht, die gefährlich sein kann. Ich möchte nicht ausschließen, dass auch Frauen in solche Abhängigkeiten geraten können. Für mich war und ist das aber keine erstrebenswerte Option." Natürlich gab es auch Zeiten, da hat Sibylle Laurischk sieben Tage in der Woche täglich 16 Stunden und mehr gearbeitet. Sie hat aber in solchen Phasen nie die Bodenhaftung verloren und immer rechtzeitig gemerkt, wenn es kritisch wurde. "Bei einer so intensiven Arbeitsbelastung kann man sehr schnell den Bezug zur Realität verlieren. Mir war immer wichtig, dass das nicht passiert", sagt die Politikerin.
Die Zukunft von Sibylle Laurischk liegt in der Arbeit als Anwältin. "Ich habe meine Kanzlei in den Jahren meiner Abgeordnetentätigkeit, im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten, die sehr begrenzt waren, nicht aufgegeben. Da ich vorwiegend im Familienrecht arbeite, konnte ich doppelt profitieren. Die Verbindung zu den Problemen meiner Mandanten und damit zum Alltag der Menschen war für mich sehr hilfreich."
Sie fügt an: "Es sind Synergien zwischen Beruf und Politik entstanden, und es hat mir als Politikerin geholfen, Probleme zu erkennen und anzupacken", sagt Sibylle Laurischk und ergänzt: "Mit meiner Kanzlei habe ich mir ein Stück Unabhängigkeit bewahrt, deshalb stehe ich jetzt nicht ohne Perspektive da. Für mich gibt es ein Leben nach der Politik und das ist ein sehr beruhigendes Gefühl."
Auf die Frage, ob es neben der Arbeit als Anwältin noch etwas gibt, worauf sie sich ab Herbst besonders freut, antwortet Sibylle Laurischk ganz spontan: "Ich werde nicht mehr so viel Zeit in der Bahn verbringen wie in den letzten elf Jahren. Bis Offenburg sind es immerhin sechs Stunden, weil es keine günstige Flugverbindung gibt. Wenn dieser große Zeitfaktor entfällt, werde ich wieder mehr mit meiner Familie unternehmen können und Gelegenheiten haben, Freunde zu treffen."
Unter der Arbeits- und Zeitbelastung hätten in den letzten Jahren auch die persönlichen Kontakte stark gelitten: "Die werde ich künftig wieder stärker pflegen oder wiederbeleben, und auch darauf freue ich mich sehr." (bsl/29.07.2013)