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Mit den Folgen einer "Militarisierung" von Minderjährigen befasste sich die Kinderkommission. © picture-alliance
"Die Folgen der Militarisierung Minderjähriger" lautete das Thema eines öffentlichen Expertengesprächs der Kinderkommission am Mittwoch, 17. Februar 2016, unter Vorsitz von Norbert Müller (Die Linke). Drei Sachverständige stellten sich den Fragen der Abgeordneten. Neben ethischer sei insbesondere auch aus psychologischer Sicht die Rekrutierung von Minderjährigen sehr problematisch, erklärten die Experten.
Darauf wies vor allem der Psychologe Dr. Tobias Hecker vom Department of Psychology, Psychopathology & Clinical Intervention der University of Zurich hin. Posttraumatische, affektive oder Angststörungen seien oft typische Krankheitsbilder von Bundeswehrsoldaten, die aus ausländischen Kriegsgebieten zurückkehren, so Hecker.
Doch Jugendliche seien besonders vulnerabel, denn neue Studien besagten, dass die Gehirnentwicklung bis Anfang 20 noch nicht abgeschlossen sei. Die Reorganisation des Gehirns erlaube, dass sich Umwelteinflüsse - positiv wie negativ - auf die Funktionsweise und Organisation des Gehirns auswirken: "Das Risikoverhalten nimmt zu und auch die Wahrnehmung von Gewalt", erklärte Hecker. Die Herkunft spiele daher nicht zwangsläufig eine Rolle. Eher die familiären Bindungen, Beziehungen und eigenen Erfahrungen mit traumatischen Erlebnissen.
Den Einfluss von beispielsweise Bundeswehr-Werbung auf Kinder und Jugendliche sieht auch Marco Krüger vom Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften der Universität Tübingen als problematisch an: "Der Infogehalt der Werbung ist nicht immer zweifelsfrei." Teils wenig plausible und oberflächliche Informationen, verkürzte Darstellungen von Sachverhalten oder Werbesprüche wie "Mach, was wirklich zählt" seien irreführend, so Krüger.
Krüger forderte nicht ein Verbot der Bundeswehr-Werbung: "Werbung ist immer bemüht, ein gutes Bild abzugeben. Aber sie sollte nichts vorgaukeln." Allerdings will er auch militärkritische Stimmen zu Wort kommen lassen, insbesondere in der politischen Bildung: "Mehr Geld für zivile Friedensdienste, um eine Gegendarstellung aufzuzeigen, die Lehrer zu entlasten und bei Kindern und Jugendlichen die Bildung einer eigener Meinung zu fördern."
Dem stimmte auch der Publizist und Student der Politikwissenschaft Michael Schulze von Glaßler zu, der insbesondere die Intransparenz und Altersbeschränkungen von gewaltverherrlichenden Videospielen für Kinder und Jugendliche ansprach. "Videospiele sind das Massenmedium der Zukunft - 34,3 Millionen Deutsche, vor allem junge Menschen, spielen regelmäßig", führte Schulze von Glaßler die Zahlen der deutschen Konsumforschung an. Beliebt seien Kriegsspiele, die auch oftmals in Amerika produziert und manche Spiele vom US-Militär oder Rüstungsunternehmen finanziert würden. Diese Intransparenz müsse verhindert werden, forderte Schulze von Glaßler.
Außerdem forderte er mehr inhaltliche Fokussierung des Jugendmedienschutzes auf gewaltverherrlichende Spiele: "Einfach das Blut aus den Spielen entfernen, damit man es ab zwölf Jahren freigeben kann, ist eher der falsche Weg", kritisierte Schulze von Glaßler. (abb/17.02.2016)