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Als vor 20 Jahren, am Mittwoch, 22. Mai 1996, der damalige Präsident der Republik Südafrika, Nelson Mandela, in Begleitung des Bundespräsidenten Prof. Dr. Roman Herzog, der Bundestagspräsidentin Prof. Dr. Rita Süssmuth und Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl den Bundestag betritt, wird er im voll besetzten Bonner Plenarsaal begeistert empfangen. Mit dem Friedensnobelpreisträger, der zu diesem Zeitpunkt zwei Jahre das Amt des südafrikanischen Präsidenten bekleidete, empfingen die Abgeordneten nicht nur ein Staatsoberhaupt, das auf Einladung der Bundestagspräsidentin nach Bonn gekommen war, um vor dem deutschen Parlament zu sprechen. Der erste schwarze Präsident Südafrikas war zu diesem Zeitpunkt bereits für viele Menschen ein weltweites Idol und eine Ikone im gewaltfreien Kampf für die Freiheit.
Der Kämpfer gegen die Apartheid, die strikte Rassentrennung zwischen Schwarz und Weiß in Südafrika, sei mit seinem Leben und seinem persönlichen Beispiel ein Symbol der Hoffnung und ein Symbol des Widerstands gegen Unrecht und Menschenverachtung, wie die Bundestagspräsidentin in ihrer Begrüßungsansprache betonte.
Süssmuth würdigte den Gast als Kämpfer für Freiheit und Gerechtigkeit und als einen Staatsmann, der, wie nur wenige andere in diesem Jahrhundert, nicht nur sein Land, sondern eine Region, einen Kontinent verändert hat, der die Nöte und Sehnsüchte seiner Mitbürger verstanden hat, sie auszudrücken und zu verwirklichen sucht und der für den Aufbau eines demokratischen Südafrikas steht.
Der Präsident der Republik Südafrika sprach von der Apartheid, den Problemen, aber auch den Möglichkeiten in seinem Land und bat Deutschland und die anderen Industriestaaten um Unterstützung und Hilfe nach dem Vorbild des Marshallplans für Deutschland. Er dankte für die Solidarität, die ihm und dem ANC – dem African National Congress – in den harten und entbehrungsreichen Jahren des Kampfes gegen die Apartheid entgegengebracht wurde, und er dankte allen Deutschen, die die Überwindung der Rassentrennung in Südafrika unterstützt hatten und „es möglich gemacht haben, dass wir hier stehen können, als stolze Vertreter einer wahrhaft afrikanischen Regenbogen-Nation“.
„In reporting through you, to them, about the freedom attained by their fellow human beings in South Africa, we are also acknowledging the sacrifices of ordinary German working people and professionals, poets and writers, politicians and religious leaders, and many more, who made it possible that we could stand here, proud representatives of a truly African rainbow nation, to proclaim to the echo of the valleys and hills of Europe, that we are free at last!”
Nelson Mandela, der für seinen Kampf gegen die Apartheid mehr als 27 Jahre im Gefängnis verbracht hatte, erinnerte die Anwesenden daran, dass niemand in Sicherheit und Frieden leben kann, wenn andere in Unfreiheit und Unsicherheit leben. Eindrucksvoll beschrieb der ehemalige Gefangene mit der Nummer 46664 seine Vision von Versöhnung statt Rache vor dem Deutschen Bundestag: „Wahrheit ist die Saat, die als Versöhnung und nicht als Rache aufkeimen wird“.
„We seek the truth because we know its profound potential to heal; because it is the seed that will germinate in reconciliation and not vengeance; because from it, we can restore the dignity of the victims and ensure such reparations as our nation can afford.”
Er bedankte sich für die seltene Gelegenheit vor den gewählten deutschen Volksvertretern sprechen zu können. Mandela gehörte zu den wenigen amtierenden ausländische Staatsoberhäuptern, die vor dem Deutschen Bundestag gesprochen haben. Nach US-Präsident Richard Nixon am 26. Februar 1969, US-Präsident Ronald Reagan am 9. Juni 1982, dem französischen Präsident François Mitterrand am 20. Januar 1983 und dem israelischen Staatspräsidenten Ezer Weizman am 16. Januar 1996 war der südafrikanische Präsident erst das fünfte amtierende ausländische Staatsoberhaupt, das eingeladen worden war um zu den Abgeordneten zu sprechen.
Der am 18. Juli 1918 geborene Nelson Rolihlahla Mandela hatte sein Leben dem Kampf gegen die Apartheid gewidmet. Der Jurist wurde während seiner Zeit im Gefängnis für viele Menschen zu einer Symbolfigur für den friedlichen Freiheitskampf. Weltweit hatten sich Menschen für seine Freilassung eingesetzt. Nach seiner Entlassung am 11. Februar 1990 setzte er sich für ein friedliches Ende der Apartheid ein und führte mit der südafrikanischen Regierung und dem damaligen Präsidenten Frederik Willem de Klerk Verhandlungen über politische Reformen.
1993 wurde er gemeinsam mit de Klerk für seinen gesellschaftspolitischen Kampf um die Demokratisierung von Südafrika mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Am 10. Mai 1994, nach den ersten freien demokratischen Wahlen in Südafrika, wurde Mandela zum ersten schwarzen Präsidenten des Landes vereidigt und blieb bis 1999 im Amt. Nelson Mandela starb am 5. Dezember 2013 im Alter von 95 Jahren.
„Wir verdanken ihm viel. Sein Vorbild im Kampf gegen Rassismus und Unterdrückung, aber auch sein bewundernswerter Beitrag zur friedlichen Entwicklung seines Landes sind eine historische Demonstration dafür, welche Entwicklung Befreiungs- und Demokratisierungsprozesse nehmen können, wenn sie von Persönlichkeiten von seiner Kraft, seiner Ausstrahlung, aber auch seiner Versöhnungsbereitschaft geprägt werden“, würdigte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert den Verstorbenen. Der Präsident der Republik Südafrika, Jacob Zuma, verabschiedete ihn mit den Worten „Unsere Nation hat ihren größten Sohn verloren“. (klz/13.05.2016)