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Die Linke fordert die Einführung einer dreistufigen „Volksgesetzgebung“ im Grundgesetz. © pa/chromorange
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Diesem Verfassungsprinzip folgend plädiert die Linksfraktion für die Verankerung einer dreistufigen „Volksgesetzgebung“ im Grundgesetz, um Plebiszite verfassungsrechtlich abzusichern. Über einen entsprechenden Gesetzentwurf (18/825) stimmt der Bundestag im Anschluss an die am Donnerstag, 9. Juni 2016, um 10.25 Uhr beginnende 85-minütige Debatte ab. Ziel der Vorlage ist es, das Bürger künftig auf Bundesebene mit Hilfe von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden direkt mitbestimmen können.
Die Debatte wird live im Parlamentsfernsehen, im Internet auf www.bundestag.de und auf mobilen Endgeräten übertragen.
Als erste Stufe der angestrebten „Volksgesetzgebung“ benennt der Gesetzentwurf Volksinitiativen. 100.000 Wahlberechtigte sollen auf dieser Ebene Gesetzesvorlagen und andere politische Themen in den Bundestag einbringen können. Wird eine Volksinitiative vom Parlament abgelehnt, so soll in einem zweiten Schritt ein Volksbegehren eingeleitet werden können, das dann erfolgreich wäre, wenn es von einer Million Wahlberechtigten befürwortet wird.
Volksbegehren zur Änderung des Grundgesetzes benötigen laut Gesetzentwurf die Unterstützung von zwei Millionen Bürgern. Ist ein solcher Vorstoß aus Sicht der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Drittels der Bundestagsabgeordneten verfassungswidrig, so soll darüber das Bundesverfassungsgericht urteilen.
Stimmt der Bundestag einem Volksbegehren nicht zu, so findet nach den Vorstellungen der Linksfraktion auf der dritten Stufe ein Volksentscheid statt. Eine Gesetzesvorlage soll dann als angenommen gelten, wenn die Mehrheit der Wähler mit Ja votiert, wobei nur die abgegebenen Stimmen zählen sollen. Für eine Grundgesetzänderung wäre eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Bei einem Urnengang sollen die Bundestagsfraktionen eigene Gesetzentwürfe zum betreffenden Thema des Volksbegehrens präsentieren können. Eine Parlamentsmehrheit soll Volksentscheide zu jedem Thema veranlassen können.
Wahlberechtigt wären nach dem Modell der Fraktion auf den verschiedenen Stufen der „Volksgesetzgebung“ Deutsche sowie Personen, die nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben, aber seit mindestens fünf Jahren in der Bundesrepublik gemeldet sind, mit dem Mindestalter von 16 Jahren.
Der Innenausschuss spricht sich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in seiner Beschlussvorlage (18/7972) gegen den Gesetzentwurf aus. Aus Sicht der Unionsfraktion ist die Vorlage „nicht sinnvoll“ Die repräsentative Demokratie habe sich durch große politische Stabilität ausgezeichnet, heißt es. Ihr Kennzeichen sei auch ein gewachsenes und ausgefeiltes Gesetzgebungsverfahren. Ein Plebiszit biete hingegen eine solche Möglichkeit nicht, sondern sei auf ein schlichtes Ja oder Nein reduziert.
Die SPD-Fraktion sieht laut der Vorlage „Elemente direkter Demokratie als eine in Betracht kommende Antwort auf eine Vertrauenskrise eines Teils der Bevölkerung gegenüber der repräsentativen Demokratie“. Angesichts der bekannten Gegenargumente müsse aber über eine intelligente Verschränkung zwischen parlamentarischem System und direkter demokratischer Teilhabe nachgedacht werden, worauf sich in der Vorlage keine Antwort finde.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigt sich offen für eine Diskussion über das Vorhaben. Auch wenn einzelne Punkte in der Vorlag zu kritisieren seien, dürfe das aus ihrer Sicht nicht dazu führen, ein solches Vorhaben pauschal abzulehnen. Es müsse vielmehr nach einer fraktionsübergreifenden Einigung gesucht werden.
Neben dem aus dem Jahr 2014 stammenden Gesetzentwurf stimmt der Bundestag noch über eine zweite Vorlage der Linksfraktion ab. In einem Antrag (18/8419) fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, „Initiativen zu mehr Demokratie für alle vorzulegen und mittels eines Gesetzentwurfs für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide, auch im Hinblick auf die Ratifizierung völkerrechtlicher Verträge, rechtlich abzusichern“.
Der Bundestag soll sich dem Antrag zufolge verpflichten, „in Anlehnung an die europäische Bürgerinitiative einen Vorschlag für ein direktdemokratisches Verfahren der politischen Teilhabe zu entwickeln“. (hau/06.06.2016)