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„Der Petitionsausschuss war auch im Jahr 2015 der Seismograf für die aktuellen Sorgen und Nöte der Menschen.“ Das sagte Kersten Steinke (Die Linke), Vorsitzende des Petitionsausschusses, zu Beginn der Debatte über den Tätigkeitsbericht des Ausschusses für das Jahr 2015 (18/8370). 13.137 Petitionen seien im vergangenen Jahr an den Ausschuss gerichtet worden und damit 2.188 weniger als 2014. „So wenig Petitionen erreichten uns das letzte Mal 1988“, sagte die Ausschussvorsitzende. Für Steinke ist die verringerte Anzahl der Eingaben jedoch kein Indiz dafür, dass die Menschen weniger Probleme haben.
Ein Grund für den Rückgang kann aus Sicht der Linke-Abgeordneten die Möglichkeit der Mitzeichnung öffentlicher Petitionen sein, „statt eine Petition selber einzureichen“. Aber auch die Konkurrenz privater Internetportale oder das nahende Ende der Wahlperiode könnten eine Rolle spielen. „Es bedarf hier sicher einer genaueren Analyse“, so Steinke.
Was die Konkurrenz durch private Petitionsplattformen angeht, so forderte sie ein stärkeres Engagement aller Abgeordneten, um den Petitionsausschuss bekannter zu machen. „Nur bei uns gibt es die Dreifach-Garantie. Eine offizielle Eingangsbestätigung, die sorgfältige Prüfung des Anliegens und eine demokratische abschließende Entscheidung, die den Petenten mitgeteilt wird.“
Auch Christel Voßbeck-Kayser (CDU/CSU) ging auf die privaten Anbieter ein, die suggerierten, dass man dort mit einer Unterschrift etwas bewirken könne. Dem sei aber nicht so. „Man kann auf diesen Plattformen nichts bewirken“, stellte sie klar. Es gebe nur eine echte Petitionsplattform, und das sei die des Bundestages.
Voßbeck-Kayser lobte die Arbeitsatmosphäre im Ausschuss. Jedes Anliegen werde ernst genommen, sagte sie. Oftmals gelange der Petitionsausschuss auch über Fraktionsgrenzen hinweg zu gemeinsamen Entscheidungen.
Im Petitionsausschuss erfülle man Querschnittsaufgaben, sagte Kerstin Kassner (Die Linke). Das sei gut zur Vermeidung von Scheuklappen.
Für die Bürger biete der Ausschuss die Möglichkeit, „direkt in das politische Geschehen eingreifen zu können“. Das sei gerade in einer Zeit, in der sich viele Menschen von der Politik unverstanden fühlen, wichtig.
„In keinem anderen Ausschuss steht der Mensch so sehr im Mittelpunkt wie bei uns“, sagte Sarah Ryglewski (SPD). Doch nicht nur die Petenten seien die Nutznießer. „Die Politik allgemein profitiert ungemein von diesem Ausschuss“, sagte die SPD-Abgeordnete. Sie erfahre so, was funktioniert und was nicht. Auch Ryglewski forderte, den Bekanntheitsgrad des Petitionsausschusses deutlich zu erhöhen.
Das Petitionsrecht sie ein „Jedermannrecht“. Das bedeute, dass jeder, der in Deutschland lebt, auch wenn er nicht deutscher Staatsbürger ist, das Recht habe, eine Petition einzureichen. „Das gilt auch für Minderjährige“, sagte sie. Gerade bei Jugendlichen, „die viel zu sagen haben“, müsse die Möglichkeit bekannter gemacht werden. Selbstkritisch müsse man feststellen: „Unsere Kommunikationswege sind etwas altbacken.“
Corinna Rüffer (Bündnis 90/Die Grünen) stimmte der Einschätzung zu, dass es oftmals gelungen sei, fraktionsübergreifend gemeinsame Lösungen im Ausschuss zu finden. Dennoch müsse sie Wasser in den Wein schütten. „Meine Bilanz für 2015 fällt ziemlich nüchtern aus“, so die Grünen-Abgeordnete. Das Motto der Koalitionsfraktionen im letzten Jahr sei gewesen: „Verschleppen, verschieben, verstecken.“
Petitionen, die Union und SPD nicht angenehm seien, würden Monate oder Jahre verschleppt. „Sie verschieben sie in irgendwelche Koalitionsrunden, und die Leute warten vergeblich auf Entscheidungen“, kritisierte Rüffer. Das fördere den Verdruss im Ausschuss. „Was aber noch viel schlimmer ist: Es fördert auch den Verdruss unter den Bürgern“, sagte die Grünen-Abgeordnete. (hau/09.06.2016)