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Auswärtiges/Antwort- 16.06.2016
Berlin: (hib/AHE) Der Bundesregierung sind keine explizit christenfeindlichen Straftaten in Marokko bekannt. Christen werden beim Zugang zu öffentlichen Leistungen oder im privatrechtlichen Verkehr nicht systematisch benachteiligt, heißt es in der Antwort (18/8693) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/8193) zur menschenrechtlichen Lage in Marokko. Marokkanische Staatsangehörige, die zum Christentum konvertiert sind, würden allerdings vom Staat weiterhin als Muslime behandelt. "Sie müssen mit starken Sanktionen im sozialen Leben rechnen."
Der verfassungsmäßig gewährleistete Schutz der freien Religionsausübung erstrecke sich auf den sunnitischen Islam (der malekitischen Rechtsschule), das Judentum, sowie die ausländischen christlichen Gemeinden, nicht aber auf andere Religionsgemeinschaften. Für ausländische Angehörige anderer Religionsgemeinschaften gelte das in der Verfassung verankerte allgemeine Diskriminierungsverbot.
Politische Betätigung sei in Marokko grundsätzlich ohne staatliche Einschränkungen möglich. Aktivitäten, die sich gegen die Monarchie, gegen die Stellung des Islam als Staatsreligion oder gegen die territoriale Integrität Marokkos wenden, würden von den staatlichen Behörden in der Regel eingeschränkt und sanktioniert. Entsprechende strafrechtliche Einschränkungen beträfen auch die Pressefreiheit. "Im Juli 2014 wurde im Parlament ein Entwurf für ein neues Pressegesetz vorgelegt, wonach die Abschaffung besonderer Haftstrafen wegen journalistischer Betätigung vorgesehen ist", schreibt die Bundesregierung. Der Entwurf werde noch immer im Parlament beraten. Journalisten und internationale Beobachter kritisierten, dass für die angeführten Tatbestände weiterhin die einschlägigen Bestimmungen des Strafgesetzbuches gelten würden und das neue Pressegesetz zudem hohe Geldstrafen und Berufsverbote vorsehe.
Weiter heißt es in der Antwort, dass Orientierungen oder Identitäten als Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transsexuelle, Transgender und Intersexuelle (LSBTTI) vom marokkanischen Staat nicht anerkannt würden. "Ein öffentliches Ausleben einer LSBTTI-Orientierung ist mit sozialem Stigma verbunden." Das Strafgesetz stelle homosexuelle Handlungen unter Strafe, allerdings werde Homosexualität in der Regel toleriert, "solange sie im Verborgenen gelebt wird".
Marokko verhänge weiterhin die Todesstrafe, vollstrecke diese aber seit 1993 nicht mehr, heißt es in der Antwort weiter. Derzeit würden 120 zum Tode Verurteilte in marokkanischen Gefängnissen sitzen.
Grundsätzlich stehe Marokko in der arabischen Welt "als ein Land da, das vor dem Hintergrund politischer, wirtschaftlicher und sozialer Stabilität erkennbare Fortschritte bei der Entwicklung von Freiheitsrechten und Demokratie zeitigt", schreibt die Bundesregierung. Das Königreich verfolge seit der Inthronisierung von König Mohammed VI. einen verstärkten Modernisierungskurs, beispielsweise durch die Einrichtung einer Versöhnungskommission zur Aufarbeitung von staatlich verübtem Unrecht in den 1970er und 1980er Jahren, sowie durch eine ambitionierte Reform des Familienrechts. Die Verfassung von 2011 sehe eine deutliche Stärkung demokratischer und rechtstaatlicher Elemente vor. "Über zahlreiche kontroverse Themen wie etwa die Rolle religiöser Fragen im Strafrecht, Fragen sozialer Gerechtigkeit, Korruption und Nepotismus, Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten finden öffentliche Diskussionen statt, die die gesellschaftliche Unterstützung für neue Lösungsansätze in diesen Feldern schrittweise befördern."