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Mehr Möglichkeiten für Beschäftigte, über die eigene Arbeitszeit zu bestimmen: Das fordert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einem Antrag (18/8241), über den der Bundestag am Donnerstag, 28. April 2016, in erster Lesung beraten hat. In dem Antrag verlangen die Grünen von der Bundesregierung, Rahmenbedingungen zu entwickeln, um Beschäftigten mehr Zeitsouveränität zu ermöglichen und sie gleichzeitig vor entgrenzter Arbeit zu schützen.
Zu den Maßnahmen soll nach Ansicht der Grünen unter anderem ein Vollzeit-Korridor mit Wahlarbeitszeiten im Teilzeit- und Befristungsgesetz gehören. Im Bereich von 30 bis 40 Stunden pro Woche sollen Arbeitnehmer dadurch ihren Arbeitszeitumfang nach oben oder unten anpassen können. Der bestehende Rechtsanspruch auf Teilzeit soll um ein Rückkehrrecht auf den früheren Stundenumfang ergänzt werden.
Die Nutzung von Homeoffice soll erleichtert werden. Die Fraktion fordert außerdem, dass Zeitsouveränität nicht zu Überforderung und unbezahlter Mehrarbeit führen darf. Deshalb sollen Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht über die Menge der Arbeit beziehungsweise über Zielvorgaben erhalten.
Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) hatte zur Bekräftigung ihrer Forderungen beeindruckende Zahlen parat: Nicht nur seien fast die Hälfte der Arbeitnehmer mit ihrem Arbeitszeit-Umfang unzufrieden, auch würden mehr als eine Milliarde Stunden pro Jahr ungenutzt bleiben. „Was für eine Verschwendung von Potenzial. Heben Sie zunächst einmal dieses Potenzial, bevor Sie die Rente mit 70 fordern“, wandte Sie sich an die Koalition.
Pothmer kritisierte, dass zu viele Frauen in der „Teilzeitfalle“ stecken bleiben würden und Männer die Teilzeit aus Angst vor Mobbing und Karriereknick scheuen. „Wir brauchen neue Modelle, um die Grenze zwischen Vollzeit und Teilzeit fließender zu machen“, forderte sie.
Uwe Lagowski (CDU/CSU) kritisierte, dass der Grünen-Antrag falsche Erwartungen wecke. Denn Mitbestimmung in dieser Frage funktioniere bereits. Auch gebe es Manteltarifverträge, die Teilzeitmodelle, Arbeitszeitkonten und Gleitzeit schon jetzt festschreiben. „Die Sozialpartner schaffen längst mehr Zeitsouveränität für die Beschäftigten“, sagte er.
Nötig seien also keine neue Verordnung, sondern verantwortungsvolle Akteure und eine neue Kultur der Prävention in den Betrieben, um Überlastungen der Beschäftigten vorzubeugen. „Eine volle Zeitsouveränität würde die Arbeitsabläufe in den Betrieben völlig auf den Kopf stellen, zulasten der Beschäftigten“, warnte Lagowski.
Jutta Krellmann (Die Linke) betonte, dass die Betriebsräte ein sehr starkes Mitbestimmungsrecht bei der Verteilung von Arbeit haben. Problematisch werde es aber bei den Ausnahmeregeln im Arbeitszeitgesetz, wie zum Beispiel verlängerten Öffnungszeiten im Einzelhandel. „Wenn wir über mehr Zeitsouveränität reden, können wir direkt damit beginnen, dass wir diese ganzen Ausnahmeregeln streichen. Millionen Menschen, insbesondere im Einzelhandel, würde man damit sofort helfen“, sagte Krellmann.
Sie warf den Grünen vor, dass deren Vorschläge zur Wahlfreiheit über Arbeitszeit und Arbeitsort für viele Berufsgruppen wie Busfahrer oder Krankenschwestern nicht taugen würden, sondern nur für einige privilegierte Gruppen.
Bernd Rützel (SPD) konnte dem Antrag der Grünen einige gute Vorschläge entnehmen. Andererseits gäbe es aber auch Risiken bei einer vollen Flexibilisierung der Arbeitszeit und einer reinen Ergebnisorientierung. Für die meisten normalen Beschäftigten sei dies kein passendes Modell, sie würden eben für Zeit entlohnt, so Rützel.
Er plädierte dafür, das Rückkehrrecht auf Vollzeit endlich umzusetzen. Dass ein entsprechender Gesetzentwurf noch nicht umgesetzt sei, liege jedoch nicht am Bundesministerium für Arbeit und Soziales, sagte er mit Blick auf die Unionsfraktion. „Aber wir kriegen das hin“, zeigte sich Rützel überzeugt. (che/28.04.2016)