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Einig im Ziel, aber nicht im Weg waren sich die Redner bei der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs der Bundesregierung zur Bekämpfung von Menschenhandel (18/4613) am Donnerstag, 2. Juni 2016. Dieser sieht vor, dass der Tatbestand auch erfüllt sein soll, wenn Menschen eingeschleust werden, um sie zu strafbaren Handlungen oder zum Betteln zu zwingen oder um ihnen Organe zu entnehmen, und nicht mehr nur zum Zweck der Arbeitsausbeutung oder sexuellen Ausbeutung.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Justizministerium Christian Lange (SPD) ging bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs insbesondere auf einen geplanten Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen ein, der noch nicht formal im Bundestag eingebracht ist, der aber auf einer im April vom Bundeskabinett beschlossenen Formulierungshilfe seines Hauses beruhen soll. Mit diesem Änderungsantrag werde der Gesetzentwurf um weitere Maßnahmen im Kampf gegen den Menschenhandel ergänzt, die im ursprünglichen Gesetzentwurf bereits für die weitere Gesetzgebung angekündigt seien, erläuterte Lange.
Mit den vorgesehenen Änderungen solle insbesondere die bisher starke Abhängigkeit einer Strafverfolgung von einer Aussage des Opfers abgemildert werden, führte Lange aus. Denn, wie Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) im weiteren Verlauf der Debatte sagte, „Verbrecher, die Menschen ausbeuten, haben auch die kriminelle Energie, sie zum Schweigen zu bringen“.
Der Änderungsantrag schlage neue Straftatbestände der Ausbeutung der Arbeitskraft, der Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung sowie eine Regelung zur Strafbarkeit von Kunden sexueller Dienstleistungen von Menschenhandelsopfern und der Zwangsprostitution vor, fasste Lange dessen Inhalt zusammen. Diese Bestimmungen sollten zu den bestehenden oder im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehenen Straftatbeständen hinzukommen. Ziel sei, nicht nur gegen die Menschenhändler selbst vorzugehen, sondern auch gegen diejenigen, die eine Zwangslage der Opfer ausnutzen.
Für die Fraktion Die Linke sagte Ulla Jelpke zu, alle Maßnahmen, die den Menschenhandel bekämpfen, zu unterstützen. Allerdings greife der Gesetzentwurf, auch mit den vorgesehenen Änderungen, zu kurz. Sie vermisse insbesondere Bestimmungen zum Schutz der Betroffenen. Viele Opfer schwiegen aus Angst um ihre Familie im Herkunftsland. Solange sie aber keine Anzeige erstatteten, seien sie nicht vor einer Abschiebung sicher.
Der Schutz und die Unterstützung der Opfer von Menschenhandel seien der wichtigste Punkt in der EU-Richtlinie, die mit dem Gesetzentwurf umgesetzt werden soll, doch dieser Punkt fehle völlig. Deshalb sei der Gesetzentwurf eine „peinliche Schmalspurlösung“, bemängelte Jelpke.
Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, dass Deutschland das einzige EU-Land sei, das erwähnte „Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates“ noch nicht in nationales Recht umgesetzt habe. Dem hielt Uhl allerdings entgegen, dass ein in der letzten Legislaturperiode vom Bundestag vorgesetzter Gesetzentwurf zur Umsetzung der Richtlinie im Bundesrat durch die Mehrheit der Länder mit SPD-, Grünen- und Linke-Regierung abgeblockt worden sei.
Inhaltlich kritisierte Keul insbesondere die im Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen vorgesehene Regelung der Freier-Strafbarkeit. Sie rief dazu auf, in der ebenfalls anstehenden Reform des Sexualstrafrechts sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person unter Strafe zu stellen, dann erübrige sich dies. Zu der vorgesehenen Straflosigkeit von Freiern, die bei der Aufklärung von Menschenhandel helfen, sagte Keul, „was für Freier recht und billig ist, sollte doch mindestens auch für die Opfer gelten“. Generell nannte sie die vorgesehenen Strafrechtsänderungen „völlig unsystematisch“.
Dagegen verteidigte Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) das Angebot der Straflosigkeit. „Da ist uns der Strafanspruch nicht so wichtig wie die Verhinderung weiterer Straftaten“, so ihre Begründung. Dagegen beanstandete sie eine „Unwucht“ in den vorgesehen Strafmaßen bei der Ausbeutung der Arbeitskraft und der Zwangsprostitution. „Es macht aus meiner Sicht immer noch einen Unterschied, ob man zur Arbeit am Bau oder auf dem Bauernhof eingesetzt wird oder ob man zehn Freier am Tag zufriedenstellen muss. Das ist deutlich übergriffiger im Verletzen der Menschenwürde“, stellte Winkelmeier-Becker fest.
Ihre Fraktionskollegin Dr. Silke Launert erklärte, sie hätte sich gewünscht, dass „sehr viel mehr gemacht worden wäre zum Schutz der Opfer“. Sie sei insbesondere enttäuscht, dass es in der Koalition nicht möglich gewesen sei, regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen von Prostituierten vorzuschreiben. Diese hatten im Vorfeld Interessenvertretungen von Sexarbeiterinnen als stigmatisierend abgelehnt. Ihnen hielt Launert entgegen, dass ein erheblicher Teil der Prostituierten Opfer von Menschenhändlern sei und eine Untersuchungspflicht ihnen helfen könne.
Dagegen verteidigte Dr. Eva Högl (SPD) den vorgelegten Gesetzentwurf mit den geplanten Änderungen auf der ganzen Linie. Zusammen mit dem zuvor debattierten Prostitutionsschutzgesetz sei dies eine „ganz wichtige Etappe bei der Bekämpfung von Zwangsprostitution und Menschenhandel“. Die Kritik Winkelmeier-Beckers an den geplanten Strafmaßen für Arbeitsausbeutung einerseits und sexuelle Ausbeutung andererseits wies sie zurück. Sie begründete dies mit der starken Zunahme des Menschenhandels zum Zweck der Arbeitskraft.
Högl erklärte sich aber, so wie auch andere Rednerinnen und Redner, bereit, offen in die demnächst anstehende Anhörung zu dem Gesetzentwurf zu gehen und die dort vorgetragenen Argumente bei der Ausschussberatung zu würdigen. (pst/02.06.2016)