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Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Dr. Hans-Georg Maaßen hat scharfe Angriffe gegen den NSA-Enthüller Edward Snowden gerichtet und die Vermutung geäußert, dieser sei ein russischer Agent. "Snowden dürfte die NSA ausgeplündert haben wie kein Zweiter zuvor einen US-Nachrichtendienst ausgeplündert hatte", sagte er am Donnerstag, 9. Juni 2016, dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) unter Vorsitz von Prof. Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU). Maaßen gab zu verstehen, er halte die Annahme für begründet, dass die Snowden-Affäre Teil der "hybriden Kriegführung" Russlands gegen den Westen sei. Der heute 53-Jährige leitet den Verfassungsschutz seit August 2012. Zuvor war er seit 2008 als Unterabteilungsleiter im Bundesinnenministerium für Terrorismusabwehr zuständig gewesen.
Maaßen stellte fest, der Schaden, den Snowden der NSA bereitet habe, sei, "immer noch groß". Noch nachteiliger auch für das internationale Ansehen des US-Geheimdienstes dürfte nach seinen Worten die Bilanz ausfallen, sollte sich herausstellen, dass es sich bei der Affäre um einen "Überläuferfall oder Doppelagentenfall" gehandelt habe.
Der Verfassungsschutzpräsident erinnerte an die spektakuläre Flucht des russischen Geheimdienstobersten Alexander Potejew, der sich 2010 mit seiner Familie in die USA abgesetzt und dort einen russischen Spionagering enttarnt hatte. Die Affäre habe dem russischen Auslandsnachrichtendienst SWR auch in den Augen der eigenen Regierung einen herben Gesichtsverlust beschert.
Die Schussfolgerung, die Maaßen mit seinen Ausführungen nahelegte, lautet, der SWR könnte diese Scharte ausgewetzt haben, indem er den US-Geheimdienstmitarbeiter Snowden als Agenten anwarb und führte. Dass Snowden in der internationalen Öffentlichkeit weder als Überläufer noch als Doppelagent wahrgenommen werde, sondern als selbstloser Idealist, setze dem russischen Erfolg die Krone auf. Hier sei zu beobachten, wie sich operative Geheimdienstarbeit mit Desinformation verbinden lasse.
Mit der Snowden-Affäre habe Russland einen Keil zwischen die USA und ihren engsten europäischen Verbündeten, die Bundesrepublik, getrieben. Vor allem hier habe der Vorgang "antiamerikanische und gegen die eigenen Nachrichtendienste gerichtete" Stimmungen erneut hochkochen lassen.
Den deutschen Diensten habe die Affäre in erheblichem Maße geschadet. Wichtige Interna und Informationen aus ihrer täglichen Arbeit seien an die Öffentlichkeit gelangt, ihre Tätigkeit und ihre Existenz als solche rundheraus "skandalisiert" worden. Auch dies habe gerade vor dem Hintergrund des Konflikts um die Ukraine im Interesse Russland gelegen.
Nicht zuletzt habe die Affäre den deutschen Sicherheitsbehörden in Zeiten wachsender Gefahr durch radikalislamische Terroristen eine enorme Anspannung ihrer personellen Ressourcen eingebrockt. Im Zusammenhang mit den Themenkreisen NSA und NSU habe sich seine Behörde, der Verfassungsschutz, derzeit mit zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen im Bundestag und fünf weiteren in verschiedenen Landtagen auseinandersetzen.
Das Informationsbedürfnis dieser Ausschüsse zu bedienen, koste in erheblichem Umfang Arbeitszeit und Energie, die an anderer Stelle dringender benötigt würden: "Niemand sage im Fall eines Terroranschlages, er habe das nicht gehört."
Zum Verdacht, der Verfassungsschutz habe durch Datenaustausch mit US-Behörden zum Drohnentod deutscher Islamisten beigetragen, sagte Maaßen: "Derartige Unterstellungen weise ich nachdrücklich auch für meine Mitarbeiter zurück.
Zuvor hatte der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Heinz Fromm, eingeräumt, dass seine Behörde durch Weitergabe von Daten unwissentlich an tödlichen Drohneneinsätzen der USA mitgewirkt haben könnte.
"Es ist natürlich denkbar, dass Informationen, die von uns geliefert wurden, Teil einer Gesamtinformation werden, die dann geeignet ist, solch einen gezielten Angriff durchzuführen", sagte Fromm und setzte hinzu: "Dann ist das eben so. Dann ist das eine mittelbar nutzbare Information." Der heute 67-Jährige stand zwischen Juni 2000 und Juli 2012 an der Spitze des Verfassungsschutzes.
Fromm bestätigte, dass die deutsche Seite beim Austausch von Informationen mit verbündeten Nachrichtendiensten immer darauf zu achten habe, keine Daten weiterzugeben, die "unmittelbar" geeignet sind, Personen zu orten.
In diesem Sinne habe das Innenministerium den Verfassungsschutz erneut instruiert, nachdem im Herbst 2010 der Tod zweier deutscher Staatsbürger durch US-Drohnen im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet Verunsicherung in die Behörde getragen hatte. Der Erlass vom 24. November 2010 habe lediglich eine längst gängige Praxis bestätigt, betonte Fromm wie vor ihm bereits mehrere andere Zeugen aus seiner früheren Behörde.
Er machte freilich auch deutlich, dass bis heute auf deutscher Seite ein relativ restriktives Verständnis dessen besteht, was zur Personenortung "unmittelbar" geeignet ist. Im Wesentlichen sind dadurch nur GPS-Koordinaten von der Weitergabe ausgeschlossen, nicht jedoch schlichte Mobilfunknummern. Diese sind nach unverändert bestehender Überzeugung aller Zuständigen allein nicht in der Lage, die präzise Lokalisierung einer Zielperson zu ermöglichen: "Das war sozusagen Allgemeinwissen", erklärte Fromm. "Wir haben überhaupt keine Kenntnis gehabt, dass Übermittlung von Handynummern Ortungen ermöglichen würde. Niemand vor Anfang Oktober 2010 hat das je behauptet."
Nach diesem Verständnis schließt die deutsche Rechtslage nur GPS-Koordinaten von der Weitergabe aus, alle sonstigen Daten nicht. Er hätte auch keine Einwände, etwa die Information zu übermitteln, dass eine Person sich zu bestimmten Zeitpunkten immer am selben Ort aufhalte, gab Fromm zu verstehen: "Wenn es verboten wäre, Informationen zu liefern, die auch nur mittelbar zur Personenortung geeignet sein könnten, dann dürften Sie nicht einmal den Namen übermitteln", geschweige denn Erkenntnisse, dass ein Verdächtiger aus Deutschland in ein Kriegsgebiet ausgereist sei, gab Fromm zu bedenken. Der Nachrichtenaustausch mit befreundeten Diensten sei aber "für uns von großer Bedeutung".
Ein weiteres Mal schilderte Fromm dem Ausschuss die Umstände, die zum Erlass des Innenministeriums vom 24. November 2010 geführt hatten. Nach dem Drohnentod des deutschen Staatsbürgers Bünyamin Erdoğan und seines Begleiters sei in seiner Behörde eine Diskussion darüber aufgekommen, ob die Weitergabe bloßer Mobilfunkdaten tatsächlich unbedenklich sei: "Ich wollte auch die Frage klären, ob das geht oder nicht. Ich wollte wissen, ob es Erkenntnisse gibt, die dafür sprechen."
Er habe deswegen ans Innenministerium die gewiss unübliche Bitte gerichtet, eine längst gängige Praxis zu bestätigen. Fromm räumte ein, dass er darüber hinaus keine Anstrengung unternommen habe, Klarheit über die Tauglichkeit von Mobilfunkdaten zur Personenortung zu gewinnen: "Ich habe selber nicht gegoogelt." (wid/10.06.2016)