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Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Ansgar Heveling (CDU/CSU), wirbt für das neue Antiterrorpaket von CDU/CSU und SPD. Der Gesetzentwurf zum besseren Informationsaustausch zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (18/8702) sei eine „sehr ausgewogene Ergänzung bestehender rechtlicher Regelungen“, sagt Heveling in einem am Montag, 13. Juni 2016, erschienenen Interview der Wochenzeitung „Das Parlament“. Sie nehme insbesondere in den Blick, „dass zur Terrorismusbekämpfung die internationale Zusammenarbeit immer wichtiger wird und dementsprechend auch die Befugnisse mit anderen Ländern abgestimmt und koordiniert werden müssen“. Das Interview im Wortlaut:
Herr Heveling, ist das neue Antiterrorpaket der Bundesregierung ein „neuer Überwachungs-Aufrüstungs-Katalog“, wie aus der Opposition zu hören ist?
Ich glaube, das ist eine sehr ausgewogene Ergänzung bestehender rechtlicher Regelungen, die insbesondere in den Blick nimmt, dass zur Terrorismusbekämpfung die internationale Zusammenarbeit immer wichtiger wird und dementsprechend auch die Befugnisse mit anderen Ländern abgestimmt und koordiniert werden müssen.
Die Opposition warnt, dass mit den geplanten gemeinsamen Dateien von Verfassungsschutz und ausländischen Geheimdiensten immer weniger zu kontrollieren sei, wer dort landet und was mit den Daten gemacht wird.
Es gibt ja keine neuen Befugnisse zur Dateneingabe, sondern es geht ausschließlich um die Frage der Übermittlung und Speicherung von Daten und darum, gemeinsame Dateien mit ausländischen Nachrichtendiensten zu ermöglichen. Die Attentate von Paris und Belgien haben gezeigt, dass Terroristen keine europäischen Grenzen kennen, insofern ist ein entsprechender Datenaustausch notwendig. Dafür wird es eine gesetzliche Grundlage geben, die rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht.
Bisher gab es doch auch internationalen Datenaustausch zur Terrorabwehr.
Ja und nein. Bislang durfte der Verfassungsschutz ausländischen Diensten keinen automatischen Abruf gestatten, sondern konnte nur auf Anfrage zu einem konkreten Vorfall Daten weitergeben. Es geht aber oftmals darum, dass schnell Daten ausgetauscht und analysiert werden können und damit Daten zusammengefasst werden können. Dazu hat es bisher keine Befugnis gegeben. Das ist aber angesichts der grenzüberschreitenden Herausforderungen beim Terrorismus eine Notwendigkeit.
Laut Gesetzentwurf müssen die Partnerstaaten – nicht nur EU- und Nato-Staaten – bei diesen Dateien „grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien“ einhalten. Eine solche Bewertung, lautet ein Einwand, dürfte schon beim Nato-Partner Türkei nicht leicht sein.
Das sind in der Tat Punkte, die grundsätzlich geprüft werden müssen, bevor ein solcher Datenaustausch ermöglicht wird. Bei vielen Ländern wie den EU-Mitgliedern gibt es da regelmäßig keine Probleme. Bei anderen wird man im Einzelnen genauer prüfen, und es sind auch entsprechende Mechanismen vorgesehen, dass beim Bundesinnenministerium eine solche Prüfung erfolgt.
Kritisiert wird auch, dass die Bundespolizei künftig verdeckte Ermittler auch präventiv statt nur zur Strafverfolgung einsetzen können soll. Damit greife das Strafrecht schon bei Vermutungen und nicht nur bei belegten Tatbeständen …
Diese Einsatzmöglichkeiten sind in allen Landespolizeigesetzen vorgesehen; das ist eine normale polizeiliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Auch das Bundeskriminalamt hat diese Berechtigung. Die Bundespolizei nimmt auch Aufgaben der Gefahrenabwehr wahr und hat dafür bereits eine Reihe von Ermächtigungen, die denen in den Landespolizeigesetzen gleichen. Letztlich wird nur eine Lücke geschlossen.
Nach dem Regierungspaket muss ich mich künftig ausweisen, wenn ich für mein Handy eine Prepaid-Karte kaufen will, weil sehr viele Kunden dabei bisher falsche Angaben gemacht haben. Gibt es nicht zu denken, wenn so viele Menschen ihre Daten nicht preisgeben möchten?
Es gab bislang nicht die Verpflichtung, das zu tun, und wer wollte, konnte sich dabei auch Micky Maus nennen. In allen anderen Bereichen, in denen man Verträge schließt, ist es üblich, seine Daten anzugeben. Insofern wird auch hier eine Lücke geschlossen. Zu denken geben sollte, dass es diese Verpflichtung bisher nicht gab.
Macht eine solche Verpflichtung Sinn, wenn sie nicht auch international flächendeckend eingeführt wird? Sonst kaufe ich eben in Rumänien meine Prepaid-Karte, ohne Daten preisgeben zu müssen.
Die Frage ist berechtigt. Wir gehen jetzt an der Stelle voran, und das Ziel muss sein, dass das auch international oder europäisch weitere Unterstützung findet.
Setzen Sie darauf, dass die EU-Kommission hier initiativ wird?
Es wäre sicherlich sinnvoll, wenn das zentral durch die Kommission angepackt würde. Da muss man ganz genau schauen, ob es eine entsprechende Rechtsgrundlage in den europäischen Vertragsregularien gibt.
Dass Kriminelle oder Terroristen beim Kauf einer Prepaid-Sim-Karte sich mit gefälschten Papieren ausweisen, lässt sich aber auch dann nicht ausschließen.
Das lässt sich beim Kauf von Prepaid-Karten genauso wie in allen anderen Bereichen nicht verhindern. Aber Dokumente zu fälschen oder zu benutzten, ist natürlich ein Straftatbestand. Insofern ist es ganz normal zu versuchen, dort zu kontrollieren, wo es möglich ist. Bestimmte Dinge fallen ja auch auf. Vor allem wird es aber an der Stelle schwerer gemacht, einfach entsprechend aktiv zu werden.
Das führt für manche Kritiker dazu, dass zwar die Daten unbescholtener Bürger gespeichert werden, nicht aber die solcher Krimineller.
Wenn ich einen ganz normalen Mobilfunkvertrag abschließe, werden meine Daten auch gespeichert, und ich bleibe trotzdem ein unbescholtener Bürger. Wenn man das jetzt auch auf Prepaid-Karten ausdehnt, wird damit die Unbescholtenheit vieler, vieler Bürger nicht infrage gestellt.
Ist es nicht datenschutzrechtlich bedenklich, wenn meine Daten etwa an der Supermarktkasse erhoben werden?
Solche Bedenken habe ich nicht, weil dabei natürlich datenschutzrechtliche Standards eingehalten werden müssen. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor, dass die Bundesnetzagentur weitere geeignete Verfahren zur Überprüfung der gemachten Angaben festlegen kann. Damit kann sie auf praktische Bedürfnisse des täglichen Geschäfts reagieren und gleichzeitig Datenschutz sichern. Und ansonsten ist es ja auch so eine Sache, dass viele auf der einen Seite bereit sind, für doppelte Payback-Punkte ihr Einkaufsverhalten preiszugeben, aber andererseits soll das nicht der Fall sein, wenn es um persönliche Daten im Zusammenhang mit dem sensibleren Thema der Kommunikation geht.
Moniert wird auch, dass die Bundesregierung nach und nach alle Möglichkeiten zur anonymen Kommunikation verbiete.
Anonyme Kommunikation steht für mich auch durch diese Maßnahmen nicht grundsätzlich infrage – ich kann immer noch ohne Namensnennung kommunizieren. Es geht ja auch weniger um die Inhalte als um die Grunddaten. Es macht für mich einen Unterschied, ob Informationen über Verträge an sich gesammelt werden oder ob man sich auf den Inhalt der Kommunikation bezieht. Inhaltlich anonyme Kommunikation ist nach wie vor möglich.
Nicht in dem Gesetzespaket enthalten ist eine Erlaubnis für das Bundesamt für Verfassungsschutz, Daten von 14- bis 16-Jährigen zu speichern, wie sie nach dem Angriff einer 15-Jährigen auf einen Bundespolizisten gefordert wurde.
Neben diesem Fall in Hannover gab es jüngst in Nordrhein-Westfalen einen Anschlag auf eine Einrichtung der Religionsgemeinschaft der Sikhs, der auch von Jugendlichen begangen wurde. Das zeigt, dass es zunehmend Radikalisierungstendenzen bei Jugendlichen und Einwirkungen auf sie gibt. Daher finde ich es sinnvoll, die Ermächtigung altersmäßig auszuweiten. So wie Nordrhein-Westfalen das für das Landesamt für Verfassungsschutz vorbereitet, sollte das auch auf Bundesebene kommen. Ob das jetzt in diesem Paket geschieht oder bei einem weiteren Gesetzgebungsvorhaben, ist eine Frage der praktischen Umsetzbarkeit.
(sto/13.06.2016)